Sicherheit - Digitalisierung im Rettungsdienst noch lange nicht umgesetzt / Land verbietet Mannheim eigenes Klinikbetten-Register

Mannheimer Rettungsdienst arbeitet noch mit Fax und Telefon

Von 
Peter W. Ragge
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Blick in die Leitstelle von Feuerwehr und Rettungsdienst. © Markus Proßwitz

Mannheim. Auch wenn es eilt, wenn es um Leben und Tod geht – schnelle Datenübertragung ist beim Rettungsdienst in der Region noch lange kein Standard. Das hat auf Anfrage von Stadtrat Chris Rihm (Grüne) der Geschäftsführer der Integrierten Leitstelle, Christoph Scherer, im Sicherheitsausschusss des Gemeinderats eingeräumt. „Da haben wir eher noch Luft nach oben, ein bisschen mehr als eher“, kommentierte das enttäuscht der Erste Bürgermeister Christian Specht.

Schneller geht inzwischen die Bearbeitung der Mannheimer Notrufe, die auf der Nummer 112 eingehen. Früher nahm sie ein Feuerwehrmann entgegen. Sobald er die Adresse aufnahm und hörte, dass es um ein medizinisches Problem ging, musste er zur Rettungsleitstelle Ladenburg weitervermitteln. Seit im April 2020 die Integrierte Leitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienst in der Hauptfeuerwache in Betrieb gegangen ist, werden von dort sowohl Brandeinsätze und Technische Hilfeleistungen als auch Rettungswagen und Notarzt losgeschickt. „Das spart bis zu eineinhalb Minuten“, so Scherer.

Dabei müsse stets das „nächstgelegene Rettungsmittel“ alarmiert werden, erläuterte Scherer: „Bei einem Notfall in Kirschgartshausen kann das auch der Rettungswagen in Lampertheim sein.“ Dabei hilft ein Computerprogramm mit dem Namen Rescuetrac, mit dem der Standort aller Fahrzeuge automatisch übermittelt wird.

Zwar sehen die Mannheimer Disponenten auch den Status der Fahrzeuge der benachbarten Leitstellen Bergstraße, Vorderpfalz und Rhein-Neckar. Ist einer der Wagen dieser Leitstellen näher am Notfallort, kann er aber nicht von Mannheim automatisch alarmiert werden – der Mannheimer Disponent muss erst bei den dortigen Leitstellen anrufen und um Hilfe bitten. „Das mag rückständig wirken, aber das ist Stand der Technik“, so Scherer. Zwar gibt es Computerprogramme dafür, doch jedes Bundesland nutzt andere Systeme. Man arbeite aber mit den Kollegen zumindest aus Rhein-Neckar und Hessen an einer technischen Lösung.

Ist bei einem Mannheimer Notfall kein Rettungswagen in der Nähe, aber ein – nur für nicht eilige Verlegungsfahrten eingesetzter – Krankentransportwagen, könnte dessen Besatzung zumindest mehr als Erste Hilfe leisten. „Wir sehen, welche Wagen in der Nähe und frei sind, haben aber keinen Zugriff“, so Scherer. Diese Fahrzeuge werden allein von der Leitstelle Ladenburg disponiert. „Wir müssen dann dort anrufen, das wird auch praktiziert.“

Anrufe in Krankenhäusern

Was es bisher auch nicht gibt, ist ein digitaler Versorgungsnachweis – sprich eine automatisch aktualisierte Übersicht über freie Klinikbetten. Zwar habe Mannheim das schon 2017 angeregt und mit den hiesigen Kliniken einführen wollen, „andere Bundesländer wie Hessen hatten das schon zehn Jahre früher“, bemerkte Scherer. Auch in Bremen, Niedersachsen oder München gebe es das, „das wäre ein sinnvolles System gewesen“, sagte er. In Baden-Württemberg sei der Rettungsdienst aber in Selbstverwaltung organisiert, das heißt alleine von Hilfsorganisationen und Krankenkassen bestimmt. Die hätten 2018 entschieden, für Baden-Württemberg ein eigenes System zu entwickeln. „Man hat uns dann im Ministerium freundlich, aber sehr bestimmt aufgefordert, eine Mannheimer Lösung zu stoppen“, so Scherer, „und dann kam Corona.“ Auch auf erneute Nachfrage habe das Land Mannheim „einen Alleingang verboten“. Seit Corona gebe es aber wenigstens ein landesweites Verzeichnis der Beatmungsbetten.

Die Mannheimer Kliniken teilten ihre freien Betten der Leitstelle per Fax mit. Wenn ein Rettungswagen einen Patienten aufnimmt, meldet sich die Fahrzeugbesatzung per Telefon beim Krankenhaus an. „Ein elektronisches System hätte sicherlich Vorteile“, erklärte Scherer – es ist verfügbar, aber nicht eingeführt. Auch darüber kann die Stadt nicht entscheiden.

Redaktion Chefreporter

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