Mannheim. Die Verhüllung ist weg. Die Sandsteinfassade im italienisch anmutenden Neorenaissance-Stil zieht wieder die Blicke auf sich, im Eingangsbereich strahlt der Kronleuchter unter der sanierten Glaskuppel. „Unser Zuhause in D 4 ist mehr als nur ein Gebäude – es ist ein lebendiges Stück Mannheimer Geschichte“, heißt es auf der Webseite des kommunalen Leihamtes. Rechtzeitig vor dem Jahreswechsel hat die Stiftung des öffentlichen Rechts ein neues Kapitel aufgeschlagen.
Im vorweihnachtlichen Trubel ging fast ein bisschen unter, dass die zweijährige Restaurierung abgeschlossen ist. Vermutlich hätten sich die Architekten Philipp Jelmoli und Karl Blatt nie träumen lassen, dass in dem von ihnen für die Süddeutsche Bank entworfenen und ab 1900 im Stil eines Stadtpalazzos errichteten Eck-Gebäude eines fernen Tages das Leihhaus der Stadt residieren würde.
Starkregen brachte die Sanierung fast zum Scheitern
Allerdings hatte sich die 1809 gegründete Einrichtung „zur Steuerung des Wuchers und zum Besten der bedürftigen Volksklasse“ anno 1990 beim Einzug in den Prachtbau bereits zu einem Dienstleistungsunternehmen gewandelt. Die Zeiten, als vor allem Textiles von Bettwäsche über Tischlinnen bis zu Kleidung beliehen wurde – weshalb man von Mannheims „großem Schrank“ sprach – waren längst vergangen. Das Leihamt hatte Mitte der 1960er, damals noch im ehemaligen C 7-Wöchnerinnenhaus, eingeführt, als Pfand nur noch „gute Garderobe“ anzunehmen. Mit dem Effekt, dass binnen weniger Wochen etwa 5000 Kleiderbügel überflüssig wurden.
Bevor das Leihhaus dorthin umzog, wo Götterbote Hermes oberhalb des Portals begrüßt, wurden 1,5 Millionen Mark in die denkmalgerechte Renovierung des nun wieder eigenen Dienstgebäudes investiert – aus Eigenmitteln. Weitere Renovierungen gab es 2009 im Innenbereich. Als Jahre später die Sandsteinfassade immer stärker zu bröckeln begann und zudem die Glaspyramide über dem Atrium Undichtigkeiten aufwies, „da war klar, wir müssen etwas tun“, blickt Geschäftsführer Jürgen Rackwitz zurück.
Im November 2022 begann die etappenweise durchgeführte Sanierung der Sandsteinfassade zunächst in dem am meisten verwitterten Seitenbereich (gegenüber den Rem-Museen). Rackwitz erinnert sich noch mit Schrecken daran, wie im folgenden Frühjahr nicht aufhören wollender Starkregen das Sanierungsprojekt an den Rand des Scheiterns brachte: Wasser drang durch offene Fassade-Stellen ein und beschädigte im Innern Teile des historischen Stucks. Die Glaspyramide stellte vor besondere Herausforderungen. Für mehr Lichteinfall wurde das Schutzdach entfernt. „Es ist, als hätte unser Gebäude eine neue Seele bekommen“, so Jürgen Rackwitz.
Erfolgreiche Sanierung und Pfandkredite
Auch wenn die Sanierung in eine finanziell schwierige Zeit fiel - Corona sollte auch dem prosperierenden Leihamt Verluste bringen – so stand für Geschäftsführer Rackwitz fest: „Das Gebäude muss werthaltig bleiben – schließlich ist es unsere Sicherheit“. Nicht ohne Stolz berichtet er: Sämtliche Aufwendungen sind ohne Zuschüsse von der Stadt oder dem Land aus Rücklagen und mittels eines aufgenommenen Kredits selbst gestemmt worden. „Inzwischen sind wir wieder dabei, Rücklagen aufzubauen.“ Und die Kommune kann mit Überweisungen rechnen - denn 50 Prozent des Gewinnes fließen in den Sozialetat.
Fakten zum Mannheimer Leihamt
- Das Leihamt Mannheim (Adresse: D 4,9-10, Telefon: 0621/12013-0) ist Deutschlands einziges öffentlich-rechtliches Pfandhaus. Es öffnet montags bis freitags 9 bis 17 Uhr, Silvester geschlossen.
- Neben dem klassischen Pfandkredit ist auch An- und Verkauf von Edelmetallen möglich. Der Feingehalt von Gold wird mithilfe von Säureprüfkasten, Dichtewaage und Röntgenfluoreszenz präzise bestimmt.
- Außerdem werden edle Uhren und Schmuckstücke aus Versteigerungen (nicht abgeholter Pfänder) verkauft. In der D4-Eingangshalle steht eine Vitrine mit einer Auswahl solcher „Schätzchen“.
Als Klassiker gilt nach wie vor der Pfandkredit. „Beliebt als kurzfristige Engpassfinanzierung ohne Schufa“, so Rackwitz. Die Vorteile: Keine Verschuldung außerdem bleibt der beliehene Wertgegenstand während der gesamten Pfandlaufzeit im persönlichen Eigentum. „96 Prozent aller Pfänder werden wieder ausgelöst und nicht versteigert“, erläutert Jürgen Rackwitz, der da so manche Geschichte zu erzählen vermag. Beispielsweise von einem Musiker, der seit Jahrzehnten immer mal wieder eines seiner Instrumente bringt, beleiht und auslöst, sobald er nach einem Job wieder Geld hat. Das Team an den Schaltern weiß von Stammkunden zu berichten, die regelmäßig ein Goldkettchen, einen schmalen Ring oder kleinen Ohrring hinterlegen, um einige Euro auszuleihen.
In den ersten Januarwochen herrscht Hochbetrieb
Das in der Schweiz ausgetüftelte Vario-Pfand hat sich auch beim Mannheimer Leihamt durchgesetzt – weil es die Sicherheit eines Schließfaches mit den Vorteilen des klassischen Pfandkredits kombiniert: Vorab begutachtete Wertgegenstände in Form von Anlagegold, Brillanten, Uhren und Goldschmuck werden eingelagert, gegen geringes Entgelt versichert und unbürokratisch wie schnell beliehen. Und dies zu günstigeren Bedingungen als bei einem Dispokredit.
In den ersten Januarwochen herrscht beim Leihamt erfahrungsgemäß Hochbetrieb. Nicht nur, weil zum Jahresbeginn Versicherungen fällig werden. Manchmal, so erzählt Jürgen Rackwitz, bringt ein Stammkunde jenen Teddybär oder Baukasten vorbei, der für ein Kind unterm Weihnachtsbaum gelegen hat und nun für eine kleine Summe auf Zeit beliehen werden soll – weil nach den Festtagen das Geld knapp ist.
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