Mannheim. Hinter Regina Jutz liegt, wie hinter allen Mitgliedern des Gemeinderats, eine arbeitsintensive Zeit. „Irgendwann sollte man nicht mehr auf die Stunden schauen, sonst flippt man aus“, sagt die Grüne über die Haushaltsberatungen. Dass die Kommunalpolitik zum Ende des Jahres noch zehrender ist als zu Beginn, das dürfte bekannt sein. Auch Jutz hat das natürlich gewusst, schließlich hat sie bereits ihre zweiten Verhandlungen geführt.
Dennoch hat sich die Aufstellung des neuen Haushalts besonders angefühlt. War Jutz vor den Beratungen 2022 noch recht neu im Gemeinderat, hat sie in diesem Herbst gemerkt, dass sie von handelnden Akteuren und in Gesprächen anders wahrgenommen werde, sagt sie - als etablierte Kommunalpolitikerin. „Ich habe das Gefühl, jetzt richtig im Gemeinderat angekommen zu sein.“
Einzug in Gemeinderat war zunächst nicht geplant
Dass die Mutter zweier Kinder überhaupt einmal Haushaltsberatungen führt, war zunächst eigentlich nicht unbedingt geplant. In den Monaten vor der Kommunalwahl 2019 wollte sie die politische Idee der Grünen auf der Liste mit aktivem Wahlkampf unterstützen - ohne dabei aber wirklich aussichtsreich platziert zu sein, erzählt sie. Die Sozialwissenschaftlerin schreibt in dieser Zeit noch an ihrer Dissertation über Gesundheitsungleichheiten in Europa. „Der Gedanke, dass ich nachrücken könnte, war noch vage.“
Der Mannheimer Morgen auf WhatsApp
Auf unserem WhatsApp-Kanal informieren wir über die wichtigsten Nachrichten des Tages, empfehlen besonders bemerkenswerte Artikel aus Mannheim und der Region und geben coole Tipps rund um die Quadratestadt!
Jetzt unter dem Link abonnieren, um nichts mehr zu verpassen
Nachdem Mannheims Grüne 2019 einen großen Wahlerfolg einfahren, kommt aber recht bald Bewegung in die Fraktion: Erst wird Dirk Grunert zum Bildungsbürgermeister gewählt, dann Elke Zimmer zur Staatssekretärin im Landesverkehrsministerium berufen. Beide scheiden aus der Fraktion aus.
„Es war dann klar, dass ich die nächste bin, die nachrückt, wenn es Melis in den Bundestag schafft.“ Nach der Bundestagswahl legt auch Melis Sekmen wie geplant ihr Gemeinderatsmandat nieder - und Jutz, die inzwischen ihre Dissertation abgeschlossen hat, rückt im Februar 2022 in die Gemeinderatsfraktion nach.
Politik für Kinder und Jugendliche liegt Regina Jutz am Herzen
Zeit für eine halbe Stelle investiert Jutz, die an der Universität arbeitet, nun in die Kommunalpolitik. Sie habe erst lernen müssen, diese Zeit einzuteilen. „Man kann sich die Woche mit Terminen vollbauen“, sagt sie. „Dann hat man aber noch nicht konzeptionell gearbeitet.“ Ob ihr die Kommunalpolitik nun Spaß macht?
Der Austausch vor Ort, das Gestalten der Stadt, indem Probleme angegangen werden - ja, das mache auf eine gewisse Art Spaß, sagt Jutz. Dennoch greift sie bei dieser Frage auch auf das eher pragmatische Zitat von Ministerpräsident Winfried Kretschmann zurück, das er 2015 Kinderreportern gesagt hat: „Politik macht Sinn, Politik macht keinen Spaß.“
Im Gemeinderat engagiert sich Jutz, die vor 41 Jahren in Memmingen geboren ist und vor 20 Jahren zum Studieren nach Mannheim kam, vor allem in der Kinder- und Jugendpolitik. „Als Erwachsene nimmt es mich mit, wenn Kinder über Dreck in den Stadtteilen klagen.“ Diesen Themen sollten sie sich nicht annehmen müssen.
„Wir müssen doch als Erwachsene dafür sorgen, dass unsere Kinder in einer sauberen Stadt leben.“ Aber auch die Verkehrssituation rund um Schulen liegt Jutz am Herzen, weshalb die fraktionspolitische Sprecherin für Kinder- und Jugendpolitik unter anderem die Beruhigung des Verkehrs vor der Rheinau-Grundschule fordert. Zudem sei Wohnen vielerorts zu teuer. „Wenn schon Kinder und Jugendliche auf Stadtteilversammlungen auf der Rheinau über hohe Mieten sprechen, dann brennt’s.“
Regina Jutz: „Dem Diskurs fehlt der Mittelweg“
Jutz selbst wohnt in der Schwetzingervorstadt. Der „sehr lebenswerte Stadtteil“ habe sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt - sozial wie kulturell. Das Angebot ist breit gefächert. Auch deshalb hat die bayerische Schwäbin hier ihre neue Heimat gefunden. Dreimal sei die Familie in Mannheim bereits umgezogen - immer innerhalb der Schwetzingervorstadt, erzählt Jutz mit einem Lachen, das während dem Gespräch im Café Kult in der Seckenheimer Straße häufiger zu hören ist.
Von der Schwetzingervorstadt aus sei in Mannheim vieles gut erreichbar, genauso findet man auch im Viertel selbst fast alles. „Man bräuchte aus dem Stadtteil gar nicht raus.“ Wenn Jutz dennoch abschalten möchte, dann kann man sie hin und wieder auch mal auf ihrem Fahrrad im Waldpark treffen. „Mir sind die kurzen Wege in der ,Stadt der 15 Minuten’ sehr wichtig.“
Regina Jutz kandidiert auch 2024 wieder
Die Stadt aber steht auch abseits der Kinder- und Jugendpolitik vor großen Herausforderungen. Bibliothek, Klinikum, Klimawandel - vieles kommt auf den Haushalt zu. Man müsse die Stadt eher kurz- als langfristig hitzeresistent gestalten, sagt Jutz, die bei der Kommunalwahl im Sommer für die Grünen auf Platz 9 kandidiert.
„Die vulnerablen Gruppen, die in den nächsten Jahren unter Hitze leiden werden, werden mehr und größer.“ Außerdem verschärft sich die Not an bezahlbarem, teilweise noch nicht gebautem Wohnraum. „Wir müssen Lösungen finden, den Wohnungsdruck in Vereinbarung mit dem Schaffen neuer Grünflächen lösen zu können.“
Schwierige Aufgaben, die den Mitgliedern des Gemeinderats sicherlich wieder die eine oder andere Überstunde abverlangen werden. Vielen Menschen sei bewusst, welchen zeitlichen Aufwand die ehrenamtlich arbeitenden Kommunalpolitikerinnen und -Politiker leisten, ist Jutz überzeugt. Mit anderen könne man dagegen über Politik gar nicht erst sprechen.
„Ich nehme in unserer Diskussionskultur gar keinen Mittelweg mehr wahr.“ Der Diskurs bewege sich oft nur noch in Extremen.„Mir fehlt häufig die Auseinandersetzung, in der man sich auch mal an etwas reiben kann.“ Weshalb die Gesellschaft verlernt hat zu diskutieren? „Ich weiß es nicht“, antwortet Jutz, und man hört Nachdenklichkeit, zum ersten und einzigen Mal im Gespräch vielleicht auch etwas Ratlosigkeit heraus. „Das liegt ja auch immer an beiden Seiten.“
Auch die Kommunalpolitik müsse daraus im kommenden Wahlkampf Schlüsse ziehen. Sei es mit Informationsständen oder über Diskussionsveranstaltungen: „Wir müssen niederschwellige Angebote schaffen, um wieder miteinander ins Gespräch zu kommen.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-mannheimer-stadtraetin-muessen-fuer-eine-saubere-stadt-fuer-kinder-sorgen-_arid,2164442.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html