Mannheim. Einige Menschen werden sich sicher gefragt haben, was da am Himmel über den Quadraten am Kran baumelte: Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) hat am Dienstag ein hochmodernes Gerät zur Hirnbildgebung angeliefert bekommen. Der 7-Tesla-Magnetresonanztomograph (MRT) ermöglicht „eine bisher nicht erreichte Auflösung“ von Strukturen und Funktionen im menschlichen Hirn, so das ZI. Mit ihm will man Ursachen und Mechanismen psychischer Krankheiten noch besser verstehen.
Bevor der Patient Symptome zeigt
Mit dem MRT lässt sich etwa die Hirnfunktion beobachten. Störungen der Informationsverarbeitung zum Beispiel werden auf neuronaler Ebene oft schon sichtbar, wenn sie sich im Verhalten noch nicht gezeigt haben. Mit dem MRT kann man auch die Wirkweise neuer Therapien untersuchen. Neben feiner Gehirnstruktur kann man auch Stoffwechselvorgänge in „bisher nicht erreichbarer Präzision“ darzustellen, so die Forscher. So könne etwa die Verteilung von Molekülen im Gehirn, etwa von neuen Medikamenten, direkt gemessen werden.
Personalisierte Medizin dringlich
Gerade bei neuen Behandlungen könnten so Wirkungen in Gehirnsystemen „gemessen und beschrieben werden“, sagt Andreas Meyer-Lindenberg, Vorstandsvorsitzender des ZI. Das ermögliche Aussagen für die personalisierte Medizin, die in diesem Bereich besonders dringlich sei, „weil psychiatrische Diagnosen nicht ausreichend zwischen für die Behandlung relevanten Patienten-Untergruppen unterscheiden“. Das ZI spricht bei der Anschaffung von einem „Meilenstein“ für die neuropsychiatrische Forschung in Mannheim.
Die Klaus Tschira Stiftung ermöglichte die Anschaffung, teilt das ZI mit. Weder das ZI noch der Hersteller des Geräts, Siemens Healthineers wollten auf Anfrage Angaben zum Wert des Gerätes machen. „Wir sind der Klaus Tschira Stiftung sehr dankbar dafür, dass sie es uns mit ihrer Förderung ermöglicht, unser anspruchsvolles Forschungsprogramm mit der erforderlichen Infrastruktur fortzuführen“, betont derweil Meyer-Lindenberg.
Durch eine Öffnung in der Decke wurde der etwa 20 Tonnen schwere supraleitende Magnet nun am Dienstag in das Gebäude in J 5 gehoben. Zu diesem Zeitpunkt war der Magnet bereits mit flüssigem Helium gekühlt, ist aber noch nicht einsatzbereit. Ab November können die Forschenden loslegen, heißt es.
Los ging alles in den 1990ern
Das ZI war Mitte der 1990er-Jahre eines der ersten Institute, das ein MRT-Gerät für Diagnostik und Forschung installierte. Erst: 1,5-Tesla, dann 3: Durch immer leistungsstärkere Geräte (die Tesla- Zahl steht für die Stärke) wurden dann etwa die Voraussetzung für Studien der sozialen Interaktion geschaffen. Dafür verbanden ZI-Wissenschaftler zwei vorhandene MRTs, um gleichzeitig die Gehirnaktivität von zwei Menschen zu messen, die miteinander interagieren oder gemeinsam an der Lösung einer Aufgabe beteiligt waren. Auch in der Tierforschung kommt die Magnetresonanztomographie seit 2008 zum Einsatz. Die im Vergleich zum Menschen viel kleineren Gehirne von Ratten und Mäusen erfordern für die Bildgebung erhebliche stärkere Magnetfelder.
Stärke: 140000 Mal Erdmagnetfeld
Die 7-Tesla-MRT-Stärke ist aktuell in Deutschland in anderen Bereichen wie der Krebsforschung bereits im Einsatz, jedoch an recht wenigen Standorten. 7 Tesla entspricht der 140 000-fachen Stärke des Erdmagnetfelds. Die Untersuchung gilt als nebenwirkungsarm, vorliegende Studien beobachteten als häufigste Nebenwirkung „vorübergehenden Schwindel“ beim Einfahren in das Gerät.
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Laut Hersteller Siemens ist ein besseres Verständnis sowie die zielgerichtetere Behandlung von psychischen Erkrankungen „eine große Herausforderung in der Medizin“. Man sehe „hier Potenzial, die Versorgung psychiatrischer Patienten zu verbessern“, heißt es von der Firma.
Weltweit erster für diesen Nutzen
Denn das neue Gerät ist der weltweit erste 7-Tesla-MRT Magnetom Terra.X mit Patientenzertifizierung in der Psychiatrie, teilt das ZI mit. Er wird Teil des 2019 eröffneten „Zentrums für Innovative Psychiatrie und Psychotherapieforschung“(ZIPP) im Therapiegebäude in J 5 sein. Das ZIPP wird nicht nur von Forschenden des ZI genutzt werden, sondern ist auch zentraler Bestandteil des neu gegründeten, bundesweiten Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit.
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