Finanzen

Mannheims Etat für 2023: Mühsames Ringen bei knappen Kassen

Fast elf Stunden hat der Mannheimer Gemeinderat über den Haushalt 2023 gerungen. Am Ende konnten viele Fraktionen nicht mitgehen. Wir erklären, wofür Geld ausgegeben wird - und was aus dem Mannheimer Flughafen wird

Von 
Timo Schmidhuber und Steffen Mack
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Der Gemeinderat bei den Etatberatungen im Stadthaus. Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie durften dabei auch Mitarbeiter und Journalisten wieder mit in den Ratssaal. © Thomas Tröster

Es ist 20.40 Uhr, als Peter Kurz „für atmosphärisch gute Beratung“ danken kann. Hinter ihm und dem Gemeinderat liegt da ein hartes Stück Arbeit, bis der Haushalt mit den Stimmen von Grünen, SPD und LI.PAR.Tie verabschiedet ist. CDU, Mannheimer Liste (ML), FDP und AfD votieren dagegen. Sie begründen das im Wesentlichen mit zu viel grün-rot-roter Ideologie.

Schon bald nach Sitzungsbeginn um 10 Uhr ist immerhin klar, dass am Flugplatz in Neuostheim festgehalten wird. Grüne und LI.PAR.Tie hatten zuvor mit Anträgen für Aufsehen gesorgt, den City-Airport dichtzumachen. Fliegen sei ökologisch fraglich, außerdem sei der Mannheimer Platz ein dauerhaftes Zuschussgeschäft - die Rede ist von rund 300 000 Euro pro Jahr. Durch fehlende Linienflüge habe er für die Bevölkerung ohnehin keinen Mehrwert. Auf der bürgerlichen Seite des Plenums sorgt diese Argumentation für gehöriges Kopfschütteln. So warnt CDU-Fraktionschef Claudius Kranz, eine Schließung wäre „das völlig falsche Signal. Wir kämpfen hier regelmäßig dafür, dass wir Unternehmen ansiedeln und Arbeitsplätze erhalten“. Volker Beisel (FDP) stichelt, manche Güter könne man halt nicht mit dem Lastenrad transportieren, sondern brauche ein Flugzeug. Holger Schmid (ML) macht sich ebenfalls für den Erhalt stark. Der SPD gehen die Anträge „zu weit“, wie Fraktionschef Thorsten Riehle betont. Er habe schon Interesse an einer „grundsätzlichen Klärung“ zum Nutzen des Flugplatzes. Allerdings müsse man erst mit den Unternehmen sprechen, ob die auch den Flughafen in Speyer nutzen könnten.

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Die Grünen scheitern auch mit dem Versuch, die ab Januar 2024 geplante Bettensteuer auf April 2023 vorzuziehen, um zusätzliche Einnahmen bei der Buga zu gewinnen. Ebenfalls keinen Erfolg haben Anträge von CDU, ML und FDP, auf den Erhalt der Multihalle zu verzichten.

Heizkostenzuschuss fürs Tierheim

Ansonsten ist es bei diesen Etatverhandlungen, wie es zuletzt immer war: Der Gemeinderat beschließt zusätzliche Ausgaben, die insbesondere Peter Kurz auf die Palme bringen. Zu einer Konfrontation zwischen dem im nächsten Sommer aus dem Amt scheidenden SPD-Oberbürgermeister und der grün-rot-roten Mehrheit im Rat kommt es einige Male. Etwa bei der Forderung, das Quartierbüro des Roten Kreuzes in der Schwetzingerstadt mit 50 000 Euro zu unterstützen. „Wir haben ein Ungleichheitsproblem in der Stadt, aber das spielt nicht in der Schwetzingerstadt“, entgegnet Kurz. Bei der Quartiersarbeit müsse man sich auf Stadtteile mit größeren sozialen Problemen konzentrieren. Das sehen die Fraktionen anders, die in der Schwetzingerstadt präventiv arbeiten wollen. Neben Grünen, SPD und Linken votiert auch die FDP für den Zuschuss.

Auf die Vorhaben der Stadtverwaltung draufgesattelt wird unter anderem auch beim Tierschutz. Dafür setzen Grüne, SPD, CDU und LI.PAR.Tie nicht nur eine neue Referenten-Stelle durch, beschlossen wird auch ein Heizkostenzuschuss fürs Tierheim. Dies kritisiert Kurz als „erratisch“. Erstens seien Ausgleichszahlungen an Leistungserbringer Sache der Stadtverwaltung. Zweitens bedeuteten die massiv gestiegenen Energiekosten ein Problem für alle Institutionen und Vereine. Hier nun singulär das Tierheim herauszugreifen, mache keinen Sinn. Darauf erklärt FDP-Fraktionschefin Birgit Reinemund, hier sei sie ausnahmsweise mit dem Oberbürgermeister ganz einer Meinung. Kurz erwidert seufzend: „Ich stelle eine Kerze ins Fenster!“ Da wird im weiten Rund herzlich gelacht. Ansonsten geht es an diesem Tag eher wenig heiter zu. Aber dafür sind die Zeiten und die zu lösenden Probleme wohl auch einfach zu ernst.

Ein emotionales Thema bringen die Grünen auf die Tagesordnung: Sie fordern ein Konzept für ein konsequenteres Vorgehen gegen Falschparker, was dann über Bußgelder auch wieder mehr Geld in den Haushalt bringe. Der zuständige Bürgermeister Christian Specht (CDU) erklärt allerdings, dass von zusätzlichen Einnahmen im Moment keine Rede sein könne. Im Gegenteil: Man befinde sich derzeit bei den Knöllchen-Einnahmen „2,5 bis drei Millionen“ unter dem geplanten Ansatz. Die Gründe: weniger Verkehr in der City durch den Verkehrsversuch und auch weniger Parkplätze wegen der Parklets. Dazu komme, dass man vorhandene Kontrolleur-Stellen nicht besetzen könne. Gerhard Fontagnier (Grüne) sieht anders als Specht noch viele Falschparker in der Stadt. Der Grünen-Antrag für stärkere Kontrollen findet am Ende eine Mehrheit von einer Stimme.

Emotionales Projekt in Wallstadt

Ein nicht weniger emotionales Projekt ist der Neubau eines Kultur- und Sportzentrums in Wallstadt. CDU, ML und FDP fordern, dafür jetzt Geld in die Finanzplanung einzustellen. Kurz weist darauf hin, dass man sich verständigt habe, nur Bauprojekte im Etat aufzunehmen, die bereits in der dritten einer neunstufigen Umsetzungsphase seien. Stufe 3 werde beim Wallstadter Projekt wohl „im dritten Quartal 2024“ erreicht. „Das ist der Planungs- und Zeitbedarf, wie wir ihn mit Blick auf die Marktgegebenheiten im Moment haben“, so Kurz. Auch Grüne und SPD betonen, das Projekt auf jeden Fall umsetzen zu wollen - und mahnen wie das bürgerliche Lager ein schnelleres Erreichen von Stufe 3 an.

AfD gegen Rechtsextremismus?

Für Lacher sorgt Rüdiger Ernst (AfD), als es um den Aktionsfonds gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Muslimfeindlichkeit geht. Seine Fraktion fordert, dass der städtische 120 000-Euro-Zuschuss für den Fonds gestrichen wird. „Auch wir wollen gegen Rechtsextremismus kämpfen“, betont der AfD-Vertreter - und erntet Heiterkeit. Aber der Aktionsfonds sei zu einseitig angelegt. Für eine Streichung stimmt nur Ernsts Fraktion.

Und die OB-Wahl am 18. Juni 2023? Sie spielt an diesem Tag keine erkennbare Rolle, jedenfalls vordergründig. Kurz meint man anzumerken, dass er seinen freiwilligen Verzicht auf eine dritte Amtszeit bei Etatberatungen eher nicht bereut. Riehle, auf den sich führende Sozialdemokraten nach „MM“-Informationen bereits als Kandidaten verständigt haben, bringt sich vielfältig und nicht selten moderierend ein. Bei Grünen und CDU tut sich niemand in einer Weise hervor, die Rückschlüsse auf höhere Ambitionen erlauben würde. Gerade zu auffällig bedeckt hält sich Specht, der unverändert als aussichtsreichster CDU-Bewerber gilt. Aber nun muss der Kämmerer ja erstmals seinen Etat neu durchrechnen.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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