Mannheim. Dieser Ort ist vielen Menschen in lebhafter Erinnerung. Über die Stunden, die sie mit ihren Liebsten samstags und sonntags auf dem Areal an der Autobahn neben dem Maimarktgelände verbracht haben, erzählen Eltern und ihre großen Kinder Jahre später noch gern. Selbst, wenn es bei dem einen oder der anderen auch mal etwas nervenaufreibender gewesen sein sollte. Aber umso lustiger war der Blick in entgegenkommende Autos, wo hinterm Steuer noch weiter aufgerissene Augen und auf der Beifahrerseite nicht minder dicke Halsschlagadern zu erkennen waren. Doch damit ist bald Schluss. Die Stadt hat den Betreibern zum Jahresende gekündigt, danach wird es in Mannheim - Stand jetzt - keinen Verkehrsübungsplatz für Fahranfänger mehr geben.
Zunächst wird das Areal als Parkplatz während der Bundesgartenschau 2023 gebraucht. Von 14. April bis 8. Oktober sollen Besucher dort ihre Wagen abstellen und in Pendelbusse umsteigen, erwartet werden laut Stadtsprecherin Corinna Hiss pro Tag rund 1700 Fahrzeuge. Und nach der Buga gebe es andere Pläne für das Gelände. Mit Priorität geprüft werde eine Freiflächen-Photovoltaik-Anlage. Mit dem eventuellen Bau eines neuen Fußballstadion für den SV Waldhof an dieser Stelle - aus Sicht der Verwaltung neben der früheren Spiegelfabrik auf dem Luzenberg der einzige dafür theoretisch in Frage kommende Standort - habe die Kündigung des Pachtvertrags nichts zu tun, versichert Hiss.
Widersprüchliche Aussagen
So oder so ist der Frust bei den Pächtern groß. „Das ist unser Baby“, sagt die Seckenheimerin Birgit Vati. Sie und ihr Mann betreiben den Verkehrsübungsplatz seit rund 30 Jahren. Nun fühlen sie sich verschaukelt. Ihnen ist zwar seit eineinhalb Jahren bekannt, dass das Areal für die Buga gebraucht wird. Doch wurde den Eheleuten nach eigenem Bekunden von den Verantwortlichen der Mannheimer Parkhaus Betriebe (MPB) als Eigentümer stets signalisiert, während der Blumenschau finde man womöglich eine Übergangslösung. Und danach könnten sie auf alle Fälle wie bisher weitermachen.
In einem mit 25. August datierten Schreiben der (mittlerweile abberufenen) MPB-Geschäftsführerin an die Vatis steht: „Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass stadtintern geprüft wird, einen neuen Standort für den Verkehrsübungsplatz zu suchen.“ Doch schrieb die Stadtverwaltung bereits am 10. August den Fraktionen von CDU und FDP, die einen Erhalt des Verkehrsübungsplatzes an einem neuen Standort beantragt hatten: Eine vergleichbare Fläche zu ähnlichen Konditionen zu finden, sei unmöglich.
Zu diesem Widerspruch sagt Hiss: „Der MPB war diese Antwort nicht bekannt. Anscheinend gab es eine Überschneidung im Informationsfluss.“ Eine Überprüfung habe ergeben, dass kein Alternativstandort in Frage käme. Eine definitive Zusage für die Zeit nach der Buga hätten die Vatis auch nie erhalten.
Sechs Mitarbeitern gekündigt
Doch damit wollen sich die Betreiber nicht abfinden, das wird beim fast zweistündigen Besuch bei ihnen sehr deutlich. Beide betonen, ihnen gehe es keineswegs ums Geld. Sie hätten mit diversen Tätigkeiten - unter anderem gehörte ihnen eine Fahrschule in Seckenheim - genug verdient. „Ich bin 76“, sagt Hermann Vati. „Ich würde das ohnehin nicht mehr lange machen.“ Aber sie müssten auch an ihre sechs Mitarbeiter denken, denen sie jetzt notgedrungen gekündigt hätten. Und entscheidend sei doch die Verkehrssicherheit: „Fahranfänger, die ihr Auto nicht beherrschen, sind die Unfallursache Nummer eins.“
Einen Platz wie ihren gebe es keinen zweiten in der Region, argumentieren die Vatis. Nicht umsonst kämen die Kunden von weither, manche sogar aus dem Raum Koblenz. Der Verkehrsübungsplatz in Heidelberg-Kirchheim - auf ihn verweist die Stadt in ihrer Antwort auf die CDU- und FDP-Anträge - sei als Ersatz viel zu klein. Betrieben wird der von der Verkehrswacht Rhein-Neckar. Ihr Vorsitzender Reiner Ueltzhöffer bestätigt auf Anfrage, darauf passten nur acht Autos gleichzeitig. Bisher hätten die Kapazitäten ausgereicht. Auch wenn der Mannheimer Übungsplatz mal geschlossen sei - weil er für Maimarkt, Veterama oder große Konzerte als Parkplatz gebraucht werde - und auch einige Kunden von hier gekommen seien. Künftig könne man zwar die Öffnungszeiten wohl noch etwas ausweiten. Aber ob das reiche, sei offen. Er bedauere es jedenfalls sehr, wenn der Übungsplatz in Mannheim geschlossen werde. „Der ist für die Region schon sehr wichtig.“
Auch der ADAC nennt die Schließung „eine sehr schlechte Nachricht“. Derartige Plätze seien „ein immens wichtiger Teil in der Verkehrserziehungsarbeit“, sagt Sprecherin Alexa Sinz. „Hier können Fahranfänger, aber auch Menschen, die lange Zeit nicht hinterm Steuer saßen, in einem Schonraum den sicheren Umgang mit Pkw oder Motorrad üben.“ Die kleineren Verkehrsübungsplätze in Heidelberg oder Bensheim seien sicher nicht für jeden eine Option. „Wir hoffen, dass sich in Mannheim schnell ein Ersatz findet“, so die ADAC-Sprecherin.
Stand jetzt bleibt das ein frommer Wunsch. Falls die Vatis mit ihrem Protest nicht noch Erfolg haben, werden sie ihren Übungsplatz am 18. Dezember letztmals öffnen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Schließung des Mannheimer Verkehrsübungsplatzes ist sehr schade