Mannheim. „Gastroangefixt“ – so umschreibt Norbert Dobler die Leidenschaft für ein Metier, das ihn schon als Schuljunge im Betrieb seines Onkels faszinierte. Rund 50 Jahre später und nach einer dreijährigen Übergangszeit lässt sich der Meisterkoch nun nur noch sporadisch in seinem sternegekrönten Gourmetlokal in der Schwetzingerstadt blicken. Bereits 2022 hatte er das „Dobler’s“ an seinen ehemaligen Sous-Chef Eric Schumacher übergeben, dem er bis zum Anfang dieses Jahres in vielen Belangen den Rücken freihielt. Zeit für einen Rückblick auf vier Jahrzehnte gespickt mit skurrilen Geschichten, lustigen und traurigen Momenten, berührenden menschlichen Begegnungen. Und auf einen Job, der für den 64-Jährigen stets ein Traumberuf war.
Um so schwieriger fällt der Abschied. „Ich glaube, das ist bei mir noch gar nicht richtig angekommen“, erzählt der aus Überlingen am Ried stammende Spitzengastronom lachend: „Noch fühlt es sich einfach wie Urlaub zu Hause an.“ Apropos Ferien: In denen reifte einst der Traum vom eigenen Lokal. Denn da half der damals 13-Jährige am liebsten im „Adler“ mit, dem Restaurant seines Onkels in Radolfzell. Was den Teenager daran so begeistert hat? „Der wuselige Betrieb in der Küche, die tolle Stimmung, wenn die Leute sich zum Essen treffen.“ Es sei schwer zu beschreiben: „Entweder der Funke springt über – oder nicht.“ Und gefunkt hatte es bei Norbert Dobler längst, als der gerade mal 15-Jährige mit Feuereifer eine Ausbildung zum Koch anfing. Doch trotz aller Verbundenheit zur gutbürgerlichen „Adler“-Küche träumte er schon damals von einer Sternegastronomie und modernen Techniken. Die fand er im Münchner „Alois Dallmayr“ und im „Deidesheimer Hof“. 1987 eröffnete er zusammen mit seiner damaligen Frau Gabriele das „Dobler’s Restaurant L’Epi d’Or“ in Mannheim. Dort hielt er seit 2001 einen Michelin-Stern fest im Griff. Eine Tradition, die auch Eric Schumacher seit 2022 fortsetzt.
Wundervolle Geschichten, mit denen sich Bücher füllen lassen
Was er mit seinem Team in dieser Zeit alles erlebt hat, damit ließen sich sicherlich Bücher füllen. „Locker“, versichert der Gourmetkünstler amüsiert. Da war beispielsweise dieses Ehepaar, die sich beide samt einem Seitensprung eingebucht hatten. „Wir dachten, in getrennten Räumen wird das sicherlich gut gehen.“ Anfangs lief auch alles problemlos, doch dann suchten sowohl der Sohn, den die Mutter zu ihrem Date mitgenommen hatte, als auch der Familienvater zufällig zeitgleich ein stilles Örtchen auf. Und so kam es auf der Herrentoilette zu dem legendären Satz: „Papa, was machst du denn hier?“
Auch in Erinnerung an folgende Anekdote schüttelt der Gastronom heute noch den Kopf. „Wir hatten eine geschlossene Gesellschaft. Und damals gab es noch keine schnurlosen Telefone. Und so musste ich an der Theke eine Bestellung aufnehmen.“ Doch es war so laut, dass er den Namen des Kunden nicht verstand. „Nachdem ich zweimal nachgefragt hatte, war es mir peinlich.“ Und so griff er zu einer vermeintlichen List und bat den Gast, den Namen zu buchstabieren. Der erwiderte verdutzt: „Das ist mir aber auch noch nie passiert, dass ich Müller buchstabieren muss.“ Eine Geschichte, über die der Koch und sein späterer Stammgast heute noch lachen.
Den Küchenhelfer aus der Beugehaft geholt
„Und einmal musste ich einen Mitarbeiter bei der Polizei auslösen.“ Was hatte der denn ausgefressen? Nun, nichts wirklich Schlimmes. „Ordnungswidrigkeiten halt.“ Die allerdings nie beglichen wurden und sich auf stolze 2500 Euro angehäuft hatten. Deshalb rief der Küchenhelfer eines Tages aus der Beugehaft an, dass er nicht kommen könne. „Also bin ich direkt zur Wache gelaufen und hab gesagt: ‚Ich brauche den heute Abend‘.“ Die Beamten hatten ein Einsehen mit dem gestressten Chef, der das Geld vorstreckte und das reuige schwarze Schaf umgehend mitnehmen durfte.
Wundervolle Geschichten rund um Menschen, die einem Gastgeber aus Leidenschaft doch sicherlich fehlen werden? „Für meine Frau Elisa und Freunde koche ich ja immer noch so gut wie jeden Tag und sehr gerne“, berichtet der Ruheständler. Und da er eigentlich ein „Landmensch“ sei, bewohnt er ein renoviertes Bauernhaus in Gönnheim: „Und reite jeden Tag aus, das habe ich auch früher schon immer morgens vor der Arbeit getan.“ Dem Westfälischen Warmblüter Sandi sei Dank.
Eine echte Freundschaft verbindet Norbert Dobler auch mit seinem Nachfolger: „Eric ist dort am richtigen Platz“, lobt er das Kochtalent, das die neue Aufgabe mit „sehr großer Freude“ übernommen hat: „Schließlich kenne ich jeden Stein in diesem Betrieb.“ Eine Oase mit französischer Haute Cuisine zu schaffen, in der sich der Gast wohlfühlt, daran soll sich auch in Zukunft nichts ändern. „Name und Philosophie bleiben gleich“, versichert der 33-Jährige. Bevor er 2013 zum „Dobler’s“ wechselte und dort auf sein „kulinarisches Vorbild“ und einen Ratgeber „in vielen Lebenslagen“ traf, sammelte er im „Restaurant Torschreiberhaus“ in Stadthagen, im „Atoll Ocean Resort“ auf Helgoland und im „Restaurant Sieghard“ im Zillertal Erfahrungen.
Seit 2001 funkelt über dem „Dobler’s“ nun schon in Folge ein Michelin-Stern. Wie sieht es mit 2025 aus? Die Vergabe ist ja am 17. Juni. Da lacht der neue Chef: „Wir sind zuversichtlich. Drücken Sie uns die Daumen.“ Sein Mentor tut das ganz gewiss schon jetzt.
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