Zwei spitze Türmchen und eine kolossale Kopfstellung an der Brücke: Den wunderbaren Neckarstädter Bahnhof - auch als Weinheimer oder Hessischer Bahnhof bekannt - haben viele erkannt, und ein "Ach wie schade, dass er nicht mehr steht!" zieht sich wie ein roter Faden durch alle Mails und Briefe. Ralph Osswald kam bei dem Bild historisch in Fahrt, er wusste, dass von dieser Station der Zug Richtung Käfertal, Viernheim, Weinheim abdampfte, und dass Hermann Bachstein das prominente Bauwerk 1887 errichtet hatte. Der Kenner der Materie berichtet auch, dass die Strecke 1897 als Nebenbahn betrieben wurde, dann von der Süddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft (SEG) übernommen und ab 1911 als Oberrheinischen Eisenbahn-Gesellschaft (OEG) firmierte. Die OEG-Strecke wurde 1915 elektrifiziert. Seitdem sprach man voller Stolz über "die Elektrisch", weil da nichts mehr rußte, so Osswald, der OEG auch als "Oh ewiges Gewackel" zu deuten weiß. Bahn-Erfahrene in Alt-Mannheim nannten die stark qualmende Lokomotive auch noch "De feirisch Elias", wohl nach dem biblischen Propheten Elias, der in einem von feurigen Rossen gezogenen feurigen Wagen "im Wetter gen Himmel" gefahren sein soll: "An den Anstiegen der Strecke kam aber der Elias häufig ins Prusten, musste dann zurückrollen und einen neuen Anlauf nehmen, oft von Passagieren unterstützt," so Osswald.
"Das war fast alles weit vor meiner Geburt und ich kenne das nur vom Hörensagen, aber ich durfte eine Zeitlang für die OEG im Verwaltungsgebäude in der Käfertalerstraße arbeiten", erklärt der Fachmann seine historische Antriebskraft und blickt zurück auf das Ende: Im Dezember 2011 ist der letzte Bahnhof am Alten Messplatz abgebrannt, seither sei auch ein Stück Geschichte verschwunden.
Viele fanden das Bilderrätsel diesmal sehr schwer, sie lagen mit dem TSV 1846 oder dem Gefängnis nicht auf der richtigen Spur, aber Manfred Hexamer konnte sofort Erinnerungen aufs Gleis schieben: Nach dem Bombendebakel wurde der Bahnhof in den 50er Jahren zu einer Gastwirtschaft mit dazu gehörigem Wohnraum umgebaut. Auch ein Kiosk war in dem Gebäude am Eck, mit integriert. "Dort haben wir uns als Jugendliche noch mit Süßigkeiten versorgt, wenn wir von der Innenstadt in die Kinos Capitol oder ins "Müllerle" unterwegs waren. Und man vergnügte sich im Winter auf dem Alten Meßplatz mit Schlittschuhlaufen - vorausgesetzt es war sehr kalt und die Feuerwehr hatte den Platz unter Wasser gesetzt. Manfred Hexamer wünscht sich noch manches Rätsel bedankt sich herzlich für diese Serie, und wir bedanken uns bei ihm für die lebhaften Erinnerungen des routinierten Erkenners.
Der "Ureinwohner" Edgar Schlachter hat nur fünf Minuten weg vom Bahnhof in der Mittelstraße gewohnt, auch Hans Werry erkannte das Eck und mannheimert drauflos: "Liwer Mamo, des wes ich deshalb, weil ich in de Holzbauerstros gewohnt hab, ganz in de Neh, un nochm Krieg so ugfär 1946 oder 1947 vun dort mitm Zug uf die Blumenau in ä Ferielager gfare bin, so ugfär 14 Tag oder 3 Woche, morgens eugstige in de Zug, der uf de Schine newe de Dammstros gstone wa, un obens wieder zurück. Mittags hots dort was zu esse gewe. Der Zug hot ä richtische Dompflokomotive kabt. Der Bohnhof war awer arg kabut, bombadiert, ä Ruin, wie viele in de Umgewung."
Edgar Linnebach hat den kaputten Bau an der Friedrichsbrücke (heute Kurpfalzbrücke) auch noch vor Augen. Hinten an der Dammstraße sei ein großer Güterbahnhof gewesen. "Wir Kinder freuten uns immer wenn ein Zirkus wie der Sarasani hier auslud und wir zur Begleitung zum Messplatz rannten."
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-oeg-das-heisst-oh-ewiges-gewackel-_arid,687553.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/kaefertal.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/viernheim.html