Bauprojekt

Mannheimer Rheindammsanierung: Bald beginnt die heiße Phase

Bei einem sehr strittigen Bauvorhaben beginnt bald die Einspruchsfrist: Der Rheindammsanierung. Hunderte alte Bäume müssten gefällt werden, um den Erdwall auf Vordermann zu bringen. Dabei gibt es umweltschonende Alternativen.

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Stefanie Ball
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Baumallee auf dem Damm und davor: Hunderte alte Bäume müssten beim Bau eines neuen Erdwalls gefällt werden. © Christoph Blüthner

Mannheim. Wolfgang Proffen wird nicht mehr erleben, wie der Rheindamm in Mannheim saniert wird. Er ist nach Pfingsten gestorben. Kurz vor seinem Tod war er aber noch auf dem Technischen Rathaus, um seinen Einspruch gegen das Bauvorhaben einzulegen. Er schreibt: „Wenn für die Sanierung des Rheindamms hunderte von Bäumen vernichtet werden sollen, erhebe ich hiermit Einspruch!“ Es müsse eine Lösung gefunden werden, die die Umwelt schonender behandle.

Im Juni geht bei Proffen die Antwort ein. Die Stadt schreibt, die Einwendung sei nicht wirksam und bleibe im weiteren Verfahren unberücksichtigt. Der Grund ist simpel: Die Zeit der Einsprüche hat noch nicht begonnen.

© MM-Grafik

Voraussichtlich wird es erst nach den Sommerferien, gegen Mitte September, soweit sein. „Wir werden rechtzeitig darüber informieren, wann und wo Bürgerinnen und Bürger Einsicht in die Unterlagen nehmen und Einwendungen erheben können“, betont Stadtsprecher Kevin Ittemann.

Frist abwarten

Seit mehreren Jahren beschäftigt die geplante Sanierung des rund vier Kilometer langen Dammabschnitts, beginnend beim Grosskraftwerk Mannheim bis zum Stadtteil Lindenhof, Bürger, Anwohner und Politik. Der Vorhabenträger bei dem Projekt, das Land Baden-Württemberg, will einen neuen Erdwall errichten, da das bestehende rund 100 Jahre alte Bauwerk einem Extremhochwasser womöglich nicht mehr standhalten würde. Dafür müssten über 2000 Bäume im Waldpark gefällt werden. Vertreten wird das Land bei dem komplexen Verfahren durch den Landesbetrieb Gewässer und der ist beim Regierungspräsidium Karlsruhe angesiedelt.

Seit Februar liegen, nach einigen Verzögerungen, die Planungsunterlagen aus dem Regierungspräsidium bei der Stadt Mannheim vor. Die ist nämlich für die Genehmigung zuständig und muss nun in einem nächsten Schritt die Unterlagen offenlegen. Damit beginnt die heiße Phase - zumindest aus Sicht derjenigen, die für eine Alternative plädieren: einer Hochwasserschutzwand aus Stahl, auch Spundwand genannt, die in den bestehenden Damm eingelassen würde. Die wäre zwar wohl kostspieliger, der Baumbestand könnte aber zu großen Teilen erhalten werden. Zu den Befürwortern dieser Möglichkeit zählen unter anderem die BIG, die Bürger-Interessen-Gemeinschaft Lindenhof, sowie der 2020 gegründete Verein Initiative Waldpark.

„Wir hoffen, dass - wenn es so weit ist - möglichst viele Bürgerinnen und Bürger ihre Bedenken gegen die vom Regierungspräsidium geplante Sanierung vorbringen“, sagen Sabine Jinschek und Sabine Frey von der Initiative Waldpark Mannheim. Gleichzeitig betonen sie, dass es auch ihr Ziel sei, für größtmöglichen Hochwasserschutz zu sorgen - und den Erhalt der Bäume.

Die BIG argumentiert ähnlich. „Mannheim will klimaneutral werden, da sieben Hektar Wald zu opfern, wäre unpassend“, verweist Ulrich Holl von der BIG auf Mannheims erklärtes Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden.

Tatsächlich nimmt die Stadt in dem Verfahren zwei Rollen ein. Sie ist zum einen Planfeststellungsbehörde, zum anderen Trägerin öffentlicher Belange und in dieser Rolle hat sie im vergangenen Jahr einen Gutachter beauftragt, Ronald Haselsteiner. Der soll Möglichkeiten aufzeigen, vorhandene Bäume auf oder im Nahbereich von neuen oder vorhandenen Dämmen zu erhalten. Dabei soll auch der Einsatz eines statischen Ersatzsystems, „zum Beispiel in Form einer selbsttragenden Spundwand aus Stahl“, geprüft werden.

Eigentlich war geplant, dass, sobald die Unterlagen des Regierungspräsidiums vorliegen, der Gutachter seine Arbeit aufnehmen soll. Das Problem: Wie das Ingenieurbüro Björnsen Beratende Ingenieure, bei dem Haselsteiner in der Geschäftsleitung ist, mitteilt, kann derzeit nicht über ihn verfügt werden. Die Koordinierung des Projekts habe interimsmäßig ein anderer Ingenieur übernommen.

Auf jeden Fall zweites Gutachten

Die Stadt zeigt sich davon überrascht. „Wir werden die neue Situation nun bewerten“, teilt Sprecher Ittemann mit. Zugleich betont er, dass es in jedem Fall ein Gutachten zu alternativen Möglichkeiten einer Dammsanierung geben werde.

Haselsteiner ist für das Vorhaben deshalb von großer Bedeutung, weil er sich seit vielen Jahren mit dem Hochwasserschutz und speziell der Frage beschäftigt, inwieweit Bäume auf Dämmen und Deichen deren Sicherheit beeinträchtigen. In einem Interview mit dieser Zeitung hatte er erklärt, dass bei einer Sanierung mit Spundwänden der bestehende Damm - und die Bäume - erhalten bleiben könnten. Ein Erdbau-Damm sei überdies „sehr verwundbar“.

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Für die Witwe von Wolfgang Proffen steht ohnehin fest: Sie wird das Herzensanliegen ihres verstorbenen Mannes weiter verfolgen. Seinem Brief an die Stadt hatte Proffen ein Gedicht angefügt, darin heißt es: „Jetzt kriegt doch wohl der Letzte mit, dass wir unsere Bäume lieben. Noch sind sie nicht abgeschrieben“.

Freie Autorin

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