„Visionärer Reformer der Psychiatrie“ titelte der „Mannheimer Morgen“ anlässlich des 90. Geburtstages von Heinz Häfner, Wegbereiter und Gründungsdirektor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI). Jetzt ist der Kliniker, Forscher, Wissenschaftler und Autor im Alter von 96 Jahren gestorben.
Im Dezember 2019 besuchte eine „MM“-Journalistin den gebürtigen Münchner mit Mannheimer Karriere in dessen Heidelberger Haus. Bei dem Gespräch für einen Beitrag der Serie „Was macht …?“ beeindruckte, mit welch agilem Geist der damals 93-Jährige die von ihm mitgestaltete Nachkriegsentwicklung seines Faches ausleuchtete. Weil Häfner schon als junger Mann von gedanklichen Einbahnstraßen wenig hielt, studierte er Medizin, Psychologie und Philosophie - mit Doppelpromotion. Dass er zum „Psychiatrie-Rebell“ wurde, kam nicht von ungefähr. Schließlich hat er bis in die 1960er mit erlebt, wie seelisch kranke Menschen bei Unruhe tagsüber in den Schlafsälen großer Verwahranstalten ans Bett gefesselt wurden.
Eigentlich wollte Häfner eine Sozialpsychiatrie, die sich um gemeindenahes Wiedereingliedern von Patienten bemüht, in Heidelberg verwirklichen. „Es gab groteske Widerstände“, berichtete er von Vertretern des Fremdenverkehrs, die dagegen waren - weil im Schlossgarten herumlaufende „Irre in gestreiften Kleidern“ Touristen verschrecken könnten. Hingegen erkannte Mannheims damaliger Sozialdezernent Hans Martini die Vorteile einer psychiatrischen Modelleinrichtung. Knapp zwei Jahrzehnte leitete Häfner das 1975 im Herzen der Quadratestadt eröffnete ZI, das schon bald mit der Weltgesundheitsorganisation kooperierte und internationales Renommee genoss.
Lebenswerk mit 760 Publikationen
Delegationen aller Herren Länder gaben sich bei ihm die Klinke in die Hand. Schließlich galt das Konzept einer gemeindenahen psychiatrischen Krankenversorgung kombiniert mit Forschung und Lehre als wegweisend. 760 Publikationen umfasst sein wissenschaftliches Werk. Dem Enträtseln der Schizophrenie blieb er auch nach der Emeritierung (1994) treu. Seine Bücher schrieb er bewusst laienverständlich: Er wollte dazu beitragen, dass die von Vorurteilen, Furcht wie Unkenntnis geprägte Krankheit besser verstanden wird. Weil Häfner von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften zum Jahrestreffen 2004 um einen „spannenden Vortrag“ gebeten wurde, beschäftigte er sich mit jenem Gutachten früherer Kollegen, einst Irrenärzte genannt, das die Entmachtung des „Märchenkönigs“ Ludwig II legitimierte. Das daraus entwickelte Forschungsprojekt und 2008 erschienene Buch „Ein König wird beseitigt“ sollte für Furore sorgen.
Vielerlei Ehrungen, darunter der Große Verdienstorden der Bundesrepublik, wie hochkarätige Wissenschaftspreise künden von Häfners Verdiensten. Und der heutige ZI-Direktor Andreas Meyer-Lindenberg betont: „ Wir werden sein visionäres Vermächtnis wahren und weiter mit Leben erfüllen.“
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