Es fühlt sich ein bisschen an wie im Fernsehen, damals bei „Der Große Preis“ in den 1970er bis 1990er Jahren mit Moderator Wim Thoelke sowie den Zeichentrickfiguren Wum und Wendelin von Loriot – nur ist es jetzt ernster. Fanfare an, Licht an, ein paar Fragen und Filmchen, und liegt man bei der Antwort falsch, sagt der Moderator „Nö, Nö, Nö!“ Das ist jetzt wieder zu erleben in dem Spiel „Democrady“ in der großen, neuen NS-Dauerausstellung im Marchivum. Die wird derzeit aufgebaut und Anfang Dezember eröffnet – das Spiel ist aber schon fertig.
„Spielerisch einen Denkprozess anstoßen“ – das will das Marchivum mit dem Quiz, so Direktor Ulrich Nieß. „Was hat das mit mir zu tun?“ ist, bewusst provokant, die ganze Ausstellung betitelt. Speziell das Spiel solle bei Besuchergruppen, vor allem Schulklassen, dazu beitragen, sich intensiver mit diesem Gedanken zu beschäftigen, erklärt Nieß.
„Nö, Nö, Nö“
Die Idee dazu sei in seinem Team bei der Vorbereitung der Ausstellung entstanden und dann mit Daniel Finke von der Agentur Tatwerk/Finke-media, der mit der multimedialen wie interaktiven Ausstellungsgestaltung betrauten Firma, umgesetzt worden – in bewusst modernem Design. Das Quizspiel „Democrady“ lade die Ausstellungsbesucher dazu ein, in einen Dialog über demokratische Werte zu treten. In einem Raum mit Fernsehstudio-Atmosphäre führen kurze Filmclips in Themen ein, die für eine Demokratie auf ganz alltäglicher Ebene wichtig sind.
Zwei Teams – blau und rot – treten gegeneinander an und testen ihr Wissen, aber auch ihre Haltung rund um Wahlen, Demonstrationen, Gesetze, Rechte von Minderheiten und vieles mehr. Per Knopfdruck können sich die Besucher das Themengebiet aussuchen und dann Frage für Frage beantworten – und entweder eine Fanfare für die richtige Antwort oder eben ein „Nö, Nö, Nö!“ aus dem Lautsprecher kassieren.
Die NS-Ausstellung zeige, wie schnell eine Demokratie zerstört sei, so Nieß. Denn eine wehrhafte Demokratie brauche neben Ideen und Idealen zudem die Bereitschaft der Bürger, sich einzubringen und mitzuwirken. „Wir wollen zeigen, welche Rolle jeder Einzelne hat“, betont Nieß. Damit verbunden sind rückblickende Fragen „Was hätte ich tun können, was hätte ich getan?“ bis hin zu „Was kann ich heute tun?“, um Demokratie und Frieden wirksam zu bewahren.
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Die Ausstellung, die am ersten Dezember-Wochenende im Marchivum im Ochsenpferchbunker bei freiem Eintritt eröffnet wird, knüpft von der Gestaltung her an die Ausstellung zur Stadtgeschichte im Erdgeschoss an. Wieder hat der kanadische Medienkünstler Stacey Spiegel als künstlerischer Berater fungiert und die Berliner Arbeitsgemeinschaft Tatwerk/Finke-media die multimedialen Konzepte umgesetzt. Die Bunkerräume sind dazu aufwendig umgebaut und mit modernster Präsentationstechnik versehen worden. „Es ist ein völlig anderes NS-Dokumentationszentrum als sonst im Deutschland“, hebt Nieß hervor.
Bewusst bezieht sich die Ausstellung nicht nur auf die Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft von 1933 bis 1945. Die Bogen wird weiter gespannt, das langsame Ende der Weimarer Republik dem schnellen Aufstieg der NSDAP zur Massenpartei gegenübergesetzt und der Mechanismus der „Machtergreifung“ 1933 dargestellt – immer anhand von Bildern aus der Stadtgeschichte sowie heruntergebrochen auf das Leben von einzelnen Personen, Tätern des Naziregimes wie auch der Opfer anhand von inszenierten Biografien. Am 8. Mai 1945 ist nicht Schluss, sondern die Ausstellung thematisiert den Umgang mit der NS-Vergangenheit.
Eröffnung verzögert
Einen wichtigen Schwerpunkte bildet die Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung und anderer politischer, weltanschaulicher Gegner. Beklemmend schließlich der Raum, der die Vergangenheit des Gebäudes behandelt, in dem sich die Ausstellung befindet. Er erzählt die Geschichte des Ochsenpferchbunkers als Schutzraum für bis zu 7500 Menschen von seiner Entstehung 1940 bis 1943 mit Hilfe von Zwangsarbeitern über die Angriffe des Zweiten Weltkriegs bis zur Nachkriegszeit, als er zunächst als Ersatz für durch Bombardierung verlorenen Wohnraum herhalten musste und später infolge des Kalten Kriegs zum ABC-Bunker ausgebaut wurde.
Ursprünglich hatte das NS-Dokumentationszentrum bereits im Frühjahr, dann im September öffnen sollen – doch das verzögerte sich, wie bei vielen Baustellen, wegen Lieferverzögerungen und Materialmangel insbesondere bei elektronischen Bauteilen für die multimedialen Präsentationen.
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