Welttierschutztag

Mannheimer Tierheim mit Hunden und Katzen voll belegt

Zum Welttierschutztag beklagt der Deutsche Tierschutzbund, bundesweit stünden Tierheime am Limit. Auch in Mannheim können keine weiteren Hunde und Katzen mehr aufgenommen werden

Von 
Steffen Mack
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Kangal Kopi, mit abgeschnittenen Ohren, gilt als kaum noch vermittelbar. © Christoph Blüthner

Mannheim. Wem bei diesem Anblick nicht das Herz aufgeht, der hat keines. Zumindest nicht für Tiere. Zwei knapp drei Monate alte Kätzchen starren mit weit aufgerissenen Augen durch die Glasscheibe nach draußen. Ihr Blick schreit quasi: „Nimm mich mit zu dir nach Hause!“Je näher ihnen „MM“-Fotograf Christoph Blüthner mit der Kamera kommt, desto mehr scheinen sie sich anzustrengen. Schließlich rollen sie miteinander balgend über den Boden, auch das sieht ziemlich putzig aus. Auf dem Schild vor ihnen steht „Fund“, sie wurden also offensichtlich von Frauchen oder Herrchen einfach ausgesetzt.

Auch Schlangen wie diese Boa constrictor landen verstärkt im Tierheim. © Christoph Blüthner

Es sind derzeit auffällig viele Jungtiere im Tierheim. Das liege an Corona, sagt Thomas Gebhardt, Vorsitzender des Mannheimer Tierschutzvereins. Viele Menschen hätten sich im Homeoffice vierbeinige Hausgenossen zugelegt, mit denen sie jetzt im Berufsalltag überfordert seien. Die Folge: „Wir sind mit Hunden und Katzen komplett ausgebucht und können keine mehr annehmen.“ Kleinnager wie Kaninchen landeten ebenfalls vermehrt im Tierheim, so dass auch die Kapazitäten der Einrichtung insgesamt ausgeschöpft seien.

Chronischer Geldmangel

Bundesweit ist die Situation die gleiche. Hinzu kommen die immens angestiegenen Kosten etwa für Energie, unter denen die chronisch finanziell knappen Tierheime besonders leiden. Auch in Mannheim ist man auf private Spenden angewiesen. Ins große Klagelied, das zum Welttierschutztag an diesem Dienstag überall erklingt, will Gebhardt indes nicht miteinstimmen. Es helfe ja nichts, nur das Negative zu sehen. „Irgendwie kommen wir schon über die Runden.“ Sehr dankbar sei er für das Engagement ihrer Ehrenamtlichen, „ohne die geht es nicht“. Weitere Helfer, auch Gassigeher, seien willkommen. Denn bei der Auslastung des Personals befinde man sich ebenfalls an der Kapazitätsgrenze.

Läuft man übers Gelände, schrecken einen ständig Schüsse auf. Das komme von der Jägerschießanlage nebenan, sagt Gebhardt, eine der größten in Deutschland. Für die Hunde in ihren Zwingern mache die jedoch keinen großen Unterschied mehr, „da hat eh fast jeder einen Kläffer neben sich“.

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Riesiger „Kein-Ohr-Pascha“

In der Tat fällt auf, dass beim Anblick der Besucher jeder zweite Hund verzweifelt zu bellen beginnt, während die andere Hälfte eher resigniert vor sich hin zu starren scheint. Als Erstes führt Gebhardt zu einem riesigen Kangal. „Eigentlich heißt er Pascha. Aber wir nennen ihn Kopi.“ Das stehe für „Kein-Ohr-Pascha“, frühere Besitzer hätten ihm die Ohren abgeschnitten. Aus verrückten optischen Gründen? Es sei eher darum gegangen, dass man den Hund im Kampf nicht an den Ohren packen und abwehren könne, vermutet Gebhardt.

Kangals, ursprünglich in der Türkei zur Abwehr von Wölfen und Bären gezüchtete Hirtenhunde, sind nur für erfahrene Halter mit sehr viel Platz geeignet. Die Aussichten, Kopi noch vermittelt zu bekommen, hält Gebhardt für gleich null. „Aber er fühlt sich hier auch wohl.“ Der Rüde sei schon einige Jahre im Tierheim, habe sich an sein geräumiges Gehege mit Holzhütte gewöhnt.

Welttierschutztag

  • Der Welttierschutztag an diesem Dienstag geht zurück auf den Heiligen Franz von Assisi. Der Schutzpatron der Tiere wurde am 4. Oktober 1228 heiliggesprochen.
  • Jedes Jahr nutzen Tierschützer diesen Tag, um auf von Menschen verursachtes Tierleiden aufmerksam zu machen.
  • Diesmal hat der Deutsche Tierschutzbund gemeinsam mit seinen mehr als 740 Mitgliedsvereinen das Leitmotto „Tierheime am Limit“ ausgegeben.
  • Wegen der Überfüllung durch „Corona-Tiere“ und des enorm steigenden Kostendrucks seien die Tierheime in großer Gefahr.
  • Politik und Gesellschaft werden aufgerufen, gemeinsam für die Tierheime einzustehen und deren Überleben zu sichern.

Unter den derzeit 37 Hunden im Mannheimer Tierheim sind neben fünf Herdenschutzhunden auch zehn Listenhunde, im Volksmund Kampfhunde. Früher war ihr Anteil höher, mit dem Auslaufen der Homeoffice-Zeit sind hier auch verstärkt Familienhunde gelandet. Ein mittelgroßer Wuscheliger bettelt einen ähnlich herzzerreißend an wie die anfangs erwähnten Kätzchen. Direkt daneben springt ein mutmaßlicher Kampfhund-Mischling hoffnungsvoll in die Luft und sucht ebenfalls Blickkontakt. Auch süß.

Hunde erstmal kennenlernen

Einen Hund direkt mitnehmen dürften jedoch selbst erfahrene Halter nicht. „Jeder muss erst zwei, drei Mal zum Gassigehen kommen, um zu sehen, ob es beiderseits passt“, sagt Gebhardt. Man schaue sich auch die Wohnsituation der Interessenten an. Dass über 65-Jährige keinen Hund aus dem Tierheim bekämen, sei aber nur ein Gerücht. „Vielleicht gab es das hier früher mal, heute ist das definitiv nicht so.“ Seit einem Jahr ist Gebhardt - als Nachfolger des mittlerweile verstorbenen Herbert Rückert - Vorsitzender des Mannheimer Tierschutzvereins, davor war er zehn Jahre Kassenwart. Beim Rundgang zeigt er auch den Wildtaubenschlag, Volieren und ein Gehege mit zwei Ponys, die ihn mit Huf-Klopfen auf den Holzbalken freudig schnaubend begrüßen.

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Die Abteilung mit exotischen Tieren wie Vogelspinnen, das war schon vor Corona so, wächst auch immer weiter an. Zuletzt ist die Zahl der Schlangen - alle ungiftig - schlagartig von zwei auf acht gestiegen. Eine Erklärung dafür hat Gebhardt nicht. Außer, dass sich offenbar auch hier wieder Menschen vorschnell einen Hausgenossen zugelegt haben, ohne sich vorher mit den Anforderungen richtig auseinanderzusetzen. Traurig, vor allem für die Tiere. Und natürlich für alle Tierfreunde.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen