Mannheim. Sprüche wie „Ey, geiler Arsch“ oder „Du lässt mich dich anfassen, du willst es doch auch“ oder „Euch würde ich gerne mal vergewaltigen“ lassen sich Mannheims Frauen nicht mehr einfach so gefallen. Seit Herbst 2020 sorgt in der Quadratestadt eine Gruppe junger Aktivistinnen für Aufsehen: Sie malt an Orten, an denen verbale sexuelle Belästigungen geschahen, die gesagten Sprüche auf die Straße. Mit Kreide. Doch das ist nun wohl vorerst vorbei. Die Gruppe erhält aktuell keine Genehmigung mehr. Das berichtet Damina Terzic, die sich bei der Regional-Gruppe „catcallsof_mannheim“ engagiert.
Über die Gruppe, das „Catcalling“ und die Rechtslage
- „Catcallsof_Mannheim“ heißt der Instagram-Kanal, auf dem Frauen und Mädchen aus Mannheim verbale sexuelle Belästigungen melden. Die Gruppe kreidet diese förmlich an, fotografiert sie und stellt sie ins Netz. Die Follower-Zahl steigt stetig, mehr als tausend Menschen folgen dem Kanal. In Deutschland setzt der Straftatbestand der sexuellen Belästigung eine Berührung voraus. Das „Catcalling“, also anzügliches und sexualisiertes Hinterherrufen, Pfeifen und Gesten, ist nicht strafbar.
- Die Gruppe schließt sich der Fuldaer Studentin Antonia Quell an. Sie fordert in einer Petition, Catcalling solle strafbar sein. Die Argumentation, Catcalling sei ein Kompliment, lässt Quell nicht durchgehen. Catcalling sei gegeben, wenn man den Satz nicht seiner Mutter sagen würde und wenn man darauf nicht mit „Danke“ antworten könne, so Quell. In einer Petition fordert nun auch die Mannheimer Gruppe, wieder ankreiden zu dürfen, abrufbar ist sie unter https://cutt.ly/uz8oXAu
„Als wir bei unserer letzten Ankreideaktion waren, kam ein älterer Herr zu uns. Wir hatten ehrlich gesagt Angst, was ist jetzt schon wieder“, berichtet Terzic. Doch der Mann fragte: „Habt ihr denn jetzt endlich die Genehmigung erhalten? Ich habe eure Geschichte im ,Mannheimer Morgen‘ gelesen. Ich finde es toll, was ihr macht, gebt nicht auf!“
Abwaschen nach dem Protest
Denn die Gruppe musste bei der Stadt um Erlaubnis für ihre Zeichnungen anfragen (wir berichteten). Der Grund: In Deutschland braucht man für diese Art von Kreidemalerei eine Genehmigung. Zwischenzeitlich hatten die Aktivistinnen eine solche für ihre Kreidekunst erhalten. Allerdings nur, wenn diese nur einige Tage hintereinander auf der Straße steht. Danach muss alles wieder abgewaschen werden, so die Bedingung. Die Gruppe habe sich penibel daran gehalten, berichtet Terzic. Auch, wenn das Abwaschen ihrem Ziel, nämlich nachhaltig auf Sexismus auf der Straße aufmerksam zu machen, entgegen steht.
Umso schwerer wiegt es nun für sie, dass die Erlaubnis bei der letzten Anfrage verwehrt wurde. „Wir wollten rund um den Weltfrauentag am 8. März für drei Tage ankreiden“, sagt Terzic. Die Antwort der Behörde darauf: Das ginge nun nicht mehr. Die Begründung: Die Nachfrage solcher Aktionen sei „sehr stark angestiegen“. Damit nicht fortlaufend die Gehwege im Stadtgebiet „durch verschiedene Sprühaktionen bemalt werden, wurde einheitlich festgelegt, dass solche Aktionen - insbesondere vor dem Hintergrund, dass derzeit massiv im öffentlichen Raum für die anstehende Landtagswahl plakatiert wird - nicht mehr genehmigt werden“.
Keine Sprühkreide verwendet
Terzic versteht die Begründung nicht: „Wir haben nicht mehr Aktionen gemacht, zuletzt angekreidet haben wir am Jahresende. Dann wollten wir erst jetzt wieder im März, weil wir lernen mussten und Prüfungen hatten.“ Zudem hätten sie nur Straßenmalkreide und nie Sprühkreide genutzt - und nicht auf den Gehweg gemalt. „Wir machen das nur, wo wir es dürfen, und achten darauf, dass wir niemanden gefährden. So hat es bisher immer geklappt.“ Eine Sprecherin des Ordnungsamts äußert sich auf Anfrage nicht dazu. Terzic ist sauer und hat nun selbst eine Petition im Netz gestartet, damit weiter angekreidet werden kann: „Wir achten echt auf alles, Hygiene, Masken und so weiter“, sagt die Aktivistin. „Und wir sehen: Die Leute wollen uns unterstützen und finden unsere Aktion gut. Immer mehr Frauen melden sich.“
Doch seitens der Stadt, so habe sie das Gefühl, „dass die das gar nicht wollen“. Auch die Restriktionen, die sie immer wieder bei den Zeichnungen erlebten, sprächen dafür. Sie würden „geduldet, aber nicht befürwortet“, das ist ihr Gefühl. „Oder wie jetzt, auch eben nicht mehr geduldet.“ Ein „bisschen Zuspruch“ fände sie gut. „Ich meine, das müsste doch im allgemeinen Interesse sein, dass Mannheim ein bisschen sicherer für die Frauen wird.“
In Kürze befasst sich der Betriebsausschuss Technische Betriebe mit einem Antrag von LI.PAR.Tie und Grünen auf Satzungsänderung für genehmigungsfreie Nutzung von Straßenkreide. Terzic selbst wurde indes vor kurzem wieder Opfer eines Verbalübergriffs am Bahnhof. Es war ein Mann, sie schon mehrfach angesprochen hatte. „Ich will dich heiraten. Eigentlich bist du ja ganz hübsch. Aber deine Schuhe gehen gar nicht“ habe er sie belästigt und bewertet - obwohl sie ihm mehrmals sagte, er solle aufhören.
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