Mannheim. Lautes Geklapper erfüllt den Nebenraum der evangelischen Jugendkirche auf dem Waldhof. Mehrere Kinder sitzen auf dem Boden und wühlen in Kisten, die mit Tausenden bunten Steinen gefüllt sind. „Guck mal, was ich gebaut hab!“, ruft Lara. Die Mannheimer Grundschülerin präsentiert stolz ihren Garten aus Legosteinen. Neben ihr sitzen Ruslan und Lukas, sie bauen ein zweistöckiges Lego-Haus. „Es hat sogar ein eigenes Schwimmbad“, erklärt Ruslan und zeigt auf eine blaue Fläche im Wohnbereich.
Mannheimer KinderVesperkirche: Täglich kommen mehr als 100 Schüler
Der Lego-Raum ist neu bei der KinderVesperkirche - „und das diesjährige Highlight“, sagt Rahel Anne Römer, stellvertretende Leiterin der Mannheimer Initiative, die nun bereits zum 16. Mal stattfindet. Seit dem 4. bis zum 15. Dezember kommen täglich mehr als 100 Schülerinnen und Schüler von verschiedenen Mannheimer Schulen in die Räume der Kirche, um gemeinsam schöne Stunden zu verbringen. Neben einem warmen Mittagessen wurden verschiedene Spiel- und Bastelstationen vorbereitet.
Am vergangenen Freitag sind rund 130 Kinder der Schönau- und der Waldhof-Grundschule bei Römer und ihrem Team zu Gast. „Die Kinder kommen immer klassenweise und in Begleitung ihrer Lehrkräfte zu uns“, erklärt die stellvertretende Leiterin. Von 11 bis 14.30 läuft das Programm in der Jugendkirche.
Mit einem lautstarken „Guten Morgen“ begrüßen die Kinder ihre Gastgeberinnen und Gastgeber und lassen sich von Römer den Ablauf des Tages erklären. Dann heißt es: hinsetzen und sich bedienen lassen. Denn in der KinderVesperkirche werden Essen und Getränke direkt am Platz serviert.
Bei der Mannheimer KinderVesperkirche wird ein Lied mit Tradition gesungen
Bevor sich die hungrigen Kinder auf Pasta mit Linsenbolognese und Beilagensalat stürzen können, steht jedoch zunächst eine gemeinsame Gesangseinlage an - und die hat Tradition. Eckhard Stadler, Musikbeauftragter der Jugendkirche, stimmt mit seiner Gitarre sein eigens komponiertes „KinderVesperkirchen-Lied“ an. Viele Kinder sind nicht zum ersten Mal dabei und entsprechend textsicher. „Seit Beginn der Initiative singe ich jedes Mal das Lied mit den Kindern“, erklärt Stadler. „In vielen Schulen wird es auch danach noch rauf und runter gesungen.“
Die Bewirtung und Betreuung der Kinder übernimmt ein Team aus über 20 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. „Die Mannheimer Firma Volz hat uns zehn Auszubildende ausgeliehen, die uns unterstützen“, so Römer. Dazu kommen sieben Küchenhelferinnen und -helfer sowie mehrere Personen, die den Kindern beim Spielen und Basteln an den Stationen unter die Arme greifen.
Der Aufbau im Innenraum der Kirche ist klar strukturiert: „Links haben wir den Essens- und rechts den Kreativbereich. Hier vorne können die Kinder nach Herzenslust Jutebeutel bemalen und verzieren“, erklärt Römer und zeigt auf einen großen Tisch, auf dem sich einige Bastelmaterialien befinden. Am Tisch daneben warten sternenförmige Anhänger darauf, von den Kindern verziert und anschließend zuhause an den Weihnachtsbaum gehängt zu werden. „Viele Kinder verschenken ihre gebastelten Werke auch zu Weihnachten.“
Heidelberger Kunstpädagogin zu Gast in Mannheim
Zweimal pro Woche ist Susanne Bullacher zu Gast. Die Heidelberger Kunstpädagogin hat buntes Papier und Kreide mitgebracht. An den Wänden hängen verschiedene Weihnachtsmotive, die sie mit dieser Kreide gezeichnet hat - „als Inspiration“, erklärt sie. Viele der Schülerinnen und Schüler hätten jedoch auch eigene Ideen im Gepäck, die sie zu Papier bringen möchten. „Hier ist ein Tannenbaum. Und jetzt male ich noch zwei Menschen, die Schlitten fahren“, erklärt Hannah. Auf dem dunkelblauen Papier vor ihr entsteht eine Winterlandschaft. Das Bild möchte sie ihrer Mama schenken, wenn es fertig ist.
Im Altarraum warten mehrere Spielstationen auf die Teilnehmenden der KinderVesperkirche. Michael Nied vom Mannheimer Spielmobil, ein Projekt der Stadt, hat beispielsweise ein Shuffleboard und ein XXL-„Mensch ärgere dich nicht“ mitgebracht. Zudem gibt es einen Lese-Raum mit einer ehrenamtlichen Vorleserin der Stadt - und den neu geschaffenen Lego-Raum.
KinderVesperkirche: Initiative ist auf Spenden angewiesen
Um diesen Raum realisieren zu können, haben die Verantwortlichen einen Spendenaufruf gestartet. Mit Erfolg: „Das gesamte Lego ist uns in den vergangenen Wochen gespendet worden“, freut sich Römer. Auch die Bücher im Lese-Raum habe ihnen eine Mannheimer Bücherei vermacht. Zudem ist die Initiative auf finanzielle Unterstützung angewiesen: „Unsere gesamte Arbeit ist spendenfinanziert - sowohl von Unternehmen als auch von Privatpersonen“, so die Koordinatorin.
Der Anlass für die jährliche Aktion ist nach Angaben der Verantwortlichen ein trauriger: Jedes fünfte Kind in Mannheim sei derzeit von Armut betroffen. Mit der KinderVesperkirche wolle man auf diesen Missstand aufmerksam machen. Und mehr: „Uns ist es wichtig, dass die Kinder zumindest eine warme Mahlzeit am Tag bekommen“, so Römer. „Deswegen bieten wir zusätzlich jede Woche einen Mittwochstisch an - für alle Mannheimer Kinder, die kommen möchten.“
Natürlich werden die Grundschülerinnen und Grundschüler so kurz vor Weihnachten nicht ohne Geschenk aus der KinderVesperkirche entlassen: „Wir drücken jeder Lehrkraft am Ende noch eine Tüte mit Süßigkeiten in die Hand, die sie dann in den Klassen verteilen können“, sagt Römer zwinkernd.
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