Mannheim. Im Mannheimer Stadtteil Rheinau verändert Kunst das Stadtbild. Im Rahmen des Projekts „Right here, Rheinau“ haben Christina Laube und Mehrdad Zaeri, gemeinsam als Duo Souarti, sieben Hausfassaden in poetische Wandgemälde verwandelt.
Die beiden Künstler, die aktuell für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert sind, erzählen mit feinem Strich und zurückhaltenden Farben kleine Geschichten aus dem Alltag. Ihre Werke laden mitten im öffentlichen Raum zum Innehalten ein.
Der erste Schritt in Richtung Kunst auf der Rheinau begann 2019. „Damals kam die erste Anfrage aus Rheinau. Sie hätten so viele große Gebäude und Flächen, aber irgendwie profitieren nur Innenstadt, Jungbusch und Neckarstadt“, erinnert sich Sören Gerold, Geschäftsführer des Kulturzentrums Alte Feuerwache und Gründer von Stadt.Wand.Kunst.
Die Antwort lautete zunächst, dass das Projekt auf fußläufige Kunstwerke ausgelegt sei. Doch die Rheinau ließ nicht locker. Als die VR-Bank und Bürgermeister Thorsten Riehle für den Rheinauer Bunker anfragten, fuhr Gerold zum ersten Mal in den Stadtteil. Dort entdeckte er zahlreiche Gebäude der GBG, ein wichtiger Partner für Stadt.Wand.Kunst. Die Idee, mit nur einem Künstler mehrere Werke zu gestalten, nahm Gestalt an. „Uns ist auf der Rheinau so ein starker Enthusiasmus entgegengeschlagen“, sagt Gerold. Das Duo Sourati, das schon in Mannheim für Stadt.Wand.Kunst-Gebäude gestaltet hat, wurde angefragt – und sagte zu.
Werke in Mannheim-Rheinau unterscheiden sich von denen in der Innenstadt
Den Auftakt machte das Wandbild „ein Fest“ an der zentral gelegenen Relaisstraße. Rundherum entstand ein wachsendes Ensemble urbaner Kunstwerke. Auch kleine Interventionen, sogenannte Vignetten, gehören zum Konzept. „Wir sagen aber nicht, wie viele es sind und wo sie versteckt sind“, erklärt Gerold, „es soll dazu einladen, den Stadtteil zu entdecken.“
Die Kunst auf der Rheinau unterscheidet sich bewusst von den Werken in der Innenstadt. Anders als dort sollen hier Geschichten erzählt werden, sagt Gerold, „nicht knallbunt, sondern farblich zurückgenommen. Nicht laut, sondern leise. Die Rheinau schreit einen ja auch nicht an.“
Mehrdad Zaeri beschreibt die Besonderheit des Projekts: „Hier sind in so einer dichten Form so viele Hausfassaden von uns bemalt, dass es das Gesicht des Stadtteils prägt.“ Die Bilder wirken skizzenhaft, zurückhaltend und erzählen kleine Geschichten. „Große bunte Bilder in einer so dichten Form wären zu aggressiv“, meint Zaeri. Darum habe man sich für leise Bilder entschieden.
Die Reaktionen aus der Nachbarschaft überraschten das Künstlerduo. Sie hätten nicht damit gerechnet, dass die Leute auf der Rheinau so erzählfreudig sind – und sich so sehr freuen, dass Kunst in ihren Stadtteil kommt. „Viele haben gesagt, sie seien stolz, dass Kunst nach Rheinau kommt. Das haben wir noch in keinem anderen Stadtteil gehört.“
Auch die Gespräche vor Ort blieben in Erinnerung. Viele Menschen hätten erstmal nach der Bedeutung gefragt, erzählt Zaeri. „Sie wollten wissen, was wir darin für uns in unserem Leben entdecken. Nach der Erklärung hat dann jemand gesagt, jetzt gefalle es ihm auch.“ Die Künstler berichteten von spontanen Beifalls- und auch Missfallensbekundungen, von Kindern, die beim Malen zuschauten, und von Anwohnern, die ihre Geschichten teilten. Die Wandbilder entstanden direkt vor Ort, unter freiem Himmel, stets begleitet von neugierigen Blicken und offenen Gesprächen.
Der Mural-Spaziergang durch die Rheinau bot Gelegenheit, die Werke aus nächster Nähe zu erleben. Das Künstlerduo sprach über den Entstehungsprozess, die Auswahl der Motive und die Begegnungen mit den Menschen. Die Führung richtete sich besonders an Mannheimer Stadtführerinnen. Sie konnten Fragen stellen, Hintergründe erfahren und sich mit den Künstlern austauschen. Ziel ist es, ab Januar 2026 auch auf der Rheinau offizielle Mural-Stadtführungen anzubieten. In der Innenstadt, im Jungbusch und in der Neckarstadt sind solche Touren bereits etabliert.
Die Rheinau galt lange als kulturell wenig sichtbar. Das Projekt setzt hier bewusst ein Zeichen. Die Wandbilder entstehen nicht in Galerien, sondern direkt an Wohnhäusern, Banken und öffentlichen Gebäuden. Sie sind Teil des Alltags, sichtbar für alle, ohne Eintritt und ohne Schwellenangst.
Bilder der Mannheimer Murals erzählen von Träumereien und Sehnsüchten
Die Auswahl der Motive erfolgt nicht zufällig. Duo Sourati greift Alltagsszenen auf, die berühren, aber nicht aufdrängen. Die Bilder erzählen von Begegnungen, Träumereien und Sehnsüchten. Ein lachendes Baby, das von seinem Vater in die Luft geworfen wird. Ein Reisender auf einer Hausfassade, die einst Flüchtlingsunterkunft war, auf seinem Rücken eine Stadt und, erst beim ganz genau hinsehen, eine Frau.
Die Technik spielt dabei eine zentrale Rolle. Mit feinem Strich und reduzierter Farbpalette entstehen Werke, die sich dem Betrachter nicht aufdrängen. Zaeri spricht von leisen Bildern, die sich dem Rhythmus des Stadtteils anpassen. Die Rheinau sei kein Ort für laute Kunst, sondern für erzählerische Tiefe.
Im Frühjahr 2026 ist das letzte große Mural geplant. Die Idee steht, die Umsetzung hängt aber noch von mehreren Faktoren ab. Ein Kran wäre nötig, um die Arbeiten in luftiger Höhe umzusetzen: Der Kirchturm der Versöhnungskirche soll bemalt werden – sofern Finanzierung und Technik es erlauben.
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