Mannheim. Bestimmte Arzneimittel werden in Deutschland knapp und sind auch in Mannheimer Apotheken nicht mehr oder nur noch in geringer Anzahl auf Lager. Ibuprofen- und Paracetamolsäfte für Kinder sind derzeit nicht lieferbar, aber auch Elektrolytlösungen zur Behandlung von Durchfallerkrankungen, Asthmasprays und Blutdrucksenker sind Mangelware. Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gibt es bei rund 250 Arzneimitteln Lieferprobleme.
„Ich finde die Lage sehr prekär. Wir bekommen keine Ibuprofen- und Paracetamolsäfte für Kinder mehr. Die Alternative, Zäpfchen mit 75 und 125 Milligramm Wirkstoff, sind aktuell auch nicht mehr lieferbar“, sagt der Inhaber der Mannheimer Collini-Apotheke, Ralf Busch. Er habe gerade noch 250-Milligramm-Benuron-Zäpfchen ergattert - die müssen für die Anwendung bei kleineren Kindern geteilt werden.
Apotheken können fiebersenkende und schmerzstillende Medikamente aber auch selbst vor Ort herstellen. „Wir haben Grundsubstanzen für die Herstellung von Zäpfchen und Säften bestellt, haben aber nur Paracetamol bekommen, kein Ibuprofen“, sagt Busch. Bisher habe er aber keine Zäpfchen oder Säfte hergestellt. Der Grund: Anstatt rund zwei Euro würde ein selbst hergestelltes Medikament etwa 20 Euro kosten.
Die Kosten für selbst hergestellte Fiebersäfte werden unter bestimmten Voraussetzungen von den Krankenkassen erstattet. Darauf haben sich das BfArM, die Gesetzlichen Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände geeinigt. Ein solcher Fall tritt ein, wenn der Fiebersaft ärztlich verschrieben wurde, die Nichtbeschaffbarkeit des Fertigmedikaments dokumentiert wurde und ein akuter Krankheitszustand des Kindes besteht. Für die selbst hergestellte Rezeptur benötigt die Apotheke ein gesondertes Rezept. Das BfArM empfiehlt deshalb den behandelnden Ärzten, während „der eingeschränkten Verfügbarkeit bei der Verordnung eines paracetamol- oder ibuprofenhaltigen Fiebersaftes jeweils ein separates Rezept auszustellen“.
Erschwerter Arbeitsalltag
Auch für die Erwachsenen wird die Versorgung mit Medikamenten langsam knapper. Bei Nasentropfen deuten sich Engpässe an, was aber an den Behältnissen und nicht an den Wirkstoffen liegen würde. Erste Engpässe gibt es auch bei Antibiotika, bei Blutdrucksenkern wie Bisobrolol, aber auch bei Asthmamedikamenten wie Foster und Salbuhexal. Die Engpässe bedeuten nicht nur eine Versorgungslücke für die Patienten, sondern erschweren auch den Arbeitsalltag in der Apotheke. „Der Tausch von Präparaten, die Rücksprache mit den Ärzten und die Vorbereitung auf die eventuell kommende Selbstherstellung von Arzneimitteln hält uns stundenlang auf“, berichtet Busch.
Elektrolytlösungen wie Elotrans, die Kindern mit Durchfallerkrankungen gegeben werden, um eine lebensbedrohliche Dehydration zu verhindern, sind seit Anfang April nicht mehr lieferbar. Im Juli sei das Medikament einmal zu haben gewesen, berichtet Beate Keller, Apothekerin in der Kurpfalz-Apotheke. „Ich hatte drei 20er-Packungen bekommen, die habe ich aufgeteilt und die Beipackzettel kopiert, weil auf dem Rezept immer zehn Stück stehen. Besser sechs Kinder bekommen ihr Medikament als nur drei“, berichtet Keller von ihrem Notdienst am vergangenen Sonntag.
Dass Elotrans wegen des aktuellen Internet-Hypes unter Jugendlichen ausverkauft sei, kann Keller nicht bestätigen - auf TikTok und Amazon wird das rezeptfrei erhältliche Elotrans als Wundermittel gegen einen Kater angepriesen. Doch das treffe in der Kurpfalz-Apotheke, die fußläufig zu den Studentenwohnheimen in G7, Hafen und dem Partyviertel Jungbusch liegt, nicht zu. Die Rezepte würden ausschließlich vom Kinderarzt in der Nähe verordnet.
Wissenswert für Eltern mit einem an Durchfall erkrankten Kind dürfte eine kanadische Studie sein, die schon 2016 unter anderem im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurde: Mit Wasser verdünnter Apfelsaft statt Elektrolytlösung reiche aus, heißt es dort. Im Hinblick auf die Hospitalisierungsrate und die Häufigkeit von Durchfällen und Erbrechen sei die Apfelsaft-Wasser-Mischung sogar im Vorteil. Laut Autoren stelle Saft deshalb eine echte Alternative zu Elektrolytlösungen dar.
Sparpolitik könnte Ursache sein
Das BfArM macht den Rückzug eines Produzenten und eine Verteilproblematik für die Knappheit verantwortlich. Außerdem sei der Bedarf an Ibuprofen und Paracetamol in diesem Jahr aus unbekannten Gründen überproportional gestiegen. Durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg sind die globalen Lieferketten stark beeinträchtigt, so dass die Wirkstoffe von Arzneimitteln, die aus Kostengründen in einigen wenigen Betrieben in China und Indien produziert werden, nicht rechtzeitig nach Deutschland gelangen.
Die eigentliche Ursache der Medikamentenknappheit könnte demnach mit der Sparpolitik der Krankenkassen zu tun haben. „Das Grundproblem sind die Rabattverträge der Krankenkassen. Vor Jahren wurden die Preise immer niedriger und die Produktion immer mehr ins Ausland verlagert. Dadurch haben wir dieses Problem, das wir nun ausbaden müssen“, verdeutlicht Busch. In Europa würden kaum noch Medikamente produziert. Die Folge sei eine Abhängigkeit. „Ich würde mir wünschen, dass die Produktion nach Europa zurückkommt.“
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