Queeres Leben

Mannheimer Regenbogenempfang: Stolz statt Vorurteil

Haltung, Engagement, Mut: Beim Regenbogenempfang der Stadt Mannheim wurde Tacheles geredet. Warum laut Oberbürgermeister Specht der Empfang so notwendig ist.

Von 
Lea Seethaler
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Beim Regenbogenempfang Mannheim stellten sich die echten Gesichter hinter der Kampagne vor. © Lea Seethaler

Mannheim. „Wir brauchen Haltung! Mehr denn je!“, ruft Janboris Ann-Kathrin Rätz bei der Moderation des Regenbogenempfangs. „Seit ich meine ach so wertvolle Männlichkeit aufgegeben habe, erlebe ich Anfeindungen. Gott sei Dank habe ich noch keine körperliche Gewalt erlebt“, sagt Rätz, läuft um das Rednerpult und klopft symbolisch auf Holz.

Keine Selbstverständlichkeit. Straftaten gegen queere Menschen sind auf dem Höchststand. Rätz hält die Moderationskarten mit Balkendiagramm hoch: „Bundesweit eine Steigerung von mehr als 600 Prozent.“ Beim Regenbogenempfang stand auch deshalb die Sicherheit queerer Menschen im Mittelpunkt.

Christian Specht auf dem Mannheimer Regenbogenempfang: „Wie schön ist unser Rathaus mit dieser Flagge davor“

„Als ich vorhin das Rathaus gesehen habe mit den Regenbogenflaggen, dachte ich: Wow. Wie schön ist unser Rathaus mit dieser Flagge davor“, so Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) bei seiner Rede. Specht hält inne. „Und vor allem, wenn man weiß, dass das Rathaus ein nationalsozialistischer Bau ist.“

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hatte jüngst angeordnet, die Regenbogenfahne aus Neutralitätsgründen nur noch zum Internationalen Tag gegen Homophobie (17. Mai) auf dem Reichstagsgebäude hissen zu lassen – und nicht mehr beim Berliner Christopher Street Day. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte sich hinter den Kurs von Klöckner gestellt. Er sagte: „Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt“, auf das man beliebig Fahnen hisse, und sorgte damit wieder für Diskussionen.

Christian Specht (v.l.) ehrt Lucy-Marie Chwanietz und Noemi Tretter. © Lea Seethaler

In Mannheim betont Specht mit Blick auf die aktuellen politischen Weltlagen, etwa in Ländern wie Ungarn oder Polen, die besondere Bedeutung des Empfangs: „Heute feiern wir nicht nur Vielfalt, sondern machen in Zeiten zunehmender Ressentiments auch deutlich: Queeres Leben gehört in die Mitte dieser Stadt.“

Bei der Veranstaltung wird zudem das zehnjährige Bestehen des Transtreff Mannheim gewürdigt. Er bietet seit 2015 als Selbsthilfegruppe geschützten Raum für trans Personen und Angehörige. Durch Austausch auf Augenhöhe, Selbststärkung und gegenseitigem Unterstützen leistet die Gruppe einen wichtigen Beitrag für Teilhabe und gesellschaftliche Anerkennung, so Specht in seiner Ehrungsrede.

Regenbogenempfang: Transtreff Mannheim ausgezeichnet

„Im Verwaltungsalltag werden in Mannheim für uns Lösungen gesucht, auf unsere Themen wird eingegangen“, sagt Lucy-Marie Chowanietz bei der Ehrung. „Unsere Stimme wird gehört.“ Mannheim sei eine Stadt, die trotz viel Hass und Ausgrenzung in der Welt „einen anderen Weg gehe“, so Chowanietz. „Ich fühle mich hier wohl. Ich habe hier Anschluss gefunden. Mannheim hat mir gezeigt, dass es Städte gibt, die wissen, worauf es ankommt: nämlich auf Vielfalt und Gemeinschaftlichkeit.“ Über den Transtreff sagt Chowanietz: „Wir sind der Ort in Mannheim für Leute, die mal mit sich ins Reine kommen müssen.“

Sophie Glaser, Geschäftsführerin des Vereins Sicherheit in Mannheim führt aus, bei Befragungen kam heraus: Queere Menschen haben in Mannheim ein schlechtes Sicherheitsgefühl, eine hohe Viktimisierungsrate auch in der Dunkelziffer und ein entsprechend starkes Vermeidungsverhalten. Janboris Ann-Kathrin Rätz hält die Moderationskarten mit dem Diagramm der Steigerung der Straftaten und Hasskriminalität wieder hoch: „Was macht man denn, wenn man solche Zahlen sieht, frag’ ich mich da einfach immer.“

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Etwa, was in Mannheim passiert. Hier sind zum Beispiel Polizei, Verwaltung und Politik im Gespräch. Sicherheitsthemen werden etwa auch im „Runden Tisch geschlechtliche und sexuelle Vielfalt“ diskutiert. Auf einem Podium sind sich die Anwesenden beim Regenbogenempfang einig: Es kann ruhig noch mehr und häufiger Austausch stattfinden. Begegnungsräume in und zwischen den Communities sind wichtig. Jonathan, der trans ist, sagt etwa: „Im Netz gibt es auch viele Begegnungsräume. Internetvernetzung kann auch hilfreich sein. Aber ich fand’s cooler, wenn man sich im echten Leben getroffen hat.“

Andrea Chagas López, neue Vorsitzende des Mannheimer Migrationsbeirats, spricht bei der Podiumsdiskussion auch über verschiedene Communities. Sie selbst etwa gehöre der migrantischen wie der queeren an. Sie forderte mehr miteinander, statt übereinander zu sprechen. In Mannheim würden aus verschiedenen Communities Probleme geäußert, und hier sei es wichtig, zuzuhören und zu handeln. Sie betonte auch, dass es ein Problem sei, dass in der aktuellen Zeit oft Ängste und Vorurteile gegen verschiedene Menschengruppen geschürt werden.

Jonathan (v.l.), Janboris Ann-Kathrin Rätz, Sophie Glaser und Andrea Chagas López. © Lea Seethaler

Jonathan sagt bei der Podiumsdiskussion: „Auf dem Land, wo ich herkommen, habe ich mich sicherer gefühlt als in der Stadt. Weil da spricht sich alles rum, da wusste jeder, dass ich trans bin.“ Für Sicherheit im urbanen Raum hat Mannheim jetzt auch eine Kampagne gestartet. Sie heißt „Gemeinsam sicher sichtbar – für die Sicherheit queerer Menschen in Mannheim“ (wir berichteten), und macht als Teil des Projekts „Mannheims Verbündete“ etwa mit Plakaten auf die Sicherheit von queeren Menschen aufmerksam. „Sichtbare Verantwortung ist das stärkste Zeichen, das wir senden können. Die Kampagne ruft uns alle auf, aktiv Verbündete zu sein – in der Verwaltung, bei der Polizei, im Sport, in der Bahn, im Alltag“, so Specht, der sich selbst persönlich an der Kampagne beteiligt.

Sicherheitsbefragung Mannheim um queere Perspektiven bereichert

Wichtiger Meilenstein für die Sicherheit queerer Menschen war auch das Einbeziehen ihrer Perspektive in die Mannheimer Sicherheitsbefragung seit 2020. Die Datenbasis ermöglichte belastbare Erkenntnisse zum subjektiven Sicherheitsgefühl, sagt Specht. Auf dieser Basis wurden in Mannheim verschiedene Maßnahmen umgesetzt, die auch stets weiterentwickelt werden: etwa Workshops zur Selbstbehauptung, Fortbildungen für Polizei und städtischen Ordnungsdienst sowie Infoveranstaltungen. Auch in die bundesweite Datenerhebung und Forschung wurden die Ergebnisse aufgenommen.

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„Nur eine Stadt, in der sich alle sicher fühlen, ist zukunftsfähig“, so der Tenor an diesem Abend. Specht verweist in seiner Rede auf bereits zehn Jahre hauptamtliche LSBTI-Beauftragung in Mannheim und zehn Jahre Mitgliedschaft im Rainbow Cities Netzwerk sowie die Ausrufung Mannheims zum LGBTIQ-Freiheitsraum, die der Gemeinderat 2021 beschlossen hat. Diese Entwicklungen seien Ausdruck einer demokratischen Selbstverpflichtung: „Queere Menschen sollen in Mannheim frei leben und aktiv teilhaben können – ohne Angst vor Diskriminierung und ohne das Gefühl, sich ständig erklären zu müssen.“

Specht betont auch, dass man aktuell das Thema Erstaufnahme und Unterbringung queerer Geflüchteter im Blick habe. „Wir arbeiten an einem Schutzkonzept und hoffen, dass wir es bald umsetzen können“, so Specht. Auch hier wolle Mannheim Vorbild sein und vorangehen, sagte er vor mehr als 200 Besuchern im Florian-Waldeck-Saal.

Mehr Infos zur Kampagne: www.mannheim.de/de/nachrichten/kampagne-queere-sicherheit

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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