Seelische Gesundheit - Telefonseelsorge Rhein-Neckar existiert seit 60 Jahren / Beratung auch online, per Chat oder Mail stark gefragt

Rund um die Uhr ein offenes Ohr für Sorgen und Ängste

Von 
Peter W. Ragge
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Die Nachfrage nach Seelsorge-Angeboten per Telefon oder Chat ist auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie bislang hoch gewesen. © dpa

Einsamkeit, Depressionen und Ängste – das sind die wichtigsten Themen, die Anrufende bei der Telefonseelsorge Rhein-Neckar im vergangenen Jahr bedrückten. Was die Verantwortlichen bei einer Auswertung überraschte: Weniger als zehn Prozent der Anrufe im Jahr 2020 drehten sich direkt um das Thema Corona. Wobei in dem einen oder anderen Punkt die Auswirkungen der Pandemie natürlich auch eine Rolle gespielt haben können.

Die ökumenische Telefonseelsorge leistet seit rund 60 Jahren wichtige präventive und auffangende Arbeit für seelisch angeschlagene Menschen. Allein im vergangenen Jahr fanden telefonisch, per Mail und per Chat über 150 000 Seelsorgekontakte in den 13 Seelsorgestellen in Baden-Württemberg statt. In der Telefonseelsorge Rhein-Neckar sind 160 ehrenamtliche Seelsorger bereit, einfach zuzuhören.

Die bundesweit größte Telefonseelsorge-Stelle feiert in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen – die Stelle für die Metropolregion. Der ökumenische Dienst mit seiner Geschäftsstelle in Mannheim am Friedrichsplatz startete im März 1961 für Mannheim-Ludwigshafen. Heute deckt er die ganze Metropolregion Rhein-Neckar ab. Das Team aus Ehrenamtlichen ist rund um die Uhr für Menschen in Not da. „Wir hören zu und werten nicht“, sagt die evangelische Pfarrerin Elke Rosemeier, die sich die Leitung mit der Diplom-Psychologin Diana Beetz von der katholischen Kirche und der pädagogischen Mitarbeiterin Ljiljana Kerstiens teilt.

Von Trauer bis Beziehungsproblem

„Man ist nicht nicht-normal, wenn man sich an die Telefonseelsorge wendet“, betont Pfarrerin Rosemeier. Nöte können erdrückend werden, viele Menschen wollen ihre Sorgen lieber mit jemand Außenstehenden teilen, manche haben niemanden, mit dem sie sprechen können, vor allem nachts, wenn die Gedanken rotieren. Krankheit und Trauer, Angst und Mobbing, Probleme in Schule und Arbeitsleben, in Familie und Beziehung sind die überwiegenden Sorgen, mit denen sich im letzten Jahr in der Metropolregion mehr als 24 500 Menschen meldeten. „Zwei offene Ohren und nahe bei den Menschen: Wenn es sie nicht gäbe, müsste sie erfunden werden“, ist Pfarrer Gregor Bergdolt, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Telefonseelsorge (LAG) in Baden-Württemberg, überzeugt. Als „Erste Hilfe für die Seele“ sei dieses Angebot der beiden großen Kirchen für alle Betroffenen „kostenlos und kostbar“ zugleich.

Von Anfang an konnten Menschen sich rund um die Uhr, anonym und vertraulich an die Telefonseelsorge wenden. Dabei geht die Hilfe weit über das Telefon hinaus. Inzwischen gibt es in der Metropolregion Rhein-Neckar auch Chat- und Mailberatung. Das Angebot, per Mail und Chat seelische Unterstützung zu erhalten, werde zunehmend gut genutzt. Zahlen gibt es nur auf Landesebene: Danach gab es allein 2020 beispielsweise 6527 Seelsorge-Chats (2019: 4397) und 7503 Seelsorge-Mailkontakte (2019: 6269).

„Onlineseelsorge ist für die Menschen das richtige Medium, denen das direkte Gespräch mit einer anderen Person zu nahe geht, oder die sich in diesem Medium besser aufgehoben fühlen“, erklärt Martina Rudolph-Zeller, Leiterin der Evangelischen Telefonseelsorge Stuttgart. „Die Chatseelsorge ist gerade auch für jüngere Menschen – aber nicht nur für diese – eine vertraute Form der Kommunikation.“ In der Chatseelsorge tauschen sich Menschen mit Kummer in Echtzeit per Smartphone, Tablet oder PC mit Menschen aus der Telefonseelsorge aus. Der Termin wird in der Regel vorher auf einer Plattform zur Verfügung gestellt und gebucht – auch hier streng vertraulich und anonym.

Telefonseelsorge lebt vor allem vom Engagement zahlreicher ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eine qualitativ hochwertige Ausbildung und Begleitung (Supervision) erhalten. In Baden-Württemberg arbeiten derzeit 763 Frauen und 297 Männer insgesamt etwa 132.000 Stunden pro Jahr für die Telefonseelsorge.

Es sei ein besonderes Ehrenamt, so Gregor Bergdolt: „Es trägt Menschen in Not und bedeutet eine besondere Verantwortung.“ In der Metropolregion werden gerade wieder Mitarbeiter gesucht, die in einer eineinhalbjährigen qualifizierten Ausbildung auf ihren Dienst vorbereitet werden. Auch im Seelsorgedienst bleiben sie gut begleitet durch Supervision und regelmäßige Fort- und Weiterbildungen.

Redaktion Chefreporter

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