Mannheim. Er ist in einem Alter, in dem die meisten seiner Altersgenossen seit mehr als 20 Jahren ihren Ruhestand genießen. Nicht so Peter Graf Kielmansegg. Der renommierte Historiker und Politikwissenschaftler, fast zwei Jahrzehnte Professor an der Universität Mannheim und hier auch Dekan seiner Fakultät, ist nach wie vor mit wissenschaftlichen Veröffentlichungen in Büchern und Artikeln aktiv. An diesem Montag (27. Juni) feiert er seinen 85. Geburtstag.
Hat ihm sein familiärer Hintergrund in seinem akademischen Leben genutzt oder geschadet? „Keines von beiden“, glaubt der Jubilar beim Blick zurück. Eindrucksvoll ist sein Stammbaum aber auf alle Fälle, geht er doch auf Philipp Melanchthon, den Weggefährten Luthers, zurück. Der Vater des Jubilars ist nach dem Kriege einer der Mitbegründer der neuen Bundeswehr und in den 1960er Jahren Oberbefehlshaber der NATO-Landstreitkräfte in Europa.
Doch den 1937 geborenen Sohn zieht es nicht zur militärischen, sondern zur wissenschaftlichen Laufbahn. Seine glanzvolle Karriere startet er 1961 in Darmstadt als Assistent des legendären Eugen Kogon, Autor des Standardwerkes „Der SS–Staat“. 1971 folgt der Lehrstuhl in Köln, 1976 eine Gastprofessur in Washington.
1985 kommt der Ruf nach Mannheim. Das erstaunt in akademischen Kreisen – der adelige Konservative in der linksliberal geprägten Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Industriestadt? Doch Kielmansegg schreckt das nicht, und er kommt an – dank fachlicher Leistung und verbindlichem Umgangston.
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Kielmansegg lässt sich parteipolitisch nicht verorten
Zudem ist er zwar konservativ, positioniert sich etwa in der Nachrüstungsdebatte der 1980er Jahre inhaltlich eindeutig, lässt sich aber parteipolitisch nicht „verorten“, um eines seiner Lieblingsworte zu verwenden. In einem „MM“-Interview fordert er von der CDU im Jahr 2000 die „Abkehr vom System Kohl“. In einem FAZ-Artikel Anfang der 1980er Jahre ist er – noch vor der legendären Rede Richard von Weizsäckers 1985 – einer der ersten Konservativen, der das Kriegsende 1945 auch als Akt der Befreiung interpretiert.
Nicht wenigen an der Uni Mannheim erscheint er daher als ideal für das Rektorat, doch das Wissenschaftliche behält für ihn Priorität, vor allem seine Arbeit an der fast 800seitigen „Geschichte des geteilten Deutschland“, die seit ihrem Erscheinen 2000 als Standardwerk gilt.
Seinen Ruhestand verbringt er in der Bergstraßen-Gemeinde Laudenbach, engagiert sich aber mehrere Jahre als Präsident der Akademie der Wissenschaften in Heidelberg, geehrt mit dem Großen Bundesverdienstkreuz und der Verdienstmedaille Baden-Württemberg.
Und er publiziert weiter, in der FAZ, aber auch in der renommierten „Neuen Züricher Zeitung“. Im Herbst kommt sein Buch zum Thema „Gemeinwohl und Weltverantwortung“. Im danach erscheinenden Sammelband über das Deutsche Kaiserreich wird er mit einem Beitrag vertreten sein. „Das Schreiben“, so bekennt Kielmansegg, der explizit für seine Sprache mit dem Sigmund-Freud-Preis ausgezeichnet worden ist, „ist eben meine Passion.“ Und das bleibt so. Auch mit 85.
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