Lichterloh brennt das grüne Kleid von Paulinchen, und zwei Katzen erheben klagend ihre Tatzen. Die illustrierte Feuerzeug-Geschichte aus dem Struwwelpeter-Buch dürfte allseits bekannt sein. Freilich haben jene Unfälle, für die Paulinchen als Metapher steht, meist andere Ursachen – beispielsweise Grillunfälle oder abstürzende Töpfe mit kochend heißer Flüssigkeit.
Im Zentrum für schwerbrandverletzte Kinder und Jugendliche am Universitätsklinikum (UMM) führt der „MM“ ein Gespräch mit Miriam Renkert, die unlängst für die Kinderchirurgie einen Qualitätspreis rund um innovative Wundversorgung entgegengenommen hat.
Unfall im Sommerurlaub
Die auf „thermische Verletzungen“ spezialisierte Funktionsoberärztin weiß, dass bei massiven Verbrennungen beziehungsweise Verbrühungen zwar in erster Linie Haut geschädigt wird, aber auch die Seele: „Oft ist die gesamte Familie von den Geschehnissen traumatisiert.“ Der Vater von Manuela nickt. Die 14-Jährige hat zugestimmt, dass eine Journalistin beim Nachsorgetermin ihre Geschichte erfährt.
Sommer, Sonne, Schwimmen. Nichts deutete darauf hin, dass der Familienurlaub am Gardasee eine dramatische Wende nehmen würde. Auslöser: ein Frittiertopf, in dem überhitztes Speisefett Feuer fängt. An so viel kann sich Manuela erinnern: Sie zerrte das in Flammen stehende Behältnis vom Gaskocher und rutschte dabei barfuß aus. Die beim Hinfallen erlittenen Brandverletzungen an den Füßen sowie am Rücken und Gesäß hat sie zuerst gar nicht gemerkt. „Ich spürte keinerlei Schmerzen.“ Ein bekanntes medizinisches Phänomen. Manuela weiß nur noch, dass Nachbarn sie gepackt und zur Abkühlung in den Pool geworfen haben. Sie wird nach Brescia ins Krankenhaus gebracht –„aber da ist kaum etwas gemacht worden“.
Die anschließende Behandlung in der Uniklinik von Padua hat die Jugendliche als „grässlich“ im Gedächtnis behalten. Die täglichen Verbandswechsel erlebte sie als Tortur – zumal die verabreichten Schmerzmittel nicht wirkten. Zudem schwächte ein nur unzureichend ausgeglichener Verlust von Gewebeflüssigkeit den gesamten Organismus, worauf schlechte Nierenwerte verwiesen. Obendrein durfte die Mutter wegen des damaligen Corona-Hygienekonzepts nicht auf die Station, obwohl das Mädchen dringend seelische Streicheleinheiten benötigt hätte. Die Familie setzte durch, dass Manuela 13 Tage nach dem Unfall in das Mannheimer Zentrum für schwerbrandverletzte Kinder verlegt wurde.
Von da an hatte die tägliche Qual der Verbandswechsel ein Ende. „Diese erfolgten nur noch im OP unter Narkose“, blickt Oberärztin Miriam Renkert zurück. Schließlich sei es nicht nur darum gegangen, die Wunden vor Infektionen zu schützen, sondern die Jugendliche auch davor zu bewahren, dass sich in ihrem Gedächtnis chronischer Schmerz einnistet.
Tipps für den Notfall
- Das Zentrum der Universitätsmedizin Mannheim für schwerbrandverletzte Kinder behandelt jährlich um die 200 Mädchen und Jungen mit Verbrennungen und Verbrühungen stationär – häufig mit jahrelanger Nachbetreuung.
- Die Initiative Paulinchen nennt als Erste Notfall-Hilfen: Verbrennungswunden (nicht den ganzen Körper) mit handwarmen Wasser kühlen – aber nicht bei Säuglingen. Flammen durch Wälzen am Boden oder mit Wasser löschen. Eingebrannte Kleidung nicht entfernen, aber bei Verbrühungen sofort alles ausziehen, auch die Windel. Niemals Mehl, Zahnpasta oder Öl auf Brandwunden geben. Bei Stromverletzungen sofort den Stromkreis abschalten.
Renkert, die zum interdisziplinären „Burn-Team“ des UMM-Kinderzentrums gehört, beschäftigt sich intensiv mit innovativen Wundauflagen aus Nano-Cellulose. Und die haben den Vorteil, dass schmerzhafte Verbandwechsel nur in Ausnahmefällen notwendig sind. Nano-Cellulose bewirkt außerdem ein heilsames Wundmilieu, weil es gelungen ist, sowohl Eingriffe in Narkose als auch die Dauer stationärer Aufenthalte erheblich zu reduzieren. Deshalb ist diese Form der Wundversorgung im Mannheimer Spezialzentrum als Standard etabliert worden.
Warnung vor Gefahren
Manuela hatte an den Füßen schwerste Verbrennungen erlitten – und die erforderten Hauttransplantationen. Renkert: „Wir haben dafür Haut vom Oberschenkel genommen.“ Nach dem Abheilungsprozess bekam Manuela angepasste Kompressionsstrümpfe: Permanenter Druck soll verhindern, dass die Narben wuchern. „Hat sich superschön und weich entwickelt“, kommentiert die Ärztin bei der Nachsorge.
Manuela erzählt, dass sie wieder Tennis spielt. Bei der Behandlung brandverletzter Kinder, betont Renkert, gelte es, Mädchen und Jungen zu ermöglichen, wieder an ihr soziales Leben anzuknüpfen. Aber die Ärztin warnt: Jetzt im Sommer sei es vor allem Freiluft-Brutzeln, das oftmals zu Unfällen führe. Von den deutschlandweit jährlich um die 4000 Grillunfällen endet jeder zehnte mit schweren Brandverletzungen. Der Tipp von Ärztin Renkert: „Hände weg vom Spiritus!“
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