Training (mit Video und Fotostrecke)

Rennen, fangen, umhauen bei den Mannheim Bandits: American Football im Selbstversuch

Während am 13. Februar der Super-Bowl in den USA ansteht, peilen die Mannheim Bandits in der Football-Oberliga den Aufstieg an. Dafür wird im Training geschuftet, gerannt und getackelt. Ein "MM"-Reporter hat mittrainiert

Von 
Florian Karlein
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Fängt er ihn oder nicht? „MM“-Lokalchef Florian Karlein im Football-Training der Mannheim Bandits. Bild: Malixmotion © Malixmotion

Mannheim. „Den kann ich packen!“ Das denke ich, als mein Gegenspieler leicht in die Knie geht. Einen Meter entfernt steht er mir gegenüber, den Oberkörper nach vorn gelehnt. Er ist bereit zum Angriff auf mich, den Rookie, den Neuling im Team. Sein Blick fixiert mich durch den Helm. Ich versuche, grimmig zurückschauen. Dann der Pfiff. Ich packe ihn doch nicht. Nicht einmal zwei Sekunden dauert der erste Zweikampf. Dann hat er mich ohne große Mühe hinter meine Startposition zurückgeschoben. Kurzes Abklatschen. Er scheint entspannt, ich fluche innerlich. Zweite Runde, neuer Gegner - den schnapp’ ich mir jetzt!

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Mittwochabend, Flutlicht, leichter Regen. Ich trainiere bei den Bandits mit. Das Mannheimer Football-Team ist mitten in der Vorbereitung auf die Saison in der viertklassigen Oberliga, die im April startet. Ziel ist der Aufstieg in die dritte Liga. Hier stehen also Spieler auf dem Platz, die nicht nur ihr spielerisches und taktisches Handwerk verstehen, sondern Gegner auch platttrampeln können. Auf was habe ich mich da eingelassen?

Ein Gedanke, der mir an diesem Tag immer mal wieder kommt: Auf dem Weg zum Kunstrasen im Pfeifferswörth fast durchgehend. Noch mehr quält mich die Frage, als sich Dean Amudsen neben mir aufwärmt. Ein schwedischer Riese aus der Offense Line, der nicht so aussieht, als würde er für den Neuen Gnade walten lassen.

Eingeteilt zu den Receivern

Aber ich werde zu den Receivern eingeteilt. Klasse! Das sind die Jungs, die die Pässe des Quarterbacks fangen und mit ihren Touchdowns oft die Punkte bringen. Moment! Sind das aber nicht auch die Jungs, die noch öfter im vollen Lauf getackelt - auf Deutsch also angegriffen -, abgegrätscht und brutal umgestoßen werden? Meine Knie wackeln. Der Anblick von Receiver-Trainer Philipp Siegfried macht es nicht besser - er steht mit einer dick bandagierten Nase vor uns. Kein Sportunfall, beruhigt er mich. Gut für mein Nervenkostüm. Dann geht es los.

American Football

Eindrücke vom Training bei den Mannheim Bandits

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Mit „Fußarbeit“, wie mir Mitspieler Florian Joa erklärt. Was in Wirklichkeit nichts anderes ist, als abwechselnd von einem Hütchen zum nächsten zu laufen. Als Ex-Fußballer kenne ich solche Übungen, kein Problem also. Als die ersten Bälle dazu kommen, beginnt mein Scheitern. Dabei sind es noch nicht mal die berühmten Football-Eier. Wieder von Hütchen zu Hütchen, dann einen Drei-Meter-Tennisball-Pass fangen. Mir fällt jeder runter. Ich sehne mich nach dem braunen Kunstleder-Ei. Deswegen bin ich hier. Als uns Coach Siggi zusammenruft, ist es endlich soweit.

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Ich stelle mich weiter hinten in die Reihe, lasse den anderen erstmal gern den Vortritt. Vielleicht auch, weil ich keine Ahnung habe, was die erste Anweisung bedeutet: „Slant!“ Ohne Wörterbuch in der Tasche bin ich aufgeschmissen. Slant heißt übersetzt schräg. Bedeutet für mich auf dem Platz: Drei Schritte geradeaus, dann im 45-Grad-Winkel nach innen rennen. Im vollen Tempo. Dass ich gleich den ersten Pass von Quarterback Moritz Schehl - übrigens mit der Nummer 12 auf dem Trikot wie der Größte aller Zeiten, Tom Brady - fange, überrascht nicht nur mich, sondern auch unser Kamerateam. Sie haben den unglaublichen Catch nicht gefilmt.

Flat, Post, Ten and In, Comeback, Out und Go - das wird trainiert

Anschließend laufen wir weitere Routen: Flat, Post, Ten and In, Comeback, Out und Go. Und alle bedeuten eine fest vorgegebene Schrittzahl und Abfolge von Richtungsänderungen. Mir schwirrt der Kopf. Merken kann ich mir nur die Go-Route: einfach immer geradeaus in Richtung Endzone.

American Football und die Mannheim Bandits

 

  • American Football ist die beliebteste Sportart in den USA. Jeweils elf Spieler stehen sich gegenüber und versuchen, mit Pässen oder Läufen den eiförmigen Ball in die Endzone des Gegners zu bringen. Für solche Touchdowns gibt es sechs Punkte.
  • Die Endzone kann in Etappen erreicht werden. Die Offensive einer Mannschaft hat vier Versuche, also Spielzüge, um zehn Yards nach vorn zu kommen. Schafft sie das, gibt es vier neue Versuche. Schafft sie es nicht, wechselt das Angriffsrecht, und die gegnerische Mannschaft bekommt den Ball.
  • Auch sogenannte Fieldgoals bringen Punkte. Für einen Treffer aus 15 Yards Entfernung direkt im Anschluss an einen Touchdown gibt es einen Extrapunkt. Treffer aus beliebiger Entfernung aus dem Spiel heraus bringen drei Punkte.
  • Gespielt wird in Vierteln zu je zwölf Minuten.
  • Die bekannteste Position ist der Quarterback. Er ist der Spielmacher seiner Mannschaft, bekommt bei jedem Spielzug den Ball und verteilt ihn als Pässe oder für Läufe an seine Mitspieler.
  • Bei den Mannheim Bandits stehen aktuell 39 Trainerinnen und Trainer sowieso rund 250 Sportlerinnen und Sportler in allen aktiven, Jugendmannschaften und beim Cheerleading auf dem Platz.
  • Die Bandits wurden 2003 aus der Taufe gehoben, feiern in diesem Jahr also ihr 20-Jähriges. Der Ursprung liegt aber in HeidelbergHockenheim und Reilingen. Die ganze Geschichte gibt es online: bandits-football.de/history.
  • Von 2012 bis 2016 traten die Bandits in der höchsten Spielklasse, der German Football-League (GFL) an und erreichten zwei Mal die Playoffs um die Meisterschaft. Nach dem Abstieg 2016 startete der Verein den Neuanfang in der niedrigsten Spielklasse.
  • Start der neuen Saison in der viertklassigen Oberliga ist am 1. April im Michael-Hoffmann-Stadion gegen die Konstanz Pirates. Den gesamten (vorläufigen) Spielplan gibt es online auf mannheimer-morgen.de. lok

Grundsätzlich mache ich das gut, attestiert mir Coach Siggi nach dem Training, „für einen Fußballer“. Erster kleiner Seitenhieb. An der Hand-Augen-Koordination beim Fangen müssten wir üben - für mich als ehemaligen Torhüter die zweite Ohrfeige. Trotzdem erlaubt mir der Receiver-Trainer, der seit zwei Jahren bei den Bandits ist, wiederzukommen. „War super“, sagt er.

Wirklich? Denn Bälle fange ich nicht mehr viele. Ehrlich gesagt nur noch einen. Beliebt mache ich mich dagegen bei Coach Nicholas Barrie, als ich den eben gefangenen Ball in voller Euphorie zum Quarterback zurückwerfen will. „Du wirfst keine Bälle - Jesus Christ!“, brüllt er unüberhörbar über den Platz. Ab diesem Moment übergebe ich die Bälle artig. Immerhin bekomme ich jetzt Tipps fürs Fangen: Die Zeigefinger und Daumen beider Hände sollen zusammen ein Dreieck bilden, in dem die Spitze des Footballs landen soll. Ein Mitspieler bietet mir sein Ersatzpaar Handschuhe an. Doch für beides ist es jetzt zu spät: Das Zirkeltraining steht an.

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Und es geht los mit den bereits erwähnten Zweikämpfen Mann gegen Mann und meinem wenig schmeichelhaften Auftakt, erneut unter den Augen von Coach Nick. Der kommentiert meine Zweikampfschlappe nüchtern. Ich soll versuchen, mit meinen Armen zwischen seine zu kommen, ihn seitlich in Höhe der Rippen packen und die Arme strecken. Wie ich besser mit den Füßen arbeite, schaue ich mir bei den Mitspielern ab. Kurz darauf gewinne ich meinen ersten Football-Zweikampf. Lässig klatsche ich mit dem armen Kerl gegenüber ab, der sich gerade von einem deutlich älteren, absoluten Anfänger hat über die Linie drücken lassen. Euphorie lasse ich mir nicht anmerken. Am Ende der Übung habe ich genau die Hälfte meiner Zweikämpfe gewonnen.

Eine noch bessere Quote habe ich nur bei einer weiteren Station gegen den „Donut“. Die rollende runde Schaumstoffscheibe mit Loch in der Mitte bringe ich bei jedem Versuch gnadenlos zu Fall. Überhaupt: Alles, was auf dem Platz mit Schaumstoff gefüllt ist, entkommt mir nicht und wird erfolgreich getackelt. Bis auf das Kontaktbrett an einer Höllenmaschine aus Metall, das in ein niedliches Footballtrikot gehüllt ist: Während die anderen Receiver das Ding nach kurzem Sprint wegschieben und nach oben drücken, bin ich froh, nicht einfach rückwärts wieder umzufallen. Die Kraft ist weg. Kurz danach ein Pfiff. Pause.

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Oberarme und Oberschenkel brennen. Ich kann es kaum glauben, als ich erfahre, dass das Training noch 45 Minuten dauern soll. Noch weniger kann ich fassen, dass Marcus Baumgart das seit Jahrzehnten mitmacht. Der 53-Jährige ist immer noch auf der Position des Safety im Einsatz, so etwas wie der frühere Libero im Fußball. Angefangen hat er als Quarterback, das war 1989 in Reilingen. Aus den damaligen Renegades wurden nach mehreren Ortswechseln im Laufe der Jahre die Mannheimer Bandits. Im Pfeifferswörth trinkt „Baumi“, wie ihn alle nennen, nach dem Training völlig entspannt ein Bier. „Ich habe einfach gute Gene“, kommentiert er lässig. Normalerweise gehe er vorher noch ins Fitnessstudio.

Gewöhnungsbedürftiges Spiel?

Gewichte habe ich vor dem Training zum Glück nicht gestemmt. Die Pause ist rum. Immerhin stehen jetzt die Spielformen an: Ein Quarterback, der die Laufrouten ansagt, und vier Receiver gegen die Defensive. Auch wenn ich mir langsam merken kann, wohin und wie weit ich bei Post-, Flat- oder Slant-Routen rennen muss, ist das Spiel für mich gewöhnungsbedürftig. Wie eine Maschine arbeite ich meinen Laufauftrag ab, behalte den Quarterback im Blick und hoffe darauf, den Ball zu bekommen.

Bekomme ich ihn nicht, spielt sich das Geschehen oft in meinem Rücken ab. Haben wir gepunktet? Haben wir den Ball verloren? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur: Scheinbar sieht der Spielmacher noch keinen vertrauenswürdigen Passempfänger in mir. Wahrscheinlich zurecht: Zwei Bälle fliegen während der 45 Minuten in meine Richtung. Einen lasse ich direkt fallen - Flutschfinger. Einer segelt weit über mich. Überworfen - da bin ich ausnahmsweise schuldlos.

Das sind nicht meine einzigen Erkenntnisse nach zwei Stunden Football pur. Vor 20 bis 25 Jahren hätte das durchaus mein Sport sein können. Headcoach - also Cheftrainer - Christian „Teddy“ Kempf erlaubt mir, wiederzukommen. Nehme ich als Ritterschlag. Kurz denke ich auch darüber nach, weil die Bandits dringend einen Kicker suchen. Spiele entscheiden, indem ich einen Ball zwischen drei Stangen durchschieße? Dafür müsste ich nicht mal meine Hand-Augen-Koordination trainieren. Am nächsten Morgen verwerfe ich alle Überlegungen. Mein Muskelkater macht mich fertig. Dabei war das Training gar nicht so hart. Sagen zumindest meine Mitspieler.

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

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