Mannheim. Genau ein Jahr, nachdem in Mannheim eine pro-palästinensische Kundgebung unter anderem wegen antisemitischer Parolen, dem Verbrennen einer Israel-Fahne und dem Werfen von Steinen auf Beamte von der Polizei aufgelöst worden ist, ist für Sonntag wieder eine Demonstration angekündigt. Verbände und Politiker zeigen sich ob der von „Free Palästina Mannheim“ angemeldeten Kundgebung besorgt, es gibt aber auch Unterstützung für die Gruppierung.
„Es wurde in Erwägung gezogen, die Versammlung zu verbieten“, erklärt die Stadt auf Anfrage. „Dementsprechend ist in Zusammenarbeit mit dem Polizeipräsidium geprüft worden, ob auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnislage die hohen Anforderungen für ein Versammlungsverbot gegeben sind.“ Das Ergebnis: Die Erkenntnisse reichten nicht aus, „um ein präventives Verbot gerichtsfest“ begründen zu können. „Lediglich von einzelnen Teilnehmern ausgehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit können in der Regel Maßnahmen gegenüber der gesamten Versammlung, insbesondere ein Versammlungsverbot, nicht rechtfertigen“, heißt es.
Zuvor hatte etwa Boris Weirauch als Mannheimer Abgeordneter und Berichterstatter der SPD-Landtagsfraktion gegen Antisemitismus in einem Schreiben an den für Sicherheit und Ordnung zuständigen Ersten Bürgermeister Christian Specht seine Sorge zum Ausdruck gebracht, dass die Demonstration wie „im vergangenen Jahr unter dem Deckmantel der grundgesetzlich verbrieften Versammlungsfreiheit zur Kundgabe antisemitischer Parolen und Begehung anderweitiger Straftaten missbraucht“ werde. Es sei zu befürchten, „dass sie erneut in Gewalt gegenüber Polizistinnen und Polizisten mündet“.
Fernab jüdischer Einrichtungen
Die Organisatoren weisen im Gespräch mit der Redaktion diese Bedenken zurück. „Unsere Ordner werden in diesem Jahr schon am Eingang härter gegen Menschen durchgreifen, die antisemitische Plakate haben.“ Sollten Teilnehmer oder Teilnehmerinnen während der Demonstration antisemitische Parolen rufen, würden sie „direkt von der Demo ausgeschlossen“, erklären sie. Zudem seien nur palästinensische Fahnen erlaubt. „Wir wollen informieren und zeigen, dass es nicht in Ordnung ist, was im Nahen Osten los ist, und das Thema wieder an die Öffentlichkeit bringen.“ Auch die Nahostgruppe Mannheim ruft zur Teilnahme auf.
Um 15 Uhr eröffnet eine Kundgebung im Ehrenhof die Veranstaltung, ehe die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Kurpfalzstraße und die Kunststraße laufen, wo sich auf den Kapuzinerplanken die Demo auflösen soll, erklärt die Stadt. Es sei „bewusst“ darauf hingewirkt worden, dass der Weg „nicht an jüdischen Einrichtungen vorbeiführt“.
Polizei: „Sicherheitslage ist gut“
Von 16.30 Uhr an ruft ein Bündnis aus Deutsch-Israelischer Gesellschaft (DIG) Rhein-Neckar/Mannheim, dem Jungen Forum DIG Heidelberg/Mannheim, dem Arbeitskreis gegen Antisemitismus und Antizionismus Mannheim sowie dem Verein ehemalige Synagoge Hemsbach und dem Freundeskreis Weinheim-Ramat Gan am Paradeplatz zu einer Gegendemonstration „gegen jeden Antisemitismus“ und „für Solidarität mit Israel“ auf. „Wir befürchten, dass es wieder zu Ausschreitungen kommen kann“, sagt Patrick Baumgärtner vom Jungen Forum DIG Heidelberg/Mannheim der Redaktion. Es sei „naiv, zu glauben“, dass die Kundgebung friedlich verlaufe, nur weil sie als „Friedensmarsch“ betitelt werde. So würde sich „Free Palästina Mannheim“, sagt Baumgärtner, antisemitischer Parolen bedienen und über soziale Medien aktuelle Ereignisse im Nahen Osten aus dem Zusammenhang reißen, um die Stimmung in Mannheim aufzuheizen.
Stadt und Polizei sehen indes zunächst noch keine Gefahren für die Sicherheit in den Quadraten. „Die Sicherheitslage ist grundsätzlich gut“, teilt die Polizei auf Anfrage mit. Es sei Aufgabe der Polizei, Sicherheit und Versammlungsfreiheit für alle zu gewährleisten. „Hierzu können alle durch eigenes, besonnenes Verhalten maßgeblich beitragen.“ Es würden „aktuell keine Kenntnisse“ darüber vorliegen, dass „die Sicherheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Demonstrationen oder unbeteiligter Passanten gefährdet wäre“, erklärt die Stadt und verweist darauf, dass „sich die derzeitige Situation objektiv von der des vergangenen Jahres unterscheidet, denn im letzten Jahr fand die Demo als unmittelbare Reaktion auf den Raketenbeschuss Palästinas statt“.
Die Verwaltung macht „Free Palästina Mannheim“ verschiedene Auflagen, etwa das Unterlassen von „Aufstachelung zu Hass gegen Bevölkerungsgruppen, zu Gewalt, oder Willkürmaßnahmen“, oder die Verbote, die Fahne Israels zu verbrennen, gegen Menschen gerichtete Gewalttaten zu verherrlichen, gutzuheißen oder zu solchen Taten sowie zu Tod und Hass von Juden und Zionisten aufzurufen. Das Gespräch mit Veranstaltern der Gegendemonstration auf dem Paradeplatz stand zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage noch aus.
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