Tradition - Heidi Schwarz sammelt seit mehr als 20 Jahren Christbaumständer

Mannheimerin mit der wohl größten Christbaumständer-Sammlung weltweit

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Die Sammlerin Heidi Schwarz in ihrem Christbaumständer-Zimmer im Mannheimer Stadtteil Vogelstang. © Michael Ruffler

Mannheim. Gut zwei Jahrzehnte ist es her, dass Heidi Schwarz bei einer Freundin alte Christbaumständer mit dicken Altarkerzen als adventliche Wohnungsdeko bestaunte. „Da war es um mich geschehen“, schildert die Vogelstänglerin , wie sie auf die Idee kam, ebenfalls historische Zier-Halterungen für geschmückte Tannenbäume aufzuspüren - erst auf Flohmärkten, später auch im Internet. Die heute 80-Jährige dürfte die weltweit umfangreichste Sammlung an gegossenen, geschmiedeten, geschnitzten, gemeißelten und getöpferten Christbaumständern zusammengetragen haben. Den größten Teil ihrer meist kiloschweren Schätze hat sie zwei Museen überlassen.

Natürlich trennte sich die Sammlerin nicht von all ihren geliebten Christbaumständern - „viele Modelle hatte ich ohnehin mehrfach“. Beispielsweise einst so beliebte „Paradiesgärtchen“, deren feste Grundplatte manchmal mit Laubsägearbeiten, dann wieder mit gusseisernen Ornamenten umzäunt worden sind.

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Eigenes Zimmer für Christbaumständer

Als erstes Prunkstück, für das sie deutlich mehr Geld als die anfänglich üblichen 20 bis 30 Euro ausgab, nennt Heidi Schwarz drei bemalte gusseiserne Engel, die der Baumhalterung trotz des massiven Materials grazile Leichtigkeit verleihen. Zu den von ihr erstandenen Raritäten zählt auch ein Schneemänner-Trio mit bunt lithographiertem Blech. „Solche Arbeiten um 1900 sind häufig wegen Rost weggeworfen worden und deshalb extrem selten.“

Hier lagern die gesammelten Schätze

  • 2019 schenkte Heidi Schwarz der Stadt Mühlacker (nordöstlich von Pforzheim) rund 1300 antike Christbaumständer. Die von ihr gesammelten Schätze sind im Ortsteil Lienzingen in einem aufwendig restaurierten Fachwerkhaus, dem alten Rathaus, zu bewundern.
  • Bis Ende Januar öffnet das weltweit wohl einzige Christbaumständer-Museum jeweils samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr. Eintritt frei. Gruppen-Führungen nach Vereinbarung möglich. Kontakt: Telefon 07041/87 63 25 oder Mail museum@stadt-muehlacker.de
  • Außerdem hat die Mannheimerin dem im sächsischen Gelenau residierenden „Depot“ mit Sammlungen der Schweizer Mäzenin Erika Pohl-Ströher, insbesondere erzgebirgische Volkskunst, 500 ihrer Christbaumständer als Dauerleihgabe überlassen. Allerdings ist das Haus derzeit coronabedingt geschlossen. wam

 

Als die Mannheimerin über tausend Christbaumständer unterschiedlicher Epochen, vorwiegend zwischen 1880 und 1920, erworben hatte, entschloss sie sich zu einem Fotobuch mit hundert besonders schönen beziehungsweise seltenen Exemplaren. Wer in dem 2013 gestalteten Band blättert, staunt, mit welch künstlerischem Anspruch samt Liebe zum Detail eine heute eher von Funktionalität geprägte Halterung früher gefertigt wurde. Und wer ihr „Christbaumständer-Zimmer“ erstmals betritt, weiß gar nicht, wohin zuerst schauen: Weihnachtliche Szenarien mit Himmelsboten, Arabesken in sich verschlungener Pflanzen, Spiellandschaften mit Zwergen, Krippen im Miniaturformat, Jugendstil-Ornamente und Art-Deco-Geometrie ziehen den Blick auf sich. Gusseiserne Exponate dominieren, häufig mit anderen Materialien und Zusatzdekor angereichert: Beispielsweise füllt ein Raffael-Engel als Medaillon das Innere einer im Jugendstil gestalteten Blüte.

Oft schwierige Zuordnung

Beliebtheit erfreuten sich vor hundert und mehr Jahren üppige Ziermotive verknüpft mit adventlichen Texten. Und so huldigen wunderbare Rosen, mal golden, dann wieder knallrot, dem Weihnachtslied „ Es ist ein Ros entsprungen“. Die Holler‘sche Carlshütte, die in Norddeutschland eigentlich Dampfmaschinen produzierte, bevorzugte für ihr Saisonprodukt hingegen die Lobpreisung „Ehre sei Gott…“ . Allerdings markierten nur wenige Eisengießereien dereinst ihre Christbaumständer mit Firmenstempel - „was die Zuordnung oft sehr schwierig macht“, so Heidi Schwarz.

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Als die Vogelstänglerin begann, Flohmärkte abzuklappern - „der wichtigste war für mich im bayerischen Pfaffenhofen“ - merkte sie schnell, dass es nur wenig gezielte Christbaumständer-Sammler gab. „Aber Frauen hier stationierter US-Offiziere waren ganz verrückt darauf - so wie auf Schwarzwalduhren.“ Bei Internetrecherchen fiel ihr auf, dass in den USA wunderschöne antike Exponate kursieren. Offenbar haben Auswanderer Erinnerungstücke deutscher Weihnachtsrituale mitgenommen oder in der neuen Heimat nachproduziert. Über das amerikanische E-Bay ersteigerte Heidi Schwarz so einige ihrer Prunkstücke - „manche bei Live-Auktionen, was ganz schön aufregend war“. Im Laufe der Jahre hat sich die Sammlerin auch zu einer Konservatorin entwickelt. Meist galt es, bei gusseisernen Fundstücken aus feuchten Kellern den Unterboden zu entrosten und korrodierte Zierschrauben - häufig kleine Kunstwerke - wieder drehbar zu machen.

Und was hat Heidi Schwarz in Absprache mit ihren zwei Söhnen und drei Enkeln bewogen, den Großteil ihrer wertvollen Sammlung zwei Museen zu überlassen? „Für mich ist Herzensangelegenheit, dass dieses besondere Kulturgut nicht in Vergessenheit gerät und in seiner Vielfalt Menschen erfreut.“

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