Mannheim. Am Sonntag hat die Weltmeisterschaft in Katar begonnen. Bei dem Turnier ist alles ein bisschen anders: Statt Public Viewing im Biergarten gibt es Fußball bei Weihnachtsstimmung. Auch ist Katar wegen Menschenrechtsverletzungen umstritten, nicht zuletzt auch was Angehörige der LGBTQ-Szene angeht. Zudem sind zahlreiche Gastarbeiter gestorben. Sind die Menschen trotzdem im Fußballfieber? Wir haben uns in den Quadraten umgehört.
Für den 30-jährigen Drammy und seine Nachbarin Nicole ist klar. „Ich freue mich auf die WM und schaue sie immer“, sagt die Mannheimerin mit haitianischen Wurzeln. Die Daumen drückt sie Brasilien, Argentinien und dem Senegal. Drammy fiebert bei den Begegnungen von Frankreich und Senegal mit. Er kommt aus Gambia und fühle sich daher mit dem afrikanischen Nachbarland verbunden. Die Verletzungen der Menschenrechte verurteilen beide, wollen aber Sport und Politik trennen. „Schade finde ich, dass Italien nicht ist dabei“, sagt der Mannheimer. „Eine WM ohne Italien ist wie Suppe, in der das Salz fehlt.“
Kritik an Fifa
Johanna und ihre Mutter Doris dagegen haben mit der WM nichts am Hut. „Ich boykottiere sie“, sagt die 20-Jährige. „Allein den Zeitpunkt finde ich nicht okay.“ Inakzeptabel finden die beiden, dass so viele gestorben sind. „Fußball soll verbinden, nicht spalten.“ Beide finden es schade, dass die WM für sie dieses Mal nicht in Frage kommt. „Sonst haben wir sie nämlich immer angeschaut“, bedauert Doris.
Sport und Politik möchte ein 75-jähriger Italiener trennen. Da „seine“ Mannschaft nicht dabei ist, drücke er Deutschland die Daumen. Denn er lebe nun schon so lange hier und fände es schön, wenn sie den Cup holen würden. „Natürlich würden wir uns über einen Sieg von Italien noch mehr freuen“, sagt er.
Karl sieht das ähnlich. Er wird die Spiele schauen und hofft, dass die Deutschen sich den fünften Stern holen. Das Schicksal der Menschen, die gestorben sind, und andere Negativschlagzeilen lassen ihn nicht kalt. Vor der WM hat der Mannheimer daher rund 15 Dokumentationen zum Thema angeschaut. „Je mehr man weiß, umso mehr versteht man auch die Hintergründe.“ So hätten die Gastarbeiter gewusst, was auf sie zukommt, meint er. Viele hätten fast ihr ganzes Geld an die Familie geschickt. „Vielleicht hätten sie, wenn sie weniger Geld für die Familie versandt hätten, menschenwürdiger wohnen können.“ Gleichzeitig meint der 67-Jährige, es sei wichtig, dass Besucher die Traditionen und Regeln des Landes akzeptieren.
Die Studierenden Leonie und Florian sind nicht einer Meinung. „Ich schaue die WM auf keinen Fall“, erklärt die 19-Jährige. „Pro Spiel sollen es rund 300 Menschen sein, die ihr Leben verloren haben.“ Florian möchte wissen, wie weit die Nationalelf kommt und schaut sich ihre Spiele an. „Wenn sie ins Halbfinale kommen, fände ich es schön.“
Jutta boykottiert die WM. „Richtige Stimmung kommt im Winter sowieso nicht auf.“ Hauptsächlich geht es ihr aber darum, dass sie es nicht tragbar findet, dass Menschenrechte mit Füßen getreten werden. „Das weiß man ja“, sagt die 64-Jährige. Sie bemängelt, dass den Funktionären das Finanzielle wichtiger sei als das Leben der Gastarbeiter. „Die armen Menschen aus der Bevölkerung profitieren ohnehin nicht von der Ausrichtung der WM. Das kann man nicht unterstützen.“
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Annika Richter und ihr Mann schalten bei der WM ein – mit gemischten Gefühlen. „Wir haben zu Hause darüber diskutiert, ob man die WM mit gutem Gewissen einschalten kann.“ Sie fragt sich, wieso die Fifa das Turnier an Katar vergeben hat. „Man kann die WM eigentlich nicht guten Gewissen schauen.“ Sauer stößt ihr auf, dass es bei der Vergabe an Transparenz gefehlt hat. „Das war alles so undurchsichtig.“ Sie haben sich entschieden, nur die deutschen Spiele zu schauen.
England in der Favoritenrolle?
Eigentlich ist Leslie Banks großer Fan. Dieses Mal ist sie nicht im WM-Fieber. Für die Ludwigshafenerin sind die Umstände rund um das Turnier ein Grund, die WM zu boykottieren. Der Hauptgrund ist für die 26-Jährige, die sich selbst als Fan bezeichnet, vor allem die Diskriminierungen, die queere Menschen in Katar befürchten müssen. „Man kann sich ja nicht aussuchen, wen man liebt“, betont sie.
Andreas Knorn aus Heidelberg hat sich noch nicht entschieden, ob er die WM mitverfolgt. Als Jugendleiter des ASC Neuenheim sieht er manche Dinge an der Fifa kritisch, So bedauert er etwa, dass der Verband im Amateurbereich bei der Jugendarbeit zurückhaltend ist. Sein Begleiter aus Karlsruhe, der anonym bleiben möchte, schaut sich die WM an. „Wenn es die Arbeitszeit zulässt“, sagt er. Dass Deutschland dieses Jahr Weltmeister wird, daran glaubt er jedoch nicht. „Ich glaube, die Engländer machen es.“
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