Lockerungen - Gastronomen und Gäste freuen sich über die seit Pfingstsonntag wieder erlaubten Restaurant- und Café-Besuche / Schlangen vor den Testzentren

Neustart für Mannheims Gastronomen wie eine "andere Welt" für die Gäste

Von 
Tanja Capuana
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Mannheim. Volle Tische, gutgelaunte Besucher: Seit Pfingstsonntag dürfen die Mannheimer Gastronomen wieder Gäste in ihren Lokalen bewirten – wenn diese negativ getestet, vollständig geimpft oder genesen sind. Und viele Leute haben diese Möglichkeit gleich am Tag der Wiederöffnung genutzt. Wie fühlt es sich an, nach fast sieben Monaten wieder im Café oder Restaurant zu sitzen? Wir haben uns umgehört.

Im Dolcheamaro, einen kurzen Spaziergang vom Wasserturm entfernt, ist viel los. Die Servicekräfte sind ordentlich in Bewegung, huschen von Tisch zu Tisch und heißen die Gäste mit eine freundlichen Lächeln willkommen. Avin Samadi nimmt Bestellungen via Scan auf.

Obwohl die Kellnerin bereits seit drei Jahren dort arbeitet, fühlt sich der erste Arbeitstag seit dem Lockdown für sie wie ein Neustart an. „Es ist aufregend“, gesteht sie und lächelt unter ihrer Maske. „Man fragt sich, ob man alles richtig macht und muss wieder reinkommen.“ Denn die Mitarbeiter müssen bei jedem Gast kontrollieren, ob er negativ getestet ist und viele Prozesse, wie etwa die Speisekarte, gibt es nun in digitaler Version.

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Die Gäste genießen nicht nur den Sonnenschein, der sie zwischen den Regengüssen immer wieder beehrt. Emily Schäfer, Helen Pollack, Viviana Rabaa und Bao Tran lassen es sich auf der Terrasse gutgehen. Dass sie den Nachmittag in dem schmucken Café verbringen können, freut die Freunde. „Endlich“, sagt Rabaa und strahlt. „Wir haben schon sehr darauf gewartet.“ Der Ausflug ins Café sei eine willkommene Abwechslung. „Nach sechs Monaten ist es schön, wieder draußen zu sitzen und einen Kaffee zu trinken.“ Schäfer haben nicht zuletzt auch die Kontakte zu anderen gefehlt. Die Studenten hoffen nun, dass die Inzidenzen nicht wieder steigen und die Gastronomiebetriebe schließen müssen. „Das wäre schade“, betont Schäfer.

"Wie in einer anderen Welt"

Gut gelaunt ist auch Iris Haas. Die Inhaberin des Dolcheamaro hat ebenfalls viel zu tun. Denn zu den Aufgaben der Gastronomen gehört auch, dass sie Impfpässe und Testergebnisse studieren müssen. Sie akzeptiert diese nur in digitaler Form. „Ich habe Angst vor Fälschungen.“ Ihre Mitarbeiter muss Haas zweimal pro Woche auf Covid19 testen. „Ich bin verpflichtet, ihnen Selbsttests zu geben, bei Gästen darf ich aber keinen Selbsttest annehmen“, sagt sie. Sie hat dafür Verständnis. „Wie müssen uns an die Regeln halten, sonst sind wir wieder am Anfang und müssen schließen.“ Bevor die Gäste Platz nehmen dürfen, müssen sie sich daher über die Luca-App einchecken.

Sabine gönnt sich einen frisch gepressten Saft und Kaffee. „Ich komme mir vor, wie in einer anderen Welt“, sagt sie. Sie zückt ihr Handy und checkt wieder aus. „Die Luca-App ist toll.“ Überhaupt ist die Mannheimerin froh für die Gastronomie, die neben der Hotelbranche trotz guten Sicherheitskonzepten stark gelitten habe. „Man kann nicht eine ganze Berufsgruppe so abhängen.“

Thilo Bischoff und Gertraud Gallecker sowie ihre Kinder haben sich mit Helke Hillebrand, deren Mann Rüdiger Hell und ihrer Tochter verabredet. „Schön ungewohnt“, bewertet Bischoff den Cafébesuch. Sein Sohn Corbinian scherzt: „Das Essen ist besser als zu Hause.“ Die Testpflicht findet Hell „total okay und wichtig. „Man will ja kein Risiko eingehen.“ Er ist vor allem froh, dass man in Lokalitäten wieder Freunde treffen kann. „Die Begegnung ist das wichtigste und dass man dabei bewirtet wird, ist schön.“

Ob am Paradeplatz, vor der Abendakademie oder auf dem Marktplatz, bei den Testzentren herrscht viel Betrieb. Vor der Variohalle stehen Leonard David und Lara van Daalen in der Schlange – eine spontane Aktion. „Wir wollen einen Kaffee trinken gehen und machen nun dafür einen Test“, sagt der Mannheimer. „Es ist eine gute Sache“, sagt van Daalen. Ihrem Freund gibt das Testen ein gutes Gefühl. „Man weiß, dass alle negativ getestet sind und fühlt sich sicher.“ Auch Luna Wellige findet das Testen nicht nur für den Restaurantbesuch wichtig. „Ich freue mich auf jeden Fall, dass die Gastronomie wieder offen ist.“ Die Studentin arbeitet selbst in einem Restaurant. „Heute bin ich Gast, das wollte ich ausnutzen.“ Seit rund zehn Minuten steht sie an. „Wir wussten nicht, dass der Ansturm so groß ist. Aber das kann man in Kauf nehmen.“

Aufregung vor Öffnung

Bettina Matter macht mit ihren Kindern Marlene und Valentin auf einer Bank mitten auf den Planken Pause. „Wir haben einen richtigen Pfingstausflug gemacht“, erzählt sie. Nach dem Gottesdienst in der Christuskirche waren sie auch in der Kunsthalle sowie in einem japanischen Restaurant essen „Wir kommen uns vor, wie in einer neuen Welt angekommen.“ Man sei genügsam geworden. „Super“, findet auch die 13-jährige Marlene die Lockerungen, während sie ein Eis aus dem Becher löffelt. Ihr Bruder pflichtet ihr bei. „Das war das erste richtige Essen im Restaurant seit Monaten. Es war schön, aus Geschirr zu essen und nicht nur aus einer Styroporbox.“

Über ausgebuchte Tische und zahlreiche Reservierungen freuen sich Benita und Walter Calandi, Inhaber des „Perché no“. „Wir sind sehr dankbar und überglücklich“, sagt sie. „Ich könnte die ganze Welt umarmen.“ Ihr Mann war vor der Wiedereröffnung sehr aufgeregt. „Ich habe heute Nacht nicht geschlafen“, gesteht er. „Ich bin dankbar, dass es viele Gäste so annehmen.“ Auch über das Engagement ihrer Mitarbeiter ist das Ehepaar froh. „Sie haben sich alle gefreut, heute hier zu sein“, sagt Benita Calandi, die sich trotzdem sorgt, dass die Lokale bald wieder schließen müssen. Dennoch möchte die Gastronomin optimistisch bleiben. „Wir denken positiv und wollen nach vorne schauen.“

Auf dem Marktplatz hat das „Istanbul“ viel Zulauf, wo die Gäste sich türkische Spezialitäten schmecken lassen. Praktisch finden so manche Besucher das Testzentrum, das direkt nebenan liegt. „Wir möchten hier in der Nähe essen gehen, und lassen uns daher testen“, sagt ein junger Mannheimer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Ein anderer ist weniger gut gelaunt. „Ich finde es bescheuert, dass ich mich testen lassen muss, bevor ich in ein Restaurant darf.“ Durch die Tests müsse man sich nicht wundern, wenn die Inzidenzen wieder stiegen, sagt er, bevor er sich widerwillig in die Schlange stellt.

"Ein Traum" für die Gastronomen

Auch das Maruba hat wieder geöffnet. Marinka Tenzera-Atacan und Tuncay Atacan freuen sich, Gäste wieder bewirten zu dürfen. „Für uns ist es natürlich ein Traum“, sagt Atacan, den die meisten Gäste als „Tony“ kennen. „Wir vermissen die Umarmungen, die Nähe und gute Gastgeber zu sein.“ Erst am Freitag habe er definitiv die Zusage erhalten, wieder öffnen zu dürfen. „Ich habe ein bisschen mehr erwartet, aber ich bin noch optimistisch. Vielleicht sind viele Leute über Pfingsten weggefahren.“ Glücklich ist Atacan, dass er kurzfristig eine Kooperation mit einem Testcenter eingehen konnte, wo sich Besucher und Passanten vor dem Eingang kostenlos testen lassen können.

Das trockene Wetter am Nachmittag lockt viele Besucher in den idyllischen Biergarten mit Blick auf den Neckar. „Es fühlt sich an, wie der erste Sommertag“, sagt Daniel. Das Testcenter am Eingang findet er praktisch. Sein Kumpel, der ebenfalls Daniel heißt, betrachtet die Möglichkeit, ein Bier im Freien zu genießen als ein Stück Freiheit, das er zurückbekommt.  Unter den Gästen ist Melis Sekmen. Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen hat mit ihrer Partei den Antrag gestellt, dass den Restaurantbesitzern für die Außengastronomie keine Gebühren erhoben werden dürfen. „Um die Betreiber zu entlasten.“

Auch Aileen Lehnert und Sabine Koch genießen das Treffen im Biergarten. „Ich finde es ansprechend, dass es eine Teststation gibt, wo man danach direkt ins Maruba gehen kann.“ Koch, die nach der Arbeit die Seele baumeln lässt, nimmt einen Schluck aus ihrem Bierglas. „Man weiß das viel mehr wertzuschätzen als vorher.

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