Mannheim. „Als ich nach Deutschland gekommen bin, stellten mir Freunde und Verwandte in Syrien ständig Fragen über das Leben in Deutschland“, erklärt Khalil Khalil. Diese vielen Fragen bewogen den 37-jährigen kurdischen Syrer 2010 zur Gründung der arabischsprachigen Facebook-Gruppe „Life and Study in Germany“. Der studierte labortechnische Assistent migrierte 2009 nach Deutschland, hier lernte er seine spätere Ehefrau und Mutter der gemeinsamen drei Kinder kennen. Seit 2019 engagiert er sich im Migrationsbeirat der Stadt. Seit Mai 2023 ist er parteipolitisch für Bündnis 90/Die Grünen aktiv und macht sich dort für den Dialog zwischen den Kulturen und Religionen stark. Zudem engagiert er sich als Vorstandsmitglied des Islamischen Arbeitervereins Mannheim für das umstrittene Moschee-Projekt in Käfertal.
Zu Beginn dominierten Fragen zum Studium in Deutschland
„Einige Wochen nach der Gründung der Facebook-Gruppe stellte ich fest, die gestellten Fragen sind oft die gleichen“, erklärt Khalil. Mit der Zeit habe er in der Gruppe unterschiedliche Kategorien zum Alltag, Studium und zum Arbeitsleben in Deutschland eröffnet. Die Gruppe sei stetig gewachsen. Zu Beginn dominierten - Khalil zufolge - Fragen zum Studium in Deutschland: „Welche Unterlagen werden benötigt? Unter welchen Voraussetzungen ist ein Studium an einer deutschen Universität möglich? Wie gut müssen meine Deutschkenntnisse sein?“ Gerade in arabischsprachigen Ländern wie Syrien interessieren sich viele Jüngere für ein Studium von Fächern im medizinischen Spektrum: Neben der Humanmedizin sind syrische Studierende oft in Fächern wie Medizintechnik oder Pharmazie anzutreffen.
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Mit Beginn des Bürgerkriegs stellte Khalil einen rasanten Anstieg der Mitglieder der Gruppe fest. Seine fundierten Kenntnisse des Arbeitslebens und des Alltags als Student in Deutschland haben sich Khalil zufolge auf Social Media schnell herumgesprochen. Dass er im Vergleich zu anderen Anbietern kein Geld für seine Dienste nimmt, erklärt für ihn ebenfalls den Erfolg.
„Zu Beginn war ich allein und die Gruppe wuchs stetig. Mittlerweile helfen mir andere Freunde dabei, die vielen Fragen zu beantworten“, erklärt Khalil. Auswertungen der Gruppenstatistik zufolge stammt die Mehrheit der Fragesteller aus Ägypten. Dorthin flohen zahlreiche Syrer vor dem Bürgerkrieg und auch Tausende Palästinenser fanden dort eine neue Heimat. Allerdings stammen viele Fragen nach einem Studium oder zum Arbeiten in Deutschland auch von arabischsprachigen Männern und Frauen aus nordafrikanischen Ländern wie Marokko, Tunesien oder Algerien.
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Von den über 149 000 Mitgliedern der „Life and Study in Germany“-Facebookgruppe sind aktuell 33 Prozent Frauen, 67 Prozent Männer. Die Mehrheit der Mitglieder (40 000) stammt weiterhin aus Ägypten, 15 000 aus Syrien. Um vor dem Bürgerkrieg in Syrien und der rasanten Zunahme von Neumitgliedern, die Diskussionen besser kontrollieren zu können, entscheidet Khalil 2015: Alle Antrittsfragen werden nur nach der Beantwortung von kritischen Fragen zur politischen Einstellung beantwortet. Auch in den Gruppenregeln führt Khalil ein Verbot von Hasskommentaren, Rassismus oder Sympathiebekundungen von Diktatoren in arabischen Ländern ein. „Wer Diktatoren unterstützt, soll bitte nicht nach Deutschland kommen“, lautet Khalils Credo. Mit dem Anwachsen der Facebookgruppe auf über 149 000 Mitglieder gewinnen Khalil und seine Helfer 2021 ein Stipendium von Facebook. Mit dem Community Accelerator Programm der Social-Media-Plattform erhält Khalil ein Budget zur Erstellung einer deutsch- und arabischsprachigen Homepage und das Startkapital zur Gründung der in Mannheim ansässigen gemeinnützigen Firma „Life and Study in Germany“.
Breites Angebot von Leseabenden bis zu Gründungsworkshops
Khalil unterstützt nach über zehn Jahren nicht nur Antragsteller aus dem Ausland, sondern inzwischen in Mannheim etablierte arabischsprachige Mediziner und andere Fachkräfte. Ob Leseabende, Vortragsreihen oder Gründungsworkshops. Für viele der mittlerweile Eingebürgerten etablierten Khalil und seine Kooperationspartner in der Region eine Vielzahl an Angeboten. Mit der Polizei in Mannheim startete er beispielsweise eine Vortragsreihe zum Thema „Rechtsradikale Symbole im Internet“. „Der Input der Polizei zeigte uns, wie wir als Migranten am besten auf solche Symbole reagieren“, erklärt Khalil. Mittlerweile nutzen Träger der sozialen Arbeit und auch an der arabischsprachigen Community Interessierte Khalil als Brücke zur arabischen Gemeinde in Mannheim und der Region.
Mittlerweile seien viele der einstigen Fragesteller aus Solidarität und Dankbarkeit selbst zu Administratoren geworden und unterstützten die nächste Generation arabischsprachiger Fachkräfte und Studierender in Deutschland. Für Khalil stehen auch schon die nächsten Projekte an. Gemeinsam mit anderen Muslimen in Mannheim wünscht er sich einen stärkeren Dialog mit der jüdischen Gemeinde. Vor dem Hintergrund des Nahostkonfliktes und der auch hier spürbaren Polarisierung sei dies ein wichtiger Meilenstein. „Wir sollten mehr aufeinander zugehen und Möglichkeiten für persönliche Begegnungen schaffen“, wünscht sich Khalil.
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