Porträt

Polizist zwischen zwei Welten: Mannheimer wird Ehrenkommandeur der US-Luftwaffe

Als Mannheimer Polizist ist Jonas Witzgall vor allem als Gewerkschafter bekannt. Nun hat ihn die US-Luftwaffe ausgezeichnet. Was hinter der Ehrung steckt.

Von 
Sebastian Koch
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Darf sich für zwei Jahre Ehrenkommandeur der US-Luftwaffe nennen: der Mannheimer Polizist Jonas Witzgall (2. v.l.), zusammen mit Brigadegeneral Adrienne L. Williams (v. l.), Special Agent Shaiyah und Command Chief Louis J. Ludwig. © Senior Airman Renan Arredondo / 86th Airlift Wing Public Affairs

Mannheim. Jonas Witzgall war schon immer ein Grenzgänger. In der Westpfalz aufgewachsen, macht er eine Ausbildung zum Autohändler, kehrt der Branche aber bald den Rücken. Ihn zieht es zur Polizei. Dorthin, wo er schon mit 16 hinwollte, wegen seines Alters aber nicht genommen wurde. Inzwischen trägt er Uniform, ist Hauptmeister im Polizeipräsidium Mannheim. Zu den Jungen gehört er mit 27 immer noch. Als Landesjugendvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) will er bürokratische Grenzen verschieben, um den Arbeitsalltag zu erleichtern.

Anfang April wurde Witzgall zum Ehrenkommandeur ernannt – nicht der Polizei, sondern der US-Luftwaffe. Eine außergewöhnliche Würdigung, wie die GdP mitteilt. Er soll der erste baden-württembergische Polizeibeamte und GdP-Funktionär sein, dem die Anerkennung für seine Verdienste um die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Gewerkschaft und der amerikanischen Community in Deutschland zuteilwird.

Um über die Ehrung zu sprechen, treffen wir den Ehrenkommandeur in einem Café. Witzgall kommt von einer Nachtschicht, er bestellt sich eine Spezi, später noch einen Cappuccino. Die Auszeichnung bedeutet ihm viel. „Wir leben in einer Zeit, in der das transatlantische Verhältnis gestört ist“, sagt er. „Da drüben“ sitzt ein Mann im Weißen Haus, bei dem man heute nicht wisse, was er morgen macht. Das belaste das deutsch-amerikanische Verhältnis auch in Deutschland. Dabei hätten die US-Amerikaner gerade in der Region viele Spuren hinterlassen. In Mannheim, Heidelberg, Kaiserslautern, natürlich in Ramstein, dem Luftwaffenstützpunkt. „Wir leben mit den Amerikanern hier Seite an Seite.“

Mannheimer Polizist Witzgall hat sich für den Titel beworben

Schon früh kommt Witzgall mit US-Amerikanern in Kontakt. In der Pfalz, erzählt er, hat es in seiner Straße vier Häuser gegeben, in denen amerikanische Familien gelebt haben. In der Schule lernt er trotzdem nur widerwillig Englisch. „Ich habe das britische Englisch gehasst“, sagt er sogar. Der Hauptmeister lacht, als er daran denkt, wie er als Schüler Diskussionen mit Lehrern geführt hat, ob es nicht besser wäre, amerikanisches Englisch zu lernen, weil man das in der Region viel häufiger brauche. „Vielleicht war ich damals ja schon Gewerkschafter.“ Die Grenze im Lehrplan zu verschieben, gelingt ihm aber nicht. Erst im Autohaus, in dem auch Amerikaner kaufen, lernt er amerikanisches Englisch.

Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass Witzgall schnell in den Austausch kommt. Er ist redegewandt, jemand, der auf Menschen zugeht, gleichzeitig wirkt er auch rast- und ruhelos. In jungen Jahren engagiert sich Witzgall bei der Freiwilligen Feuerwehr – solange das machbar ist. Eine Uniform, sagt er, müsse man tragen. „Wenn sie einstaubt, muss man sie abgeben, damit jemand anderes mit ihr rausfahren kann.“ Als die Airbase deutschsprachige Unterstützung für die Militärpolizei sucht, meldet er sich – und fährt nach einem Test mit auf Streife.

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Zu Beginn seiner Karriere bei der deutschen Polizei sichert er in Wiesbaden wieder US-Liegenschaften. Auch dort sucht er Kontakt. „Der American Way of Life fasziniert mich.“ Es sei nicht nur darum gegangen, das Gelände zu schützen – sondern auch das Umfeld: Straßenzüge, Viertel, Gemeinden. „Das amerikanische Leben fängt nicht erst hinter dem Zaun an.“

Zwei Jahre lang darf sich Witzgall nun Ehrenkommandeur der US-Luftwaffe nennen. Ein Ehrentitel, auf den er sich beworben hat. Der Verleihung ist ein Austausch mit einem Kommandeur der OSI-Abteilung – Witzgall vergleicht sie mit einer Kriminalpolizei der Luftwaffe – über Polizeiarbeit und Bürokratie vorausgegangen. „Als Gewerkschafter war ich dafür prädestiniert. Ich lebe Veränderungen.“ Die Chemie stimmt, nach Prüfung der Bewerbung ernennt ihn die Luftwaffe.

Als Ehrenkommandeur will der junge Polizist beide Kulturen annähern, Grenzen abbauen. Seinen Partner bei der Luftwaffe wird er zu Gesprächen mit deutschen Politikern und Diplomaten begleiten, im Dialog will er dann als Brücke zwischen beiden fungieren.

„Deutsche Polizei braucht sich vor USA nicht zu verstecken“

Trotz Städtepartnerschaften oder kulturellen Einrichtungen komme der Austausch zwischen Deutschen und US-Amerikanern oft zu kurz. Beide Seiten könnten noch stärker voneinander profitieren, ist Witzgall überzeugt. Innerhalb der Polizei will er die „Welcome on board“-Mentalität stärken. Der intensive, auch private Austausch unter Kollegen fehle häufig. Man arbeite mehr nebeneinanderher als miteinander. „Uns ist deshalb ein Stück weit der Teamgeist verloren gegangen.“ Auch Tage der offenen Tür in Präsidien, um den Beruf gesellschaftlich stärker zu verankern, gebe es kaum. Ob das zu verändern im schwerfälligen Verwaltungsapparat gelingt, ob die Gesellschaft die Angebote annehmen würde? „Ich hoffe, dass ich zumindest etwas anstoßen kann.“

Witzgall will nicht den Eindruck erwecken, bei der deutschen Polizei laufe alles schlechter. In der Ausbildung könne sich die USA viel abschauen. „Wir sind den Menschen schuldig, dass ich genau weiß, was ich tue, wenn ich in Grundrechte eingreifen darf. Da werde ich lieber zweieinhalb Jahre als nur ein paar Monate ausgebildet.“ Auch die Versorgung bei Notfällen oder Dienstunfällen sei hierzulande besser. „Wir brauchen uns vor der USA nicht zu verstecken.“

Im Laufe des Jahres will Witzgall in die USA fliegen und sich vor Ort austauschen. Dann wird er wieder Grenzen überwinden. Im wahrsten Sinne.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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