Landgericht - Im Prozess um einen versuchten Mord vor einem Café wirkt ein wichtiger Zeuge bisweilen wenig glaubhaft

Richter zu Zeuge im Prozess um versuchten Mord in Mannheim: „Sie lügen uns schamlos ins Gesicht“

Von 
Roland Schmellenkamp
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Der Angeklagte soll sein Opfer gezielt vor das Café gelockt und es angegriffen haben. Um diesen Vorwurf geht es im Prozess vor dem Landgericht (Bild). © Michael Ruffler

Der Vorwurf wiegt schwer. Gleich mehrere Male soll Actay G. vergangenen Sommer vor einem Café in der Innenstadt auf einen anderen Mann eingestochen haben. Das Opfer überlebte mit schweren Verletzungen. Weil G. zuvor ein Messer geholt, den Mann im Café in freundschaftlichem Ton zum Rausgehen gebeten und dort offensichtlich ohne vorherigen Streit mehrfach zugestochen haben soll, muss sich der Bäcker vor dem Landgericht seit Mitte Januar wegen versuchten Mordes verantworten.

Am jüngsten Prozesstag gab es sowohl vom Opfer als auch von einem Zeugen ähnliche Aussagen zum Tatverlauf – allerdings zur Vorgeschichte deutliche Unterschiede. Die Anklage geht davon aus, dass G. sein Opfer für einen Angreifer einer einige Zeit zurückliegenden Prügelei angesehen habe und sich rächen wollte. Doch das Opfer sagte, dass es G. nur vom Sehen kannte und vor rund zwei Jahren miterlebte, wie ihm der Inhaber eines anderen Cafés Hausverbot erteilte. G. soll damals betrunken und laut gewesen sein. Auf Nachfrage des Richters Gerd Rackwitz betonte der Mann, dass er dabei nicht eingeschritten, sondern nur Beobachter gewesen sei.

Ein anderer Zeuge sagte dagegen aus, dass sein Arbeitskollege Actay G. ihm erzählt habe, dass das Opfer der Messer-Attacke zwei Jahre zuvor zu einer Gruppe von fünf Männern gehört habe, die G. verprügelt hätten. G. sei an diesem Abend mit zerrissener Kleidung zu ihm gekommen, erklärte der 24-Jährige.

Große Erinnerungslücken

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Michaela Roßner
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Während der Verhandlung kam es zu kleineren Auseinandersetzungen: Bei einem Besucher im Gerichtsaal klingelte trotz Handyverbot das Smartphone. Erst nach zweimaliger Aufforderung durch den Vorsitzenden Richter verließ der Besucher den Raum. Auch beim 24-jährige Zeugen musste Rackwitz mehrfach deutlich werden. Zum einen, als der Zeuge meinte: „Ich hätte nicht hierher kommen müssen!“ Der Richter wies ihn darauf hin, dass er als Zeuge zum Erscheinen verpflichtet sei. Weiter hatte der junge Mann plötzlich große Erinnerungslücken und antwortete auf Fragen häufig unkonkret.

Er sei mit G. und dem späteren Opfer an jenem Abend mit vor die Tür gegangen, erklärte der 24-Jährige. Auf die Frage nach dem Grund meinte er, dass er ein „Gefühl“ gehabt hätte. Wenig später habe er nach den schnell aufeinanderfolgenden Stichen G. von hinten gepackt, obwohl er zu diesem Zeitpunkt kein Messer gesehen habe. Auf die Frage des Richters, warum er G. gepackt habe, antworte der Zeuge, wie er dies getan hat – den Grund nannte er nicht. „Wann haben Sie das Messer gesehen?“ wollte Rackwitz wissen. „Eine schwierige Frage“, erklärte der Zeuge. „Das ist eine einfache Frage. Sie lügen uns schamlos ins Gesicht!“, entgegnete der Richter.

Der Zeuge ist Arbeitskollege des Angeklagten und nach dem Vorfall einige Meter mit ihm weggegangen. Beide wurden von der schnell am Tatort erschienen Polizei verhaftet, der Zeuge jedoch nach seiner Vernehmung freigelassen. Auf die Frage, wie eng sein Verhältnis zu G. gewesen sei, sagte der junge Mann bloß: „Er war mein Arbeitskollege.“ Vor Gericht sagte er außerdem zuerst, dass er sich nicht daran erinnern könne, ob G. mit dem späteren Opfer Monate vorher mal Streit gehabt habe. Erst als Rackwitz ihm seine Aussage bei der Vernehmung nach der Tat vorhielt, war die Erinnerung plötzlich wieder da – sogar Details: Als G. an dem Abend zu ihm gekommen sei, habe er ihm ein T-Shirt gegeben, weil seine Kleidung zerrissen gewesen sei. Der Prozess wird am Dienstag um 9 Uhr fortgesetzt.

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