Urteil gefallen

Millionen-Prozess um "Pennystocks" - Haftstrafen verhängt

Nach 75 Verhandlungstagen sind am Mannheimer Landgericht die Urteile gefallen: Im Mammut-Prozess rund um Vorwürfe der Marktmanipulation mit kanadischen Billigaktien müssen die Angeklagten in Haft

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Mannheim. In dem hochstreitig geführten Mammutprozess rund um Vorwürfe der Marktmanipulation in Zusammenhang mit  kanadischen Billigaktien, sogenannten  Pennystocks, verkündet  die  Vierte Große Wirtschaftsstrafkammer  des Mannheimer Landgerichtes  am  Mittwoch  nach 75 Verhandlungstagen  die Urteile. Auch wenn die  Gefängnisstrafen  unterhalb der Forderungen des Staatsanwaltes liegen,  fallen sie      keineswegs mild aus: Die jeweils  verhängte  Haft bewegt sich  zwischen  vier Jahren neun Monaten   und  sechs Jahren zwei Monaten. Dazu  kommt, dass  bei den drei  ehemaligen Geschäftspartnern   Vermögen in  Millionenhöhe abgeschöpft wird  - was auch für die beiden in den Strafprozess einbezogenen Finanz-Gesellschaften gilt.

Dass eine Kammer die mündliche Urteilsbegründung nutzt, um sich  auch an die Verteidiger   zu wenden, dürfte  eher selten vorkommen  -   aber  ungewöhnlich   war das gesamte  Verfahren. Die  Vorsitzende Richterin Christiane Loos  spricht  rückblickend von prozessverschleppenden  „Zumutungen“. Dass die Richterbank als „befangen“  bezeichnet,    außerdem für  „zu blöd“ gehalten wurde, um  die Komplexität der Hintergründe zu  durchschauen,  erscheine ihr  als „Hilfslosigkeit“ der  Anwälte, so die Kammervorsitzende. Und das Verlesen von Chats, betont Loos,  sei  in  Strafverfahren  durchaus gängig  und keineswegs,  wie vorgeworfen, einem „Schauprozess“ geschuldet.

Festnahme auf Mallorca

Weil bereits während  der Beweisaufnahme  der   angeklagte Vorwurf des Betrugs  fallengelassen worden ist,  basiert die Verurteilung im Wesentlichen auf  beschönigende   bis  irreführende Bewerbungen  kanadischer  Billigaktien mit dem Ziel, deren  Wert  für  eine gewinnbringende Vermarktung künstlich hochzutreiben.  Aus der mündlichen Urteilsbegründung geht hervor: Für die   Wirtschaftsstrafkammer  haben die jeweils „falschen“ Disclaimer“ , die als   Aufklärungshinweise vorgeschrieben sind,   eine zentrale Rolle gespielt.  Wie die Vorsitzende Richterin ausführt,  seien Anleger über  Interessenskonflikte „völlig“ im Unklaren gelassen worden. Beispielsweise darüber,  in welchem Umfang die vermeintlich neutralen  Bewerber   selbst  Aktien gehalten haben.  Die Richterin  befasst sich mit dem Argument der Verteidigung, dass ja ein kompetenter Jurist  mit dem Ausarbeiten der Disclaimer beauftragt worden ist. Die   Kammer sei  freilich zu dem Schluss gekommen, dass  der beratende Anwalt  von den  Angeklagten ganz bewusst  nur teilweise über das  Geschäftsmodell aufgeklärt worden ist und somit gar keine Transparenz umsetzen  konnte.  

Bei  der Strafzumessung   sei berücksichtigt worden, dass  alle  drei Angeklagten  nicht vorbestraft sind, Familien haben  -   und  dass  bei  Pennystocks  jeder Anleger um die Risiken wisse.   Die Kammer, die „hohe kriminelle Energie“  sieht, hat  die   ehemaligen Geschäftspartner im Alter von   Mitte  bis Ende Dreißig     wegen gewerbs- und bandenmäßiger  Marktmanipulation verurteilt – und zwar in Zusammenhang mit dem Verkauf von  Billigaktien, die neun unterschiedliche   kanadische Gesellschaften ausgegeben haben.

Die höchste Gefängnisstrafe  bekommt der in Mallorca festgenommene Finanzakteur, der als „Kopf“  der Gruppe gilt – nämlich  sechs Jahre und  zwei Monate. Außerdem  wird eine Vermögensabschöpfung von 37,1 Millionen Euro angeordnet. Fünf Jahre sieben Monate lautet  die Haftstrafe  bei  einem Ex-Mitarbeiter eines nordbadischen Finanzamtes,   der damit  den Beamtenstatus verliert. In seinem Fall   sollen 19,4 Millionen Euro  eingezogen werden.  Jener   Angeklagte, der  mit einem Geständnis  kurz  vor Prozessbeginn auf freien Fuß kam, erhält   eine Haftstrafe von vier Jahren neun Monaten. Bei ihm  sollen  12, 5 Millionen abgeführt werden. Bei allen drei Angeklagten ordnet  das Gericht  außerdem das Einziehen von  Aktien an. . Und die  beiden  Gesellschaften mit Sitz in Heidelberg  und Waldorf, über welche die Drei ihre Geschäfte abwickelten, werden als sogenannte Einziehungsbeteiligte mit  einer Abschöpfung von  5,9 beziehungsweise 6,8 Millionen Euro  belegt.

Die Strafkammer  hat angeordnet,  dass  jene beiden Angeklagten, die bereits seit  über zwei Jahren in Untersuchungshaft sitzen, aufgrund des Urteils  auch weiterhin im Gefängnis bleiben.  Die Parteien haben eine  Woche Zeit, Revision einzulegen.

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