Geburtstag - Alleinunterhalter, Komponist und Tonstudiobetreiber Joachim Schäfer wird 70 / Erfinder der Szenekneipe „Miljöö“

Rocker mit Rentnerausweis will wieder loslegen

Von 
Peter W. Ragge
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„Noch nie“, sagt Joachim Schäfer knapp. Noch nie in seiner über 50 Jahre währenden Karriere hatte der populäre, mit dem Bloomaulorden geehrte Musiker so viele Monate hintereinander keine Auftritte. Seit Fasnacht durfte er wegen der Corona-Pandemie nicht mehr öffentlich spielen. Umso mehr freut er sich, heute Abend wieder in die Saiten seiner Gitarre greifen und singen zu dürfen. Auf der Seebühne eröffnet er das Sommerfestival „Jetzt erst recht“ – genau an seinem 70. Geburtstag.

Seit fünf Jahren besitzt er einen „Rentnerausweis“. Er schaut ihn oft ungläubig an. Denn als Rentner hat er sich noch nie gefühlt, mit 65 nicht und auch nicht mit 70. Schäfer ist weiter unterwegs, und anfangs machte ihm die Corona-Zwangspause daher schon zu schaffen. Aber dann beschloss er, sie zu genießen. „Ich hatte schließlich noch nie ein Silvester mit meiner Frau, war immer freitags und samstags auf Achse. Jetzt hatten wir endlich mal Zeit für uns“, sagt Joachim Schäfer.

Langeweile kennt er schon deshalb nicht, weil er in Immobilien investiert hat: Er betreibt ein Studentenwohnheim, die „Villa Pastori“ in der Neckarstadt mit 13 Zimmern. Da ist immer was zu tun. Das Haus stellt seine Altersvorsorge dar – denn fest angestellt war er nie. Selbst in der Zeit als Musiklehrer am Viernheimer Albertus-Magnus-Gymnasium fungiert er stets nur als Honorarkraft. Frei sein, mit allen Vorteilen und Risiken – das will er immer. Schließlich ist der Musiklehrersohn, der bei Bechstein eine Klavierbauerlehre machte, einer der ersten echten Mannheimer Rocker.

Angefangen hat alles 1962 mit der Schülerband The Thunderbirds, die 1966 Deutscher Beatmeister wird. Darauf folgte die Rockband Nine Days Wonder. 1970 entsteht die Rockband Kin Ping Meh. Als die in einem Keller in der Feudenheimer Wilhelmstraße probt, sind das für die Nachbarn arg schräge Töne – aber bei der Jugend kommt es an.

Song zur Bundesgartenschau

Schäfer ist Rocker, trägt lange Haare und Vollbart – aber plötzlich Mitte der 1970er Kniebundhosen, Batschkapp und breit karierte Jackets. Das ist dann nicht mehr der Rocker, sondern der Mann, der „Schau, schau, schau, schau Bundesgartenschau, au-wauwau-wauwau-wauwau-wauwau-wauwau“ singt. Als „Joakin“ firmiert er damals, das offizielle Lied der Bundesgartenschau 1975 stammt von ihm. Es wird seine zweite Solo-Single – die erste, 1973, enthält „Mensch Meier Mannem“.

Lieder im Dialekt oder harte, rockige Gitarrenriffs – Schäfer kann beides. Er blickt auf Tourneen mit Joe Cocker, Deep Purple, den Hollies, Uriah Heep oder den Scorpions zurück, aber auch auf Auftritte als Chorsänger für Paola, Ivan Rebroff, Costa Cordalis. Mit Nina und Mike tingelt er als Bandleader durch die USA. Ob Schlager oder Rock, Fasnacht und harte Klänge – für ihn ist das alles kein Widerspruch. In seinem Tonstudio produziert er zudem Musik- und Sprach- und Geräuschaufnahmen für Computerspiele, die weltweit in Millionenauflage erzielen.„Es gibt keine schlechte Musik, nur schlecht gespielte“, lautet sein Credo. Schäfer ist musikalisches Multitalent, in vielen Genres zu Hause und mit einem höchst seltenen Talent gesegnet: Er kann sich zurücknehmen, perfekt leise musikalisch Feiern begleiten, sich prima auf die Gäste einstellen – aber auch laut loslegen, wenn es passt.

Vom legendären „Colaball“ über das Stadtfest, dessen Mitbegründer er ist, bis zum Blumepeterfest, wo er seit Jahrzehnten auftritt – Schäfer gehört dazu, ist eine Institution und der Mannheimer Musiker, der am längsten ununterbrochen auftritt. Der 2016 verliehene Bloomaulorden ist nicht nur verdiente Anerkennung dafür, sondern auch Dankbarkeit für einen großen Lokalpatrioten, der viele alte Mannemer Lieder dem Vergessen entrissen hat, diese Tradition engagiert pflegt sowie dazu stets sehr humorvoll-schlagfertig ist.

Zwischenzeitlich schreibt er Mannheimer Kneipengeschichte mit der 1979 eröffneten Szenekneipe „Miljöö“ , wo er über 700 Veranstaltungen mit „Münchner Freiheit“, Inga Rumpf, Wolf Mahn, Ina Deter oder Purple Schulz durchführt. 1986 ist aber Schluss – wegen der Heirat mit seiner Frau Silvie.

Konzert auf der Seebühne

  • „The Thunderbirds“ spielen Beatmusik der 1960er Jahre am Donnerstag, 16. Juli ab 20 Uhr auf der Seebühne im Luisenpark.
  • Damit wird das Solidaritätsfestival „Jetzt erst recht“ eröffnet, das Peter Baltruschat und Thorsten Riehle bis 12. September veranstalten. 99 Künstler sind an 28 Abenden zu sehen.
  • Karten kosten einheitlich 24 Euro. Sie müssen im Capitol-Vorverkauf telefonisch unter 0621/336 73 33 reserviert werden. Telefonzeiten sind Montag bis Freitag von 11 bis 13 Uhr, Donnerstag 11 bis 18 Uhr.
  • Die Karten können im Capitol-Vorverkauf abgeholt und bezahlt werden. Es gibt keine Abendkasse

Redaktion Chefreporter

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