Herzogenriedbad - Bis zu 3000 Menschen dürfen laut Corona-Verordnung ins Herzogenriedbad – doch erreicht wurde die Obergrenze in den Sommermonaten nie

Mannheimer Schwimmmeister über das trübe Wetter und den Corona-Sommer im Herzogenriedbad

Von 
Till Börner
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Das Wasser immer im Blick - wer im Herzogenriedbad Beckenaufsicht hat, muss stets konzentriert sein. © Till Börner

Das Wichtigste in Kürze

  • Marco Magin ist seit über 20 Jahren Leiter des Herzogenriedbads. Seine täglichen Aufgaben sind sehr vielfältig.
  • Das durchwachsene Wetter der letzten Monate und die Pandemie wirken sich auch auf seine Arbeit aus.
  • Magin beobachtet seit Jahren eine zunehmende Respektlosigkeit mancher Gäste gegenüber dem Personal.
Die Arbeit von Marco Magin findet auch in dunklen Technikräumen statt. © Till Börner

Mannheim. Viel zu beobachten gibt es für Marco Magin nicht. Mit getönter Brille und im knallgelben Hemd steht er am Rande des Nichtschwimmerbeckens und hat eine Gruppe Jugendlicher im Blick. Die Jungs können kaum glauben, dass sie beim Ballspielen auf so gut wie nichts und niemanden Rücksicht nehmen müssen. Außer ihnen befindet sich keine weitere Person mehr im Wasser, also fliegt das blaue Wurfgerät kreuz und quer durch das riesige Becken. Magin lächelt, überlässt die Aufsicht seinem Kollegen und zieht weiter. Nicht alle Augusttage im Herzogendriedbad sind so entspannt wie dieser Mittwochvormittag. Doch das bescheidene Wetter lockt nur wenig Gäste in Mannheims größtes Freibad.

„Das ist ein sehr durchwachsener Sommer“, so Magin. Der Meister für Bäderbetriebe ist seit 1999 Leiter des Herzogenriedbades und kennt seine Gäste: „Die Leute sind unsicher und brauchen grundsätzlich drei Tage Zeit, bis sie begreifen, dass schönes Wetter ist.“ Doch konstant hohe Temperaturen und Sonne gab es in den letzten Wochen selten, sodass sich die Besucherzahl stets in Grenzen hielt. Hinzu kommen Coronabestimmungen, wie das Abstand halten, gesperrte Durchgänge und ein Ticketverkauf, der fast ausnahmslos online stattfindet – alles Dinge, die den Badespaß eher trüben als fördern.

16 000 Gäste im Herzogenriedbad - an einem Tag in den 90ern

Bis zu 3000 Leute dürfen sich in den aktuellen Pandemiezeiten maximal im Herzogenriedbad aufhalten. „An ein oder zwei Tagen in den vergangenen Monaten haben wir an dieser Obergrenze gekratzt, sie aber nie erreicht“, berichtet Magin. Denkt er an die Jahre und Jahrzehnte vor Corona, kann er bei solchen Besucherzahlen nur müde lächeln. Anfang der 90er Jahre, damals war der heute 59-Jährige noch Fachangestellter für Bäderbetriebe, seien an einem Tag rund 16 000 Gäste im Herzogenriedbad gewesen.

Auch die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren in den Sommerferien kostenlos in die vier städtischen Freibäder dürfen, hat keinen Ansturm ausgelöst. Einen Grund sieht Magin auch darin, dass insbesondere viele Familien mit ausländischen Wurzeln die Ferienzeit für ausgiebige Urlaube bei der Verwandtschaft nutzen.

Schwimmfähigkeit bei Kindern nimmt ab

Ein weiterer Punkt, weshalb sich die Gästezahlen in Grenzen halten: In Deutschland können schlicht nicht mehr so viele Menschen schwimmen. Bei den Kindern nimmt Magin häufig eine schlechte Schwimmfähigkeit wahr. Durch die in den vergangenen eineinhalb Jahren zumeist geschlossenen Bäder sei die Situation natürlich noch schlechter geworden. Magin, der im Projekt Schwimmfix aktiv ist, mit dem Grundschülern das Schwimmen beigebracht werden soll, weiß, dass in manchen Mannheimer Grundschulklassen 90 Prozent der Kinder nicht schwimmen können. „Die haben noch nie in ihrem Leben ein Freibad besucht“, erzählt er. Viele Eltern hätten auch gar kein Interesse, dass ihre Kinder das Schwimmen lernen oder gehen davon aus, dass das die Aufgabe des Sportunterrichts sei. „Das ist im Unterricht aber gar nicht möglich“, sagt Magin.

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Die niedrige Besucherzahl im Herzogenriedbad und die moderaten Temperaturen bringen aber auch Vorteile mit sich. Der Stressfaktor für Magin und sein Team ist niedriger als in Vor-Corona-Zeiten. „Das ist ein positiver Aspekt“, so der 59-Jährige, „aber der Werteverlust in der Gesellschaft macht vor Bädern grundsätzlich nicht Halt. Die Respektlosigkeit wächst.“ Ballspielen auf der Liegewiese und das Springen vom Beckenrand gehören zu den harmloseren Ärgernissen, schwieriger wird‘s für das Personal, wenn es mit aggressivem Verhalten, Sachbeschädigungen, Drogen oder Auseinandersetzungen zwischen Personengruppen konfrontiert wird. Dann musste regelmäßig die Polizei hinzugezogen werden. Doch die Einsätze der Ordnungshüter sind laut Magin in diesem Sommer seltener als in den vergangenen Jahren, was auch am Wetter liegen könnte. Sind die Tage heiß und schwül, die Nächte tropisch warm - nämlich nicht kühler als 20 Grad - ist das Frustlevel bei den Besuchern am höchsten. „Dann steigt die Aggressivität“, weiß Magin aus fast vier Jahrzehnten Tätigkeit im Freibad.

Schwimmmeister statt Bademeister

Dass er einst eine Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe absolviert hat, ahnen viele seiner Gäste nicht, wenn sie ihn mit „Bademeister“ ansprechen. Magin korrigiert dann und schlägt „Schwimmmeister“ oder eben „Meister für Bäderbetriebe“ vor. Das fehlende Wissen über den Beruf könnte auch ein Grund für den eklatanten Fachkräftemangel sein. Zudem, so mutmaßt er, seien die Rahmenbedingungen vielleicht abschreckend: Arbeiten in Schichten, am Wochenende und an Feiertagen.

Über Eintönigkeit können sich Magin und seine Kolleginnen und Kollegen hingegen nicht beschweren. Zu ihrem Aufgabengebiet gehören kleine Reparaturarbeiten, der regelmäßige Besuch in den Technikräumen, wo die Wasserqualität überwacht und gesteuert wird, Verwaltungsarbeit und selbstverständlich die Aufsicht am Beckenrand. Soziale Kompetenzen sowie Erste-Hilfe-Kenntnisse und eine gewisse Sportlichkeit sind ebenso Teil des Anforderungsprofils. „Das Berufsbild ist so breit, die eierlegende Wollmilchsau ist nichts dagegen“, sagt Marco Magin, lacht und blickt wieder in Richtung Nichtschwimmerbecken. Dort ist inzwischen Ruhe eingekehrt. Die Jungs haben sich ausgetobt und machen es sich nun auf der nahezu leeren Liegewiese gemütlich.    

Redaktion Redakteur in der Onlineredaktion

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