Fasnacht

Prunksitzung im Rosengarten: glanzvolle Garden und hoffnungsvolle Rückkehrer

Prunksitzung im Rosengarten mit – fast – nur guten Beiträgen, glanzvollen Garden und hoffnungsvollen Rückkehrern

Von 
Peter W. Ragge
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So etwas gibt es nur beim Feuerio: Perfekt abgestimmte Gemeinschaftschoreographie von neun Tanzmariechen und einem Tanzpaar – die auf Turnieren solo auftreten. © Michael Ruffler

Mannheim. Sie sind wieder da – so schwungvoll, so fröhlich, so ironisch, so gestenreich, so sympathisch wie einst: die Feuerio-Singers. Zur Jubiläums-Prunksitzung, mit der Mannheims größte und älteste Karnevalsgesellschaft im voll besetzten Musensaal des Rosengartens ihr 125-jähriges Bestehen feiert, gibt es ein wunderschönes Wiedersehen mit der Gesangstruppe des Feuerio, die sich 2018 auflöste. Und das sehr gut gelaunte Publikum erlebt noch viel mehr Überraschungen.

„Einen bunten Abend, einen tollen Abend“, verspricht zur Eröffnung Feuerio-Präsident Bodo Tschierschke – und dieses Versprechen löst er ein. Und er freut sich, „dass wir es geschafft haben, den Saal voll zu kriegen“ – denn der Feuerio ist inzwischen der einzige Verein, der noch im Rosengarten feiert, und auch in manchen Stadtteilen mussten Prunksitzungen ja abgesagt werden.

Garden setzen auch schwierige Themen um

Wie gut der Feuerio durch die Pandemie gekommen ist, zeigen aber allein schon die Auftritte der Garden. Neun (!) Mariechen und ein Tanzpaar, viele in ihrer jeweiligen Altersgruppe Baden-Pfalz-Meister, bieten ein mal malerisch-elegantes, mal rasantes Medley mit höchst anspruchsvollen Figuren und haargenau ineinander übergehender Choreographie – einfach klasse! Dafür brandet mit Recht schon zum Sitzungsbeginn lautstarker Jubel auf. „So etwas sehen Sie nur hier, beim Feuerio!“,so Vizepräsident Stefan Hoock, der gekonnt, stets charmant und locker durch den von Feuerio-Kultusminister Michael Witt und ihm gestalteten Abend führt.

Kam im Rosengarten am besten an: Irmi Benz als Frau über 50. © Michael Ruffler

Auch die Tanzformationen, von den „Sternchen“ (drei bis sechs Jahre alt) bis zu der in Exaktheit und Ausstrahlung unübertroffenen Gemischten Garde, sind Spitze. Dabei zeigt der Schautanz der Junioren, dass sich die Garden nicht scheuen, auch schwierige Themen wie Respekt, Mobbing und Gewalt auf gelungene Art tänzerisch umzusetzen. Mehrfach verdienen sich die glanzvollen Garden daher Beifallsraketen.

Die wird auch auf die Rückkehr der von Stefan Hoock geleiteten 14 Feuerio-Singers gezündet. 2018 hatten sie sich in eine „schöpferische Pause“ verabschiedet – ihr erneuter Auftritt zum Jubiläum weckt Hoffnung auf eine dauerhafte Rückkehr, die dem Feuerio sicher guttun würde. Ihr Potpourri beliebter alter Melodien ist zudem erstaunlich aktuell, denn ihr Lied zur Bundesgartenschau, das eine Seilbahn zwischen Luisenpark und Spinelli anregt, stammt immerhin von 2017. Und bei der Hymne „Ein Stern mit dem Namen Feuerio“ singen viele im Saal enthusiastisch mit.

Bloomaul macht Musik

Die Singers sind nicht die einzige Rückkehr zum Feuerio: Musik macht wieder Bloomaul Joachim Schäfer mit seinem Trio, der auf Stimmung im Saal und Gags der Büttenredner prima reagieren und die passenden Titel spielen kann. Zudem gibt es zum Jubiläum ein Wiedersehen mit Horst „Hotte“ Siegholt, 2009 als Feuerio-Kultusminister zurückgetreten, aber bei anderen Vereinen, auch in Mainz, weiter erfolgreich in der Bütt. Die Ulknudel mit ihren unübertroffenen Grimassen bringt Bühnenpartner Peter „Pit“ Karg mit gekonnten Doppeldeutigkeiten an den Rand des Wahnsinns und das Publikum sehr zum Lachen – es ist einfach toller Blödsinn.

Alexander Fleck zeigt als Protokoller seinen Lieblingsvogel. © Michael Ruffler

Zum Mitdenken ist dagegen der Beitrag von Protokoller Alexander Fleck, der das Publikum gut einbezieht, gezielt ein paar politisch scharfe Pfeile abschießt sowie hochaktuelle Verse auf Lager hat, etwa zu den Klimaaktivisten, die zum Urlaub nach Thailand fliegen. „So Betrüger brauche ich nicht“, schimpft er. Welchen der OB-Kandidaten – mit Erstem Bürgermeister Christian Specht und Raymond Fojkar sitzen, jeweils von mehreren Anhängern begleitet, zwei im Saal – er bevorzugt, zeigt Fleck, als er ein Plakat seines Lieblingsvogels entrollt: ein Specht. Dagegen verkündet Bürgermeister Michael Grötsch, kostümiert als Komiker Horst Schlämmer, per Rückenschild „Isch kandidiere – nischt!“

Die mit Abstand allerbeste Bütt, die teils Lachtränen auslöst, liefert indes Irmi Benz, Präsidentin der Feudenheimer Frauenfasnacht und längst darüber hinaus bekannt. Sie liefert ein herrliches Beispiel, wie man mit einem gut dosierten Schuss Selbstironie, sehr pfiffig-liebevollen Gags und zugespitzter Beschreibung von Alltagsbeobachtungen die Geschlechterunterschiede so auf die Schippe nehmen kann, dass Männer wie Frauen dabei ihren Spaß haben, aber das Niveau gewahrt bleibt.

Prinz erstmals in der Bütt

Während sie viel Jubel erntet und trotz später Stunde viel Aufmerksamkeit erfährt, wächst zuvor bei Franz Kain die Unruhe im Saal. Am Anfang hat er ein paar gute Pointen, doch dann merkt der Profi-Kabarettist der Weinheimer „Spitzklicker“ nicht, dass die Zeit billiger Kalauer über Frauen und ältere Menschen vorbei ist und dass sie an dem Abend gar nicht passen. Schade. Dass er seine Textkarten, wenn er sie fertig vorgetragen hat, einfach im hohen Bogen auf den Boden schleudert und ein Gardist sie dann aufsammeln muss, wirkt zudem arg überheblich.

Sie besingen „Ein Stern mit dem Namen Feuerio“: die Feuerio-Singers, zurückgekehrt zur Jubiläumssitzung des Vereins im Rosengarten vor dem schönen Bühnenbild von Michael Baakes Technikstab. © Michael Ruffler

Schließlich gibt es noch eine ganz besondere Premiere: Prinz Ben I. steigt in die Bütt. „Leben, Lieben und viel Lachen“ ist sein Motto, aber der sonst als Trauer- und Hochzeitsredner tätige Betriebswirt liefert nach ein paar guten Ansätzen eher ein nachdenkliches Essay als eine Bütt. Doch Talent hat er, es müsste halt Richtung Fasnacht ausgebaut werden. Drei seiner Ex-Prinzen-Kollegen (Stefan Hoock, Stefan Rinklef, Roberto Troncone) bewähren sich dagegen wieder als ganz klasse Stimmungsmacher. Bei ihnen dauert es nicht lange, bis sich eine Polonaise bildet und sogar zwischen den Tischen getanzt wird. Mit Recht spielt die Band „Wörner Cocktail“ dann zum Finale der gelungenen Jubiläumssitzung „Ein Hoch auf uns“, und das Publikum stimmt sehr gerne ein.

Redaktion Chefreporter

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