Pandemie

Schluss mit Budenzauber auf den Mannheimer Weihnachtsmärkten

Von 
Angela Boll und Sebastian Koch
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Endstation für die Kindereisenbahn auf dem Weihnachtsmarkt am Wasserturm. Die Einzelteile werden eingepackt und landen vorerst auf dem Abstellgleis. © Christoph Blüthner

Mannheim. Jetzt regnet’s auch noch. Am Samstagmorgen könnte die Stimmung rund um den Wasserturm kaum getrübter sein. Nicht mal zwei Wochen lang hatten hier die Stände geöffnet. Jetzt sind viele schon fort, manche packen noch demotiviert zusammen. Budenzauber ade! Am Freitagnachmittag fiel die Entscheidung für das Aus. Erst war von Donnerstag die Rede, dann Freitag, jetzt Samstag, zwischendrin hieß es, am Wochenende könnte doch geöffnet sein. „Es war ein nervenaufreibender Prozess“, sagt Jan Goschmann von der Mannheimer Weihnachtsmarkt GmbH, „wir haben viel investiert, viel organisiert und viel Herzblut reingesteckt und nun bleiben doch die meisten auf Kosten sitzen“.

Diese Einschätzung teilt auch Christine Igel, Geschäftsführerin der städtischen Event und Promotion, die den Markt auf den Kapuzinerplanken organisiert. „Die Ungewissheit war für uns alle äußerst schwer“, sagt sie am Sonntagnachmittag dieser Redaktion. Von der Schließung der Märkte „hängen Existenzen der Teilnehmer ab“. Eine tatsächliche Bilanz der abgebrochenen Saison könne man zwar erst in der kommenden Woche überblicken. „Aber es ist wirtschaftlich auf jeden Fall nicht gut gelaufen.“

Ob es dann nicht besser gewesen wäre, die Weihnachtsmärkte erst gar nicht zu öffnen? Hätte man die Öffnung nicht probiert, „hätte man das auch wieder für nicht richtig gehalten“, vermutet der für den Märchenwald am Paradeplatz verantwortliche Markus Rick. „Die Kurzfristigkeit der Schließung und die damit verbundenen hohen entstandenen Kosten waren das Problem“, erklärt Rick, der aber „niemandem die Schuld“ zuweisen möchte.

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„Das geht kein zweites Mal“

Goschmann hofft, dass man sich auf Landes- oder Bundesebene für eine Entschädigung für die Aussteller ausspricht – „sie haben viel riskiert.“ Einer der Aussteller ist Daniel Beisel. Er hat am Wasserturm die Kindereisenbahn und einen Flammkuchenstand betrieben. „Ich kann es schwer nachzuvollziehen. Ein paar Kilometer weiter, in Ludwigshafen, brummt das Geschäft auf dem Weihnachtsmarkt. Dort läuft’s mit 2G. Das hätte ich mir auch für Mannheim gewünscht“, sagt er: „Als wir in den ersten Tagen freiwillig auf 2G gesetzt haben, kamen die Leute. Mit 2Gplus war es eigentlich so gut wie vorbei.“

Man habe es mit den umzäunten Märkten und der 2G-Regel anfangs sogar noch strenger gehandhabt, als es die Landesverordnung für Weihnachtsmärkte vorgesehen hatte, erklärt Igel. „Damit war das Geschäft zwar auch schwieriger als 2019, aber für ein schwieriges Jahr hätte man damit noch leben können.“ Erst als ab Mittwoch 2Gplus galt, „kam der Einbruch“.

Beisel schätzt, dass er bis zu 70 Prozent weniger Umsatz als 2019 gemacht hat. „2020 war Anfang November klar, dass wir nicht investieren müssen und alles ausfällt. Diesmal war alles vorbereitet. Ich hatte sogar nochmal Lebensmittel für’s Wochenende bestellt, weil es ja kurzfristig hieß, dass wir bis Montag bleiben können.“ Für den nächsten Winter wünscht sich Beisel mehr Klarheit von der Politik: „Das geht kein zweites Mal.“

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Durchwachsenes Fazit für Handel

Indes möchte auch Veranstalterin Igel betonen, dass es bei der Debatte nicht allein um die Organisatoren der Märkte ginge: „Mir tun die Teilnehmer, die mit den Weihnachtsmärkten ihren Lebensunterhalt verdienen, unendlich leid.“ Wenn eine solche Ungewissheit in den kommenden Jahren bleiben sollte, „wird es für die Teilnehmer schwer zu planen“. Davon betroffen seien auch deren Familien und Kinder.

Unterdessen hat Lutz Pauels ein durchwachsenes Fazit für den Handel am Samstag gezogen. Zwar war die Stadt „ganz gut“ frequentiert, Kunden seien aber wegen der erst am Freitagabend mitgeteilten neuen 2G-Regel „verunsichert“ gewesen, erläutert der Vorsitzende der Werbegemeinschaft Mannheim City. „Manche wussten nicht so wirklich, unter welchen Voraussetzungen man kommen kann.“ Zudem hänge der Handel eng mit dem Betrieb der Weihnachtsmärkte zusammen – „es war ein komischer Samstag.“

Tuncay Atacan betreibt das Gasthaus „Maruba“ und ärgert sich über die Signale aus der Politik. Seit Samstag gilt in Gaststätten 2Gplus. „Und gleich am Morgen haben die Ersten abgesagt. Zwei große Tische für den Abend.“, berichtet er. „Ich verstehe die Leute. Sie haben alles gemacht, sind doppelt geimpft, lassen sich registrieren und jetzt sollen sie sich in der Kälte zum Testen anstellen, womöglich mit Ungeimpften. Da hätte ich auch keine Lust.“ Atacan hätte einen harten Lockdown in der Gastronomie bevorzugt.

„Es lohnt sich mit 2Gplus nicht für uns. Eigentlich müsste ich zumachen. Aber dann läuft mir das Personal weg und ich habe im Sommer niemanden mehr.“ Er versuche nun, bis Mittwoch eine Teststation direkt am Lokal aufzuziehen. „Es ist alles sehr aufreibend, aber wir müssen kreativ bleiben.“ Anderen Gastronomen geht es ähnlich und wie Atacan denken auch sie über das Schließen nach – „wir zahlen sonst drauf“, sagt einer, muss eine Schließung wegen des Personals aber ebenfalls gut abwägen.

Redaktion Lokalredakteurin, Gerichtsreporterin, Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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