Wochenmarkt - Andrea Ilchmann verkauft in ihrem grünen Wagen verpackungsfrei / Mancher Marktbesucher ist noch etwas zögerlich

„Sell und ebbes – und alles naggisch“

Von 
Dieter Leder
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Andrea Ilchmann in ihrem Wagen: Mit viel Spaß und Überzeugungsarbeit verkauft sie alle ihre Produkte verpackungsfrei. © Leder

„Alles naggisch. . .“, steht auf der Klapptafel vor dem neuen grünen Verkaufswagen auf dem Mannheimer Wochenmarkt in G 1. Das „naggisch“ bezieht sich auf das Nudel-Angebot auf der Klapptafel. Und auch auf alle anderen Produkte in Andrea Ilchmanns Sortiment. Denn mit ihren „naggischen“ Produkten meint sie, ganz vornehm ausgedrückt, Produkte ohne jede Verpackung. Die Nudeln im Angebot gibt es nicht pfundweise in der Plastikverpackung wie in jedem Supermarkt – sondern ohne jede Verpackung und genau in der Menge, wie sie der Kunde wünscht.

„Ich bin eine Verfechterin des Unverpackten“, sagt Sabine Kalupski. Früher ist sie von der Neckarstadt regelmäßig in die Schwetzingerstadt gefahren, wo es bereits einen Unverpackt-Laden gibt. Aber seitdem Ilchmann mit ihrem Unverpackt-Verkaufswagen samstags auf den Wochenmarkt kommt, haben sich die Wege der Neckarstädterin halbiert. Unverpackt einkaufen ist bei ihr tatsächlich schon Normalität, denn sie hat ihre eigene und wiederverwendbare Verpackung dabei. „Idealerweise bringen die Kunden Einmachgläser, Dosen, Schachteln, Tütchen oder sonstige Behälter mit“, erklärt Ilchmann. Und wer nichts mitbringt, für den hat Ilchmann immer ein paar Gläschen dabei.

Überzeugungsarbeit nötig

Aber Kalupski ist bestens vorbereitet und kramt einige verschließbare Becher heraus. Sie kennt sich auch mit dem Prozedere des Unverpackt-Einkaufens bestens aus: „Stopp sagen oder voll?“ Das ist die wichtigste Frage: Im einen Fall macht Ilchmann das Gläschen voll mit dem gewünschten Produkt, im anderen Fall sagt der Kunde einfach nur „Stopp“, wenn er denkt, es reicht. Oder er sagt gleich, wie viel Gramm er haben möchte oder wie voll das Gläschen sein soll. „Jede Plastiktüte, die ich spare, ist gut“, erzählt Kalupski, während Ilchmann gerade den Rohrzucker für sie abfüllt. „Ich bin froh, dass es so etwas jetzt hier auf dem Wochenmarkt gibt“, sagt Kalupski und wünscht Ilchmann noch „viel Erfolg“.

Doch nicht alle Besucher auf dem Wochenmarkt trauen sich anfangs an ihren Stand und bleiben sicherheitshalber in einiger Distanz stehen. Für viele ist unverpacktes Einkaufen so fremd wie für Ureinwohner ein Geldautomat. Ilchmann leistet daher Überzeugungsarbeit vor allem vor ihrem Wagen. „Das ist mein Kaufladen hier“, stellt sie sich einer scheuen Kundin vor und erklärt erst mal das unverpackte Einkaufen. Auch erzählt sie viel über ihre Produkte. Die sind alle biologisch, aus kontrolliertem Anbau oder in Demeter-Qualität: „Unverpackt ist ein Stück Verantwortung, Unverpackt ist auch biologisch, das hängt zusammen bei den Menschen“, sagt Ilchmann über die Hintergründe zu den Produkten. Alle Arten von Nudeln hat sie im Sortiment, ebenso Reis, Hülsenfrüchte, Getreide, Mehl, Grieß, Samen, Saaten, Flocken, Müsli, Nüsse, Kerne, Trockenfrüchte und Gewürze. Und bald soll noch mehr dazu kommen.

Ilchmann kommt aus Waghäusel und musste früher immer nach Karlsruhe fahren, um unverpackt einzukaufen. Das wollte sie ändern und in Waghäusel einen eigenen Laden aufmachen. Aber das hat nicht geklappt. Dann kam ihr im Dezember die Idee mit dem Verkaufswagen und den Wochenmärkten. „Das macht mehr Sinn, den Leuten vor die Tür zu fahren, man bekommt Kontakt und kommt an die Leute ran.“

Also suchte sie mit ihrem Mann einen Wagen. Einen ausgedienten Krankenwagen hatten sie gefunden, „der hatte ein Waschbecken und war hygienisch“, wie sie berichtet. Dann entdeckten sie den alten Bäckerwagen. Und so ist sie seit Anfang des Jahres mit ihrem grünen Unverpackt-Verkaufswagen mit der Aufschrift „sell & ebbes“ (aus dem Badischen übersetzt: dies und etwas) jetzt jeden Samstag auf dem Mannheimer Wochenmarkt in G 1. Sie steht in der nördlichen Ecke, „etwas abseits, aber die Leute finden mich.“

„Die hat hier gefehlt“, lobt Lisa Lill-Lehmann, „sie hat eine Lücke hier gefüllt.“ Alle möglichen Becher und Gläschen stapeln sich vor ihr, sie kauft für ihren Mann und das kleine Kind ein, den Stand habe sie zufällig im Januar entdeckt, wie sie sagt. Und seitdem gehört sie zur glücklichen Stammkundschaft. „Das Einkaufen macht Spaß hier“, so Lill-Lehmann. Zuletzt will sie noch von den „naggischen“ Gummibärchen mitnehmen: „Stopp sagen oder voll?“, fragt Ilchmann routiniert, doch Lill-Lehmann klärt sie auf: „Bei Gummibärchen gibt es kein Stopp.“

Unverpackt einkaufen

  • Der erste verpackungsfreie Laden eröffnete 2014 in Berlin.
  • 2018 machte der erste verpackungsfreie Laden in Mannheim auf.
  • Mittlerweile gibt es mehr als 140 verpackungsfreie Läden in ganz Deutschland.
  • „sell & ebbes“ von Andrea Ilchmann ist der zweite Unverpackt-Wagen auf deutschen Wochenmärkten.
  • Mittwochs ist sie vormittags in Schwetzingen, donnerstagvormittags in Waghäusel, nachmittags in Plankstadt sowie samstags auf dem Wochenmarkt in Mannheim

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