Mannheim. „Der Safe Abortion Day ist mir wichtig, weil jeder Mensch das Recht auf eine informierte und selbstbestimmte Entscheidung hat!“, vollendet Lisa Eisele, Sozial- und Sexualpädagogin bei Pro Familia in Mannheim, den Satz der diesjährigen Aktion zum internationalen Tag für sichere Abtreibung. Am Mittwoch haben Aktivistinnen und Aktivisten sichere Schwangerschaftsabbrüche und die Entkriminalisierung dieser gefordert. „Abgetrieben wird so oder so. Nur wenn es legal ist, ist es auch sicher“, weiß Meijada El-Haji, ebenfalls Sozial- und Sexualpädagogin bei Pro Familia. Auch in Deutschland, wo Schwangerschaftsabbrüche über Umwege legal sind, gebe es noch Raum für Verbesserung.
Unter dem Motto „Gesicht zeigen“ hat die Mannheimer Beratungsstelle der Pro Familia Aktivistinnen und Aktivisten dazu aufgerufen, den Satz „Der Safe Abortion Day ist mir wichtig, weil...“ zu beenden. Die Sprüche werden dann gesammelt und als Fotoprojekt - mit oder ohne Gesicht der Autorinnen und Autoren - in den sozialen Medien verbreitet. „Informationen dazu, wer Abtreibungen durchführt oder dazu berät, ist oft ein Geheimnis“, sagt Meijada El-Haji. „Deshalb zeigen wir uns und holen das Thema aus der Tabu-Ecke“, erklärt sie das Motto.
Abtreibung nur mit Hindernissen
Dass das Thema Abtreibung auch in Deutschland weiter tabu ist, liegt laut Pro Familia auch daran, dass ein Schwangerschaftsabbruch weiter als Straftat angesehen wird. So steht es in Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs (StGB). Nur über Umwege kann eine Schwangerschaft in Deutschland legal abgebrochen werden: Menschen, die ungewollt schwanger sind und eine Abtreibung in Erwägung ziehen, müssen zunächst ein Beratungsgespräch führen. Danach gibt es eine verpflichtende Wartezeit von drei Tagen, bevor die Abtreibung durchgeführt werden kann. Ein weiteres zeitliches Kriterium besteht darin, dass die Empfängnis nicht länger als zwölf Wochen zurückliegen darf.
Fragen beantwortet zu kommen oder auch Ärztinnen und Ärzte zu finden, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, sei weiter schwer. Das berichtet die Geschäftsführerin der Mannheimer Beratungsstelle von Pro Familia, Andrea Foerster. Zwar ist der Paragraf 219a StGB abgeschafft, trotzdem hätten viele Medizinerinnen und Mediziner weiter Hemmungen anzugeben, dass sie Abtreibungen durchführen. Bis vor einigen Monaten hatte das sogenannte Werbeverbot für Abtreibung den Praxen und Kliniken noch verboten, öffentlich über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren.
Alles rund um eine Abtreibung erfahren Betroffene auch weiter in den Beratungsgesprächen, beispielsweise bei Pro Familia. „Wir geben den Frauen objektiv alle Informationen, die sie benötigen, um eine informierte Entscheidung treffen zu können“, erklärt Foerster. Wichtig sei, dass die Beratung ergebnisoffen ist. „Die Frauen entscheiden sich nicht in unseren Gesprächen“, fügt El-Haji hinzu. Einige Frauen hätten sich bereits vor dem Treffen mit den Sozial- und Sexualpädagoginnen entschieden. Andere sind sich unsicher und bekommen Hilfe dabei, alle Argumente und Sichtweisen für und gegen eine Schwangerschaft zu beachten.
„In Mannheim haben wir die Luxusversion“, sagt El-Haji. Es gebe viele Ärztinnen und Ärzte, die ohne zu werten oder die Frauen beeinflussen zu wollen, über die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs aufklären. Das sei in vielen anderen Teilen Deutschlands anders. „Es gibt auch Ärzte, die sehr beeinflussend sind und bereits Nahrungsergänzungsmittel für eine Schwangerschaft verschreiben, obwohl die Frauen das nicht wollen“, berichtet Eisele von einem Fall.
Gesetzestext ändern
Um solche und ähnliche Fälle in Zukunft zu verhindern, rufe Pro Familia zur Aktion zum Safe Abortion Day auf. Sie und andere, beispielsweise das in ganz Deutschland aktive Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, möchten auf die Missstände beim Thema Abtreibung in Deutschland und der ganzen Welt aufmerksam machen. Sie fordern unter anderem, Abtreibung durch das ersatzlose Streichen des Paragrafen 218 aus dem StGB zu Entkriminalisieren. Auf der anderen Seite solle es für Abtreibungsgegnerinnen und -gegner rechtliche Konsequenzen geben, die vor Praxen Gehwege belagern, sagt Foerster.
Weiter fordert das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, dem sich auch die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) Mannheim angeschlossen hat, die Beratungspflicht und Wartezeit zu streichen. Die Kosten für eine Abtreibung sollen von den Krankenkassen übernommen werden und das Thema enttabuisiert sowie in Lehrplänen berücksichtigt werden - auch in der medizinischen Ausbildung, fordert Pro Familia. Nur so könne eine flächendeckende Versorgung mit Praxen, die Abtreibungen durchführen, in ganz Deutschland erreicht werden.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-pro-familia-mannheim-fordert-entkriminalisierung-von-abtreibung-_arid,2000848.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://www.instagram.com/pia_profamilia_rhein_neckar/