Mannheim. Er hat jetzt eine Urenkelin, und Antonia ist sein ganzer Stolz: Josef Bugl wird an Heiligabend seinen 90. Geburtstag im Familienkreis feiern –aber wer den ehemaligen Bundes- und Landtagsabgeordneten kennt, sicher im Lauf des Abends auch über Politik diskutieren. Nach wie vor geht er gerne zu seinem Lions Club oder auf die „Räuberhöhle“, gerade war er bei einem Weihnachtskonzert im Jazzclub „Ella & Louis“. Familie, Freunde und Kultur prägen nun das Leben des langjährigen Abgeordneten. Die Politik verfolgt er noch sehr interessiert, wenn auch altersbedingt mit Abstand.
Lange war er mittendrin, und noch zum 85. Geburtstag erwiesen ihm bei einem zu seinen Ehren im Technoseum ausgerichteten Symposium 300 Gäste, darunter der frühere Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber und der ehemalige baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg, die Ehre. Das Thema: Technologiefolgenabschätzung – Bugls Lebenswerk, aber zu einer Zeit, als es noch nicht Mode war und er daher für seine Ära als viel zu fortschrittlich, zu futuristisch, zu innovativ, ja unbequem empfunden wurde.
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Schließlich konnte Bugl mit einer in der Politik sehr seltenen Kombination aufwarten: Ein Naturwissenschaftler mit Erfahrung in internationalen Organisationen und der Wirtschaft, der schon etwas geleistet hatte, ehe er sein Mandat antrat.
Immer mehr Wissenschaftler
Bugl wuchs in den Kriegsjahren in der Oberpfalz – stark katholisch geprägt und bewusst mit dem biblischen Namen Josef getauft – auf, musste sich danach im Bergbau das Geld für sein Studium hart selbst verdienen. Über Stationen bei Euratom, in den USA und am Europäischen Kernforschungszentrum Petten kam der promovierte Atomforscher 1970 nach Mannheim zu BBC (heute ABB), um hier als Prokurist die Stabsabteilung Kraftwerke/Nukleartechnik aufzubauen.
1975 – die Kernenergie war da schon heftig umstritten – trat er der CDU bei und wollte als Wissenschaftler für diese Technologie werben. 1976 gelang ihm die Sensation, den für die SPD als sicher geltenden Landtagswahlkreis Mannheim-Mitte zu erobern. 1980 wechselte er in den Bundestag. Dort war er über die Parteigrenzen hinweg geachteter Vorsitzender der Enquete-Kommission „Technikfolgenabschätzung“.
Gefahren moderner Technologien versachlichen, für Nachhaltigkeit kämpfen – Bugl sah das als wertkonservatives Gedankengut, Helmut Kohl abschätzig als „grünes Zeugs“. Daher galt Bugl in seiner Partei als Querdenker (als das Wort noch nicht verpönt war) und zu wenig als Parteisoldat – trotz Kreisvorsitz der CDU. 1987 erhielt er keinen sicheren Listenplatz mehr, verpasste die Rückkehr ins Parlament.
Er baute die Universität Chemnitz und die Akademie für Technikfolgenabschätzung in Stuttgart auf. Auch wenn er nach der Wende mal als Wissenschaftsminister eines ostdeutschen Bundeslandes gehandelt wurde – in der Politik konnte er nie mehr richtig Fuß fassen, und mancher Streit mit Helmut Kohl, dem gegenüber Bugl unerschrocken Widerworte wagte, mag da ein Grund sein. Das ergibt sich aus seiner Autobiografie „Mein Leben und meine Erfahrungen in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik“, welche 2017 die Konrad-Adenauer-Stiftung veröffentlichte. Als er es Oberbürgermeister Peter Kurz überreichte, dankte der Bugl auch dafür, dass er erfolgreich dafür kämpfte, dass Mannheim das Technoseum erhielt.
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