Mannheim. Die Wahl des Oberbürgermeisters ist gerade vorbei, da richten sich die Blicke bereits auf die nächste Abstimmung: Im Sommer 2024 sind Mannheimer und Mannheimerinnen aufgerufen, den Gemeinderat zu wählen. Zwar lauten dort die Fragen anders, aber dennoch dürfte die Ausgangslage nicht weniger spannend sein als die vor der Oberbürgermeisterwahl. Schließlich geht es darum, ob sich CDU-Oberbürgermeister Christian Specht im Gemeinderat weiter einer rot-rot-grünen-Mehrheit ausgesetzt sieht. Bleiben die Grünen die stärkste Fraktion? Und was passiert mit der AfD, die im Bundestrend ja einen Höhenflug erlebt?
Mitgestaltung durch junge Menschen in kommunalen Gremien
Spannend wird es bereits, wenn die Parteien ihre Kandidatinnen und Kandidaten nominieren. Das ist immer interessant - die Kommunalwahl 2024 unterscheidet sich aber von vorherigen in einem Punkt: Im März hat der Landtag mit Stimmen von Grünen, CDU und SPD beschlossen, dass bereits 16-Jährige für den Gemeinderat kandidieren können. „Besonders freuen wir uns darüber, dass mit der Absenkung des passiven Wahlrechts auf 16 Jahre mehr Mitgestaltung durch junge Menschen in unseren kommunalen Gremien möglich ist“, hatten unter anderem die Mannheimer Grünen-Abgeordneten Susanne Aschhoff und Elke Zimmer mitgeteilt. Bislang besaßen Jugendliche nur das aktive Wahlrecht und konnten abstimmen.
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In Mannheim hätten Jugendliche zwar bereits die Möglichkeit, über Beteiligungsformate im Gemeinderat ihre Meinung äußern zu können, sagt Theo Argiantzis. „Es ist aber wichtig, dass sie auch mitstimmen und gleichberechtigt Kommunalpolitik gestalten können.“ Argiantzis engagiert sich beim Stadtjugendring im Vorstand auch für politische Bildung. „In der Kommunalpolitik geht es um viele Themen, die einen direkten Einfluss auf die Lebenswelt junger Menschen haben.“
"Können populistische Argumente gut erkennen"
Gerade 16 und bereits weitreichende politische Entscheidungen treffen? Thomas Gschwend sieht darin zunächst kein Problem. „Es gibt genügend Studien“, sagt der an der Universität Mannheim forschende Politikwissenschaftler, „die zeigen, dass 16- oder 17-Jährige politisch nicht schlechter informiert sind oder sich nicht weniger gut auskennen als Ältere.“ Manche seien „im Zweifel“ engagierter. Gschwend teilt deshalb Bedenken, die Reform fördere Populismus in der Kommunalpolitik, nicht. „Genügend Jugendliche wissen heutzutage so viel über politische Themen, dass sie populistische Argumente gut erkennen können.“ Sie würden „über Kompetenzen und Kenntnisse verfügen, die ältere auch haben“, sagt er. „Deshalb gibt es, was die Kompetenz betrifft, nichts gegen die Reform einzuwenden.“
Keine Aufsichtsratsmandate für Jugendliche
Dennoch sieht er einen Nachteil. Aufsichtsratsmandate, die Stadträtinnen und Stadträten wahrnehmen, bleiben Jugendlichen verwehrt. „Man hat das Problem, dass dem Gemeinderat dann unter Umständen Menschen angehören, die nicht alle Rechte besitzen, um ihr Mandat vollständig auszuüben“, sagt Gschwend, der deshalb eine „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ im Parlament für möglich hält.
Argiantzis kann dieses Bedenken „ein Stück weit nachvollziehen“, erklärt er. „Ich wünsche mir natürlich, dass man jungen Menschen auch bei Verwaltungsämtern mehr Rechte einräumt.“ Dennoch sei es ja nur eine Frage der Zeit, dass junge Menschen später in diese Ämter kämen. „Unabhängig, ob man 16 oder 61 ist, fordert Kommunalpolitik allen viel Geduld ab“, sagt er. „Daran wird sich nichts ändern.“
Parteien sind nun gefragt
Der Stadtjugendring vereint 34 Verbände mit etwa 40 000 Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 26 Jahren. Argiantzis hat den Eindruck, dass es „sehr viele“ Jugendliche unter 18 gebe, die sich „formell und dauerhaft“ in Gremien wie dem Gemeinderat engagieren wollen. „Natürlich hoffen wir, dass die Parteien auch darauf zurückgreifen und Jugendliche nicht nur der Form halber auf den hinteren Plätzen nominieren.“
Diese Frage hält auch Gschwend für spannend. Die Parteien werden junge Kandidatinnen und Kandidaten nominieren. „Es ist jetzt eine Norm gesetzt, und die Parteien kommen in Erklärungsnot, wenn sie niemand Jungen aufstellen.“ Die Frage sei, wo sie platziert werden - auf aussichtsreichen Positionen oder auf hinteren Plätzen - und ob sie bei einer Abstimmung für den Gemeinderat, bei der Bekanntheit eine große Rolle spielt, auch gewählt würden.
Wenn Leute mit 16 kandidieren können, wird es einfacher, sie als politisch denkende Menschen zu fördern und für Kommunalpolitik zu interessieren
„Die eindeutig bessere Repräsentation von jungen Menschen ist ein großer Pluspunkt der Reform“, sagt Gschwend dennoch. Schließlich gebe es Gremien, in der überwiegend Boomer und Ältere entscheiden. Jugendliche, die sich etwa in der Schule politisch sozialisieren, liefen dagegen Gefahr, nach der Schulzeit in ein Loch zu fallen, weil aktive Gestaltungsmöglichkeiten fehlen. Die Folgen: Verdrossenheit und Demokratiemüdigkeit. „Wenn Leute mit 16 kandidieren können, wird es einfacher, sie als politisch denkende Menschen zu fördern und für Kommunalpolitik zu interessieren“, vermutet Gschwend, verweist aber darauf, dass Vergleichsmöglichkeiten aus anderen Ländern noch fehlten.
Und was sagt der Gemeinderat?
Unterhält man sich mit Mitgliedern des Gemeinderats, berichten die nicht selten von der Fülle an Anträgen und Vorlagen und der wenigen Zeit, diese zu lesen und gleichzeitig weiteren Pflichten nachzukommen. Gleichzeitig wird für Jugendliche der Zeitdruck in der Schule größer - unter anderem Vereine beklagen auch deshalb fehlende Teilnahme. Passt da dann noch ein Gemeinderatsmandat in den Alltag?
„Auf jeden Fall“, antwortet Argiantzis. Jugendliche würden sich in vielen Bereichen engagieren. „Die, die sich im Gemeinderat engagieren werden, werden das organisiert bekommen.“ Auch ältere Stadträtinnen und Stadträte würden „zeitintensiven und anspruchsvollen Jobs“ nachgehen. „Jugendlichen wird es gelingen, die Wichtigkeit des Mandats zu würdigen - das gelingt bei anderen Engagements ja auch“, sagt Argiantzis, der vermutet, dass Jugendliche bekannte Schwerpunkte in der Kommunalpolitik - wie Klimaschutz oder die Nutzung des öffentlichen Raums - voranbringen könnten. „Die stärkere politische Beteiligung kann Jugendlichen neues Selbstvertrauen verschaffen.“
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