Gesellschaft II

"My loneliness is killing me" - wie Einsamkeit tötet

Politik und Mediziner sehen ein massives Problem im Thema und warnen vor einer Verschärfung durch die Mehrfachkrisen, die seit 2020 stattfinden. Doch was macht Einsamkeit so tödlich?

Von 
Lea Seethaler
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Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), warnt vor dem Risiko des vorzeitigen Todes von einsamen Menschen. © Carsten Koall

„Angesichts einer zunehmend individualisierten, mobilen und digitalen Gesellschaft werden wir Strategien und Konzepte entwickeln, die Einsamkeit in allen Altersgruppen vorbeugen und Vereinsamung bekämpfen.“ Dieser Satz stand bereits im Koalitionsvertrag der letzten Regierung. Auch in dem der Ampel ist Einsamkeit erneut Thema. Das zeigt, welche Brisanz das Thema mittlerweile in der Gesellschaft erreicht hat.

Doch nicht nur die Politik schlägt Alarm, will handeln. Auch Mediziner betonen seit jeher das Problem. So äußerte sich kürzlich der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, zur Thematik. Er betonte dabei die Wichtigkeit niederschwelliger Angebote wie etwa Supermarktkassen, wo Kassiererinnen und Kassierer sich für einen längeren Plausch mit den Kunden zur Verfügung stellten („Quatsch-Kassen“). Reinhardt wies aber auch auf die Wichtigkeit des scheinbar banal wirkenden Getränks nach der Arbeit und damit verbundener Gespräche in einer Gaststätte hin.

Vulnerable Gruppen stark in Gefahr

Menschen ohne starke soziale Kontakte sind einem höheren Risiko von Schlaganfällen, Angststörungen, Demenz, Depressionen und Suizid ausgesetzt, sagte indes WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Das Risiko des vorzeitigen Todes sei für Einsame so hoch wie oder höher als das Todesrisiko durch Tabak, Fettleibigkeit oder Luftverschmutzung. Das zeigen auch viele andere Studien. Aus diesen geht auch hervor: Der Übeltäter ist vor allem der Stress, der im Organismus des Einsamen entsteht. Er lässt komplexe physische Stoffwechselprozesse entgleisen, hat zur Folge, dass das System Körper nicht mehr richtig funktioniert. Einsamkeit wird besonders kritisch, wenn sie chronisch wird oder eine lange Zeit andauert.

Dann nämlich wirkt sie sich auch auf mentale Gesundheit, soziale Teilhabe und damit auf das gesellschaftliche Miteinander aus. Darauf hat zuletzt das Kompetenznetz Einsamkeit (KNE) hingewiesen.

Einsam sind laut KNE nicht nur viele alte Menschen, sondern seit den Lockdowns der Coronazeit vor allem auch Jüngere unter 30 Jahren. Auch die WHO hält fest: Soziale Isolation sei nicht nur ein Phänomen unter Älteren in reichen Ländern. Zwar litten Menschen aller Altersstufen in vielen Ländern darunter. Unter Heranwachsenden aber seien nach Studien weltweit fünf bis 15 Prozent betroffen, unter den Älteren ein Viertel. Doch diese beiden Schätzungen seien vermutlich noch zu niedrig, betonte WHO-Chef Ghebreyesus. Ebenso oft herausgestellt wird in Studien der Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Armut.

Besonders von Einsamkeit bedroht sind Menschen in verletzlichen Lebenssituationen. Das KNE nennt hier etwa Alleinerziehende, Geflüchtete, queere Menschen, Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, sowie Menschen, die diese pflegen. Auch Menschen mit Behinderungen, chronisch Erkrankte sowie Schwerstkranke in der letzten Lebensphase und ihre Angehörigen zählen zu den vulnerablen Gruppen.

Und wie kann man sich aus Einsamkeit lösen, gibt es überhaupt Umstände, die man beeinflussen kann? Hier lohnt sich etwa ein Blick auf den Medienkonsum. Die Einsamkeitsforscherin Maike Luhmann definiert Einsamkeit als „wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen“. Sie sagt einerseits: Soziale Medien etwa könnten wichtig sein, um Kontakte zu halten. Doch andererseits seien gerade bei starker Nutzung von PC, Handy und Co. Einsamkeitswerte stark erhöht. Echte Kontakte durch Treffs und Aktionen, wie es auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene etwa auch in Mannheim angeboten wird, sind da Gold wert.

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Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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