Mannheim. Es gibt kein „Berühren verboten“-Schild - im Gegenteil. Am 4. November wird die Stadtgeschichtliche Ausstellung im Marchivum eröffnet. Dann darf jeder nicht nur auf einer maßstabsgetreuen Kopie des Patent-Motorwagens Nummer 1 von Carl Benz, also des in Mannheim erfunden ersten Autos der Welt, Platz nehmen, sondern auch damit fahren - zumindest virtuell. Nun ist das besondere Ausstellungsstück in der Neckarstadt angeliefert worden.
„Du machst die Bertha“, ermuntert Marchivum-Direktor Ulrich Nieß seine Mitarbeiterin Anja Gillen. Aber die traut sich dann doch nicht, so wie einst Bertha Benz im August 1888 bei der ersten Fernfahrt der Welt mit einem Automobil, sich ans Steuer des Fahrzeugs zu setzen. Also wird es mit vereinten Kräften geschoben und in seinen Platz im Ochsenpferchbunker dirigiert.
Die neue Ausstellung
- Die neue Stadtgeschichtliche Dauerausstellung im Marchvium wird am 4. November eröffnet.
- Vom 5. bis 7. November, jeweils 11 bis 18 Uhr, ist zum Eröffnungswochenende der Eintritt frei. Zudem gibt es kostenfreie Führungen.
- Zudem wird als Teil des Stadt.Wand.Kunst-Projekts Stadtgeschichte in Form einer Graphic Novel an Hauswänden erzählt.
- Die neue Stadtgeschichtliche Ausstellung soll „immersiv“ sein – ein Wort aus der Sprache der Computerspiele, wonach man in eine fremde Welt regelrecht eintauchen kann. Zudem wird sie ohne Vitrinen auskommen, also rein digital sein und damit immer mal wieder aktualisiert und verändert werden können.
- Zum Einstieg gibt es ein interaktives Stadtmodell, an dem man die Veränderungen nachvollziehen kann, dazu viele weitere Mitmach-Stationen sowie was Amüsantes: Die Kurfürsten Johann Wilhelm, Carl Philipp und Carl Theodor unterhalten sich, wer mehr für Mannheim gemacht hat.
Der ist seit März 2018 Sitz vom Marchivum, aber derzeit - wie von Anfang an geplant - wieder Baustelle. Im Erdgeschoss wird bis November die Stadtgeschichtliche Dauerausstellung eingerichtet, bis Frühjahr 2022 dann im ersten Obergeschoss die Dokumentation zur Geschichte des Nationalsozialismus in Mannheim, zu Opfern und Tätern.
„Es wird spektakulär“, verspricht Nieß schon jetzt für den stadtgeschichtlichen Part, der „völlig anders als eine klassische Ausstellung“ laufe - nämlich mit sehr vielen digitalen Elementen. „Wir versuchen, mal alles anders zu machen“, so Nieß.
Ein „genialer Erfinder“
Und einer der Höhepunkte wird das erste Automobil sein. Dass das wirklich in Mannheim erfunden wurde, daran gebe es keinen Zweifel, stellt Michael Plag klar, Mechaniker im Mercedes Benz Classic Center in Fellbach. Gottlieb Daimler sei es um seinen Motor gegangen. Mit der Kutsche, in die er ihn einbaute, „konnte man keine zehn Meter geradeaus fahren“, so Plag. Benz indes sei „wirklich genialer Erfinder“ gewesen, auf den neben der Konstruktion des Fahrzeugs auch die erste Zündkerze zurückgehe. „Ihm ging es um Mobilität“, so Plag. Am 29. Januar 1886 meldete Benz sein „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ zum Patent an und bekam es unter Nummer 37435 vom Reichspatentamt anerkannt. „Das erste Auto der Welt und für uns der Urknall unserer Firma“, so Ralph Wagenknecht, Pressesprecher vom Mercedes-Benz Museum.
Carl Benz hat sein erstes Fahrzeug 1907 persönlich ins Deutsche Museum München gefahren. Zu mehreren Autojubiläen gab es dann Nachbauten, etwa 1986 von Benz-Auszubildenden aus Mannheim und Untertürkheim. Inzwischen seien für Liebhaber, Sammler und Museen weltweit etwa 100 Duplikate gebaut worden - und ein besonderes, digital steuerbares nun für Mannheim. „Wir sind stolz, dass wir hier präsent sein können“, freut sich Wagenknecht. Und laut Michael Plag hat das Mercedes Benz Classic Center-Team diese Version besonders gerne speziell für Mannheim konstruiert, „denn das wird sensationell hier, eine tolle Idee“, schwärmt er.
Damit meint er die Funktion, die das Automodell in der Ausstellung einnimmt. „Man kann es nicht nur bestaunen, sondern erleben, besteigen, erklettern, sich fühlen wie Bertha Benz - man spürt sogar die Erschütterungen, dass es wackelt“, kündigt Daniel Finke an. Mit seiner Firma finke.media gehört er zu der Arbeitsgemeinschaft, die das innovative Ausstellungskonzept realisiert. Dabei sei der Benz-Wagen „ein spannendes Erlebnis, ein Highlight“, so Finke. Wenn Besucher auf dem Fahrzeug Platz nehmen, schicken fünf Projektoren an die drei Wände des Raums Bilder aus dem Mannheim des 19. Jahrhunderts, wobei der Fahrer stets steuern, stoppen und lenken kann.
Raumfüllende Großprojektion
So kann man eintauchen in das Mannheim jener Jahre, als Benz in seiner Werkstatt im heutigen Quadrat T 6,33 seine weltbewegende Erfindung machte. „Es ist eine blühende, unglaublich dynamische Stadt, die sich gerade zum wichtigen Handels- und Industriestandort entwickelt und in der die Bevölkerungszahl extrem zunimmt“, so Anja Gillen, die diesen Teil der Ausstellung zur Geschichte der Mobilität vorbereitet. Gibt es 1880 nur 5100 Mannheimer, so sind es kurz vor dem Ersten Weltkrieg 226 000. Prachtvolle Warenhäuser, herrliche Fassaden, die gerade neu entstandene klingelnd-ratternde Straßenbahn, Planken, Rathaus und den neuen Wasserturm - all das sehen die Besucher der Ausstellung anhand digital aufbereiteter historischer Bilder und Filme, wenn sie sich auf das Automodel setzen und die raumfüllende Großprojektion starten.
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