Mannheimer Reden

Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte zum Wahlergebnis

Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte hält in der Reihe „Mannheimer Reden“ eine Nachlese zur Bundestagswahl und übt Kritik am medialen „Immerschlimmerismus“.

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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„Gemäßigte Konservative sind wichtig gegen Rechtsautoritäre“, meint Karl-Rudolf Korte. © Michael Ruffler

Mannheim. „Gemäßigte Konservative sind wichtig gegen Rechtsautoritäre“: Das ist eine der Botschaften des Politikwissenschaftlers Karl-Rudolf Korte, der in der Reihe „Mannheimer Reden“ im Alten Kino Franklin eine Nachlese zur Bundestagswahl hält – mit analytischem Blick und reichlich Wortwitz. „Es liegt an der Mitte, ob die Ränder größer werden“, ist der von vielen TV-Wahlsendungen bekannte 66-Jährige überzeugt.

Längst gelten die „Mannheimer Reden“ als Erfolgsformat – worüber sich in der Ersatzspielstätte des Nationaltheaters Intendant Christian Holtzhauer und als Kooperationspartner der Vorstandsvorsitzende des Heidelberger Bildungs- und Gesundheitskonzerns SRH, Christof Hettich, freuen. Und Oberbürgermeister Christian Specht betont als Wahlleiter der Quadratestadt, dass zu der hohen Beteiligung bei der Stimmabgabe diesmal so viele junge Menschen wie schon lange nicht mehr beigetragen haben. Und die sitzen auch im Publikum.

„Defizitparteien“ profitieren von unbeackerten Polit-Feldern

Die Wucht schwindender Mehrheiten gepaart mit „wachsenden Gesprächsstörungen“, sie zieht sich einem roten Faden gleich durch die von der F.A.Z.-Redakteurin und Podcasterin Kati Schneider moderierten Debatte. Holprige Kommunikation, wie sie Korte Regierenden vorwirft, diese trifft für den Abend nicht zu. Im Gegenteil.

Zu der Spritzigkeit des Frage-Antwort-Pingpongs trägt insbesondere bei, dass die Stichwortgeberin in die Rolle der pessimistisch ärgernden Journalistin schlüpft. Schließlich nimmt der Politikwissenschaftler auch Medien aufs Korn und moniert deren „Immerschlimmerismus“.

In solcherart Berichterstattung gehe unter, dass die AfD bei der Wahl zwar weiter erstarkt ist – „aber 80 Prozent haben sie nicht gewählt“. Eine Million Menschen, die sich früher von der Union gut vertreten fühlten und zur rechten Alternative abwanderten, so Korte, könnten nicht mit intransparentem Weiterwursteln und „recycelten“ Ministern zurückgewonnen werden. Schließlich würden populistische „Defizitparteien“ von unbeackerten Polit-Feldern der Mitte profitieren.

Die Unterschiedlichkeit der Bereitschaft von Spitzenpolitikern zur Kommunikation beschreibt der spitzzüngige Diskutant so: Olaf Scholz habe als Kanzler „ein Schweigegelöbnis abgelegt – selbst wenn er spricht“. Hingegen habe dessen Vize und Wirtschaftsminister Robert Habeck zergrübelte Nachdenklichkeit öffentlich zelebriert und gewagt zu verkünden: „Wir werden alle ärmer, aber ich begleite Euch dabei!“

Angesichts des Themas „Deutschland hat gewählt – wie geht es weiter?“ rückt Friedrich Merz als künftiger Kanzler in den Mittelpunkt. Und mit ihm die Frage, ob dessen „sauerländisch trumpistischer Stil“ über die Sondierungsgespräche hinaus funktionieren kann. Dem „Extremisten des Normalen“, der sich nicht gerade durch „Übergrübeln“ auszeichne, traut Korte durchaus „Lernfähigkeit“ zu. Merz, der in die Politik zurückkehrte, um es Angela Merkel zu zeigen, werde wohl beim Führen einer Zweierkoalition nicht umhinkommen, das zu übernehmen, was sich bei seiner ungeliebten CDU-Vorgängerin als erfolgreich erwiesen hat – „selbst wenn sich Merz alles andere wünscht, als wie Merkel zu werden“.

Verknüpft mit der an dem Abend brandneuen Nachricht von der Klage, mit der das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) die Bundestagswahl neu auszählen lassen möchte, blitzt immer wieder die Politikerin mit dem „Talkshow-Diktat“ und der „Lizenz zum Spalten“ auf, wie Korte süffisant formuliert. Nein, er gehe nicht davon aus, dass das BSW doch noch die Fünf-Prozent-Hürde überspringt.

Lösungen sind komplex und nicht einfach

Wähler sehnen sich zwar nach Eindeutigkeit, votieren in der Gesamtheit aber eher uneindeutig, bilanziert der Politikwissenschaftler das aktuelle Wahlergebnis, das er als „zukunftsarm“ bezeichnet. Umso mehr gelte in Zeiten des „Gewissheitsschwundes“ zu kommunizieren, dass Lösungen heutzutage nicht – wie gern vorgegaukelt – einfach seien, sondern stets komplex. Bei Herausforderungen wünscht sich Korte mehr mutige Zuversicht statt mauerndes Zaudern. Und dabei lasse sich aus der Corona-Pandemie lernen: Die Briten hätten als abenteuerliebende Seefahrer-Nation sofort massiv gegen das Virus geimpft, während die Deutschen erst mal Impfzentren mit Brandschutzkonzept bauten.

Bei der abschließenden Debatte mit Publikum meldet sich eine junge Frau zu dem Wahlerfolg der Linken. Ja, die Partei habe verstanden, soziale Gerechtigkeit als Markenzeichen zu generieren, bestätigt Korte. Hingegen sei das wichtige Thema bei den anderen „hinten runtergefallen“. Warum wohl die Liberalen komplett abgestürzt sind, möchte ein Besucher wissen. Das bei der Wahl „ausgebliebene Gelbfieber“erklärt der Polit-Analyst mit der Verengung der FDP auf eine einzige Führungsperson – „und Lindner war am Ende erschöpft“.

Nach der mit begeistertem Applaus bedachten Polit-Diskussion nutzen viele Gäste den Empfang im Theater-Café zum Gedankenaustausch im kleinen Kreis. Umlagert ist auch der Verkaufstisch mit Kortes neuem Buch „Wähler-Märkte“.

Freie Autorin

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