Justiz

Prozess um Frauenleiche an Mannheimer Pferderennbahn: Urteil gefallen

Eine Frau wird monatelang von ihrer Mitbewohnerin drangsaliert. Im Oktober 2024 findet eine Spaziergängerin ihre Leiche an der Mannheimer Pferderennbahn. Nun ist der Prozess zu Ende gegangen.

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Agnes Polewka
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Die Angeklagte Jessica K.-G. zum Prozessauftakt vor dem Mannheimer Landgericht mit ihren Verteidigern Constantin Schiffer (l.) und Pascal Sobotta. © Simone Kiß

Mannheim. Die Urteilsbegründung beginnt mit einem lauten Poltern. Der Vorsitzende Richter Gerd Rackwitz schlägt am Freitag mit der Faust auf die Richterbank, um sich Gehör zu verschaffen. „Hören Sie mit den Kommentaren auf, diese nerven schon das ganze Verfahren über“, sagt er. Wenige Sekunden zuvor hat der Richter das Urteil im Prozess um die Frauenleiche an der Pferderennbahn verkündet - begleitet von „Yes“-Rufen der einen, und Schluchzern der anderen.

Die 38-jährige Hauptangeklagte Jessica K.-G. muss wegen Totschlags elf Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Einen zweiten Angeklagten, ihren Geliebten Haci A., verurteilte das Gericht wegen versuchter Strafvereitelung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Damit folgte das Gericht den Forderungen der Staatsanwaltschaft.

Frauenleiche an Mannheimer Pferderennbahn: Richter spricht über verstörende Einblicke

Rackwitz senkt die Stimme wieder und beginnt, den Prozess Revue passieren zu lassen. Immer wieder musste er sich während der Verhandlung Gehör verschaffen. Während Zeugenaussagen flüsterten Menschen im Gerichtssaal miteinander, andere kommentierten lautstark, wieder andere raunzten Beleidigungen.

Gerd Rackwitz spricht am Ende des Prozesses über die verstörenden Einblicke, die das Verfahren gewährt habe. Verstörend sei die Beziehung der beiden Frauen gewesen, um die es in dem Prozess ging – die Angeklagte und das spätere Opfer. Rohe Gewalt, Beleidigungen und Demütigungen charakterisierten die „Freundschaft“ der beiden Frauen.

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„Ebenso verstörend war die Gleichgültigkeit und die Gehässigkeit des Umfelds während des Verfahrens“, sagt Rackwitz. In der darauffolgenden Stunde rekonstruiert er das Verbrechen, das seit Mitte Juli vor dem Landgericht in Mannheim aufgearbeitet wurde.

Nach Ansicht des Schwurgerichts hat sich dabei Folgendes zugetragen: Im Frühjahr 2024 nahm K.-G. das spätere Opfer bei sich auf, nachdem die Frau nicht mehr in ihrer eigenen Wohnung leben wollte. Sie hielt über 20 Katzen, hatte Probleme mit dem Veterinäramt und war einsam, sehnte sich nach anderen Menschen.

Frauenleiche an Mannheimer Pferderennbahn: Angeklagte stellte sich als Wohltäterin dar

Doch in der Wohngemeinschaft mit der Angeklagten erwarteten sie Erniedrigungen, Beleidigungen und Gewalt. Das Gericht ist überzeugt davon, dass Jessica K.-G. den Personalausweis, die EC-Karte und weitere Dokumente ihrer 51-jährigen Mitbewohnerin „einzog“. Mit einem Pfannenwender, den sie mit einem Klebestreifen umwickele, zog sie die Post der 51-Jährigen aus dem Briefkasten in deren alter Wohnung. Und: Sie soll fest entschlossen gewesen sein, Sozialleistungen für die Pflege der Mitbewohnerin zu beantragen.

„Die Angeklagte hat versucht, sich als Wohltäterin darzustellen – das ist durch die Beweisaufnahme eindrücklich widerlegt worden“, sagt Rackwitz. Kurz vor Ende des Prozesses hatte die Frau über ihre Verteidiger ein Geständnis abgelegt. Darin gab sie an, die 51-Jährige aus Mitleid bei sich aufgenommen zu haben.

Durch die beengte Wohnsituation und ihren Drogenkonsum habe sich die Beziehung der Frauen aber verschlechtert, immer wieder sei es zum Streit und auch zu Gewalt gekommen. Sie räumte ein, das Opfer getötet zu haben. Details blieb sie aber schuldig, auch äußerte sie sich nicht dazu, was nach der Tat geschah.

Eine Frauenleiche war im Oktober 2024 am Turfweg bei Mannheim-Friedrichsfeld gefunden worden. Jetzt ist im Prozess vor dem Landgericht Mannheim ein Urteil gefallen. © Marco Priebe

Über Text- und Sprachnachrichten rekonstruierte das Gericht an sieben Verhandlungstagen Beschimpfungen, Demütigungen und Bestrafungen, die die 51-Jährige erleiden musste. Sie musste putzen, einkaufen gehen und den Hund der Angeklagten ausführen, fristete ein Dasein als Sklavin, berichtete ein Zeuge. In einem Video, das eine ihrer Töchter an ihre Schwester sandte, war das Opfer zu sehen, mit Hämatomen am Bein und im Gesicht. „War das die Mama?“, fragte eine Tochter. Die andere antwortete: „Mama war alles“.

Rackwitz rezitiert vulgäre Beleidigungen aus den Chats und kommt dann auf den 13. Oktober 2024 zu sprechen, den Tag, an dem das Opfer starb. Zwischen 0 und 7 Uhr morgens – genauer ließ sich die Tatzeit nicht eingrenzen – schlug Jessica K.-G. mit einer Metallvase auf ihre Mitbewohnerin ein, danach verletzte sie sie schwer am Oberkörper, dass die Frau starb.

Wie genau, konnte das Gericht nicht aufklären. Als wahrscheinlich gilt, dass sich Jessica K.-G. mit voller Wucht auf die geschwächte Frau warf, die nur noch knapp über vierzig Kilogramm wog, und ihr dabei die tödlichen inneren Verletzungen zufügte.

Prozess um Frauenleiche an Mannheimer Pferderennbahn: Verteidiger forderten mildere Haftstrafe

Der Tat ging ein Streit voraus, sagte K.-G. am vorletzten Prozesstag. Das Opfer soll sich an ihrem Parfum bedient haben. Die Verteidiger hatten eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge und eine deutlich mildere Haftstrafe für ihre Mandantin gefordert.

Am Morgen des 13. Oktober, einem Sonntag, fuhr Jessica K.-G. an den Mannheimer Hauptbahnhof, um im Drogeriemarkt Reinigungsmittel zu kaufen. Danach verständigte sie – so das Gericht – ihren langjährigen Geliebten und bat ihn um seine Mithilfe bei der Vertuschung der Tat. Gemeinsam wuschen sie das Opfer, so die Annahme des Gerichts, streiften der Leiche frische Kleidung über und reinigten die Wohnung. Dann wickelten sie die Frau in einen Teppich – ein Nachbar gab an, den Mann dabei beobachtet zu haben, wie er diesen aus dem Haus trug.

Eine Spaziergängerin fand den Leichnam am Morgen des 14. Oktober 2024 in einem Waldstück an der Pferderennbahn. Danach ging alles sehr schnell. Ein Polizeibeamter erkannte die tote Frau wieder, weil er sie eine Woche zuvor in die Wohnung der Angeklagten gebracht hatte, nachdem sie stundenlang durch einen Supermarkt geirrt war.

Bei der ersten Befragung durch die Polizei verstrickte sich Jessica K.-G. in „Unwahrheiten“ und übergab den Beamten nicht ihr eigentliches Handy, sondern ein ausgemustertes Gerät ihrer Tochter. Recht bald geriet sie in den Fokus der Ermittler. Und nicht nur sie, sondern auch der mitangeklagte Haci A., der Beamten vor dem Amtsgericht auffiel, als Jessica K.-G. dem Haftrichter vorgeführt wurde. Danach tauchte er ab. Erst Tage später gelang es Ermittlern, ihn aufzuspüren.

Neben verschiedenen Spuren, die Ermittler im Fahrzeug des Bruders von Haci A. fanden, Videoaufnahmen und weiteren Indizien, belastete Haci A. vor allem die Aussage eines Mannes, der sich mit ihm in der U-Haft eine Zelle geteilt hatte. Einem Polizeibeamten wusste er Details zu berichten, die die Schwurgerichtskammer als „Täterwissen“ wertete. So berichtete der Zellengenosse von den Plänen, sich Sozialleistungen zu erschleichen, von dem tränenreichen Anruf der Angeklagten nach der Tat. Und von der Angst des Opfers.

Redaktion

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