Mannheim. Verschwundene Mietwagen sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Die drei beim Landgericht verhandelten Betrugsfälle fallen gleichwohl aus dem Rahmen – nicht nur weil es um teure Elektrofahrzeuge im Wert von 180 000 Euro geht. Auch weil die Lebensgeschichte des in Lettland festgenommenen Angeklagten ungewöhnlich ist.
Mit Hör- und Sprechset sitzt Jurijs Z. zwischen Verteidigerin und Dolmetscherin. Der Kammervorsitzende klärt den 56-jährigen über sein Schweigerecht auf. Den Mann drängt es freilich, über sein Leben zu reden. Zu den Betrugsvorwürfen kündigt seine Anwältin eine „teilgeständige“ Erklärung an.
Kriegseinsatz in Aserbaidschan sollten alles verändern
Sichtlich aufgewühlt erzählt Z., dass er in Riga in Lettland, einst sowjetische Teilrepublik, bei den Großeltern aufwuchs. Ins Schwärmen kommt er bei seinen Schilderungen über die absolvierte Sportakademie und seine Erfolge als Ringer, auch international. Die Offiziersausbildung und ein Kriegseinsatz in Aserbaidschan sollten alles verändern: Z. berichtet von einer schweren Hirnverletzung samt Stahlplatte im Kopf. Das Militär habe ihm zwar in Russland einen Büroposten als „General“ angeboten. Aber „Rumsitzen“ und „Bestechungsgelder annehmen“ habe er nicht gewollt. Seine kümmerliche Rente, die gerade für die Miete reicht, so der Familienvater, besserte er mit Taxifahren auf – bis zur Pleite des Unternehmens während Corona.
Was sich in Deutschland abgespielt hat, wohin Z. 2023 zwecks Geldverdienen gereist ist, gilt es auszuleuchten. Die Staatsanwältin geht davon aus, dass der Angeklagte am 8. und 23. Juni, außerdem am 21. Juli in Mannheim bei der Sixt-Autovermietung jeweils ein hochwertiges E-Auto, Tesla wie BMW, für einen Monat gemietet hat – in der Absicht, diese zu unterschlagen. Eines der Luxus-Fahrzeuge ist in Lettland geortet, aber nie gefunden worden.
Hingegen konnte ein anderer Mietwagen sichergestellt werden. Der Mittfünfziger, der in Mannheim als Fahrer für Krankentransporte jobbte, fühlt sich seinerseits als Opfer. Ein vermeintlicher Geschäftsmann habe ihm einen besser bezahlten Fahrerjob versprochen und ihn überredet, für eine angepeilte (aber nie verwirklichte) Firma E-Autos zu mieten. Geld für die Monatsmiete sei ihm auf sein Kreditkartenkonto überwiesen worden.
Als Z. per internationalem Haftbefehl gesucht wurde, war er schon wieder in Riga. Weil sein Krankentransport-Chef für weit weniger Lohn Ukrainer eingestellt hatte. Und weil aus den Job-Versprechen des (abgetauchten) Geschäftsmannes nichts geworden ist. Die von der Anwältin vorgetragene Erklärung offenbart Details, die nicht in den Akten auftauchen. Die Kammer will weitere Informationen einholen und hat Sitzungstermine vor dem 28. August aufgehoben. Inzwischen hob sie den Haftbefehl des Angeklagten auf.
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