Wirtschaft

Mannheimer Grünen-Stadtrat Rihm kritisiert Aus für E-Autoprämie: „Schädlich für Demokratie“

Nachdem das Wirtschaftsministerium das Aus für die E-Autoprämie abrupt verkündet hat, gibt es Kritik.„Wir können doch so nicht ernsthaft mit Bürgerinnen und Bürgern umgehen", schimpft ein Mannheimer Grünen-Stadtrat

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Sebastian Koch
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Die Bundesregierung hatte vorgesehen, noch bis Jahresende eine Kaufprämie für Neuwagen von bis zu 4500 Euro zu gewährleisten – und strich diese Prämie am Wochenende abrupt und unerwartet. © dpa

Mannheim. Dass es bei einem Autokauf die eine oder andere Unwägbarkeit geben kann, darauf hatten sich Christian T. und Chris Rihm eingestellt. Schließlich handelt es sich um eine größere Anschaffung, deren Finanzierung, gerade bei einem Elektroauto, gut überlegt sein sollte - als End-20-Jähriger und Berufseinsteiger wie Christian, der nur mit Vornamen genannt werden will, genauso wie als Familienvater wie Rihm.

„Mein erstes Auto sollte ein Elektromotor haben“, sagt Christian, der dabei neben dem Umweltschutz die Kaufprämie im Blick hatte. Die wurde im Zuge der Sparpläne im Bundeswirtschaftsministerium nun aber unerwartet beendet - und das über das Wochenende. Er müsse sich den Kauf deshalb nun noch einmal überlegen, sagt Christian. „Wie die Entscheidung zustande kam, vor allem wie kurzfristig sie kommuniziert worden ist, war schon etwas merkwürdig und überraschend.“

Rihm zu Aus der Elektropärmie: "Maximal geladen"

Diese Kritik teilt Rihm. Anders als Christian, der ja noch kein Auto gekauft hat, hatte der Stadtrat der Grünen und stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat vergangene Woche ein Elektroauto gekauft, für das er „restliche Formalitäten“ am Freitag geklärt hatte, um am Montag die Zulassung zu beantragen, erklärt er Anfang der Woche dieser Redaktion.

Am Wochenende aber stoppt das Bundeswirtschaftsministerium die Kaufprämie abrupt. Klar, man müsse sparen. „Aber doch bitte nicht samstags und sonntags, wenn die Zulassungsstelle schon zu hat“, sagt der „maximal geladene und sauere“ Rihm am Montag. „Durch die Ankündigung, mit einem Vorlauf von einem Tag einen sofortigen Stopp der Prämie zu verhängen, fühle ich mich, höflich formuliert, hinters Licht geführt.“

Staatliche Prämie sollte bis Ende 2024 auslaufen

Dem stimmt Christian zu. Natürlich, sagt er, müsse die Regierung nach dem Urteil des Verfassungsgerichts Einsparungen vornehmen und es war ja auch klar, dass die Förderungen für den Kauf von E-Autos absehbar reduziert würden. „Ich bezweifle aber, dass solche Kamikaze-Aktionen Verständnis für die Politik stärken“, meint er.

Der Mannheimer Grünen-Stadtrat Chris Rihm. © Troester

Eigentlich hatte die Bundesregierung vorgesehen, noch bis Jahresende eine Kaufprämie für Neuwagen von bis zu 4500 Euro zu gewähren. Hinzu kam eine hälftige Zulage der Hersteller bis zu 2250 Euro. Zum 1. Januar 2024 sollte die staatliche Prämie auf 3000 Euro gesenkt werden und Ende 2024 auslaufen. All das entfällt nun, nachdem der Bund sein Budget korrigieren musste.

Familienvater Rihm sieht Sommerurlaub in Gefahr

Das sofortige Aus sei für „viele vollkommen unerwartet“ gekommen, sagt Rihm. Wenn er auf den 4500 Euro sitzenbliebe, müsste der Familienvater den Sommerurlaub streichen. „Wir können doch so nicht ernsthaft mit Bürgerinnen und Bürgern umgehen. So ein Verhalten gehört sich schlichtweg nicht - es ist schädlich für unsere Demokratie, gerade in Zeiten, in denen Vertrauen in den Staat immer weiter erodiert“, sagt Rihm. „Ich bin sehr enttäuscht.“

In den vergangenen Tagen ist es schwer, weitere Stimmen zu bekommen. Mehrere Händler in Mannheim sind am Dienstag am Telefon, wenn überhaupt, recht kurz angebunden. Die Ratlosigkeit scheint groß zu sein. Auch mehrere schriftliche Anfragen bleiben bis Mittwochabend unbeantwortet..

Mannheimer Grüne schweigen zu Entscheidung

Auch die Grünen selbst sagen nichts. Danach gefragt, ob der Mannheimer Kreisverband die Verärgerung des eigenen Stadtrats - der bei der Kommunalwahl auf Platz 4 kandidiert - über die Entscheidung des vom Grünen Robert Habeck geführten Bundeswirtschaftsministeriums nachvollziehen kann und wie man das kurzfristige Aus generell bewertet, teilt eine der beiden Sprecherinnen, Tamara Beckh, lediglich mit: „Da es sich hierbei um ein bundespolitisches Thema handelt, das zudem noch in Aushandlung ist, sehen wir uns hier nicht in der Zuständigkeit, uns dazu zu äußern.“

Haben sich auf einen Kompromiss beim Bundeshaushalt 2024 geeinigt: Wirtschaftsminister Robert Habeck (l), Kanzler Olaf Scholz (M) und Finanzminister Christian Lindner. © Michael Kappeler

Die Bundespartei beantwortet eine Anfrage inhaltlich gar nicht. Neben einer Stellungnahme zur Verärgerung des Stadtrats hatte diese Redaktion die Bundespartei gefragt, ob sie weitere Kritik aus den eigenen Reihen erreicht habe und wie sie in der Frage die Stimmung an der Parteibasis wahrnehme. Man bedanke sich zwar für die Anfrage, teilt ein Mitglied der Pressestelle am Dienstag mit. „Mit Blick auf die Kapazitäten“ könne man diese allerdings nicht beantworten.

Einige Autohersteller übernehmen Kaufprämie

Am Dienstag und Mittwoch erklären indes immer mehr Autobauer, die Kaufprämie selbst zu übernehmen. Wer sich in diesen Tagen also einen Neuwagen zulegt, hat je nach Hersteller eventuell doch Chancen auf die volle Förderung.

Auch der Hersteller von Rihms Auto hat das angekündigt, teilt der Stadtrat am Mittwoch mit. Für ihn könne die Sache so positiv enden. „Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich die Kritik am unkoordinierten Vorgehen der Bundesregierung aufrechterhalte.“

Das Verhalten schade auch der Kommunalpolitik. So fürchtet der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen im Gemeinderat, dass auch in der Region „Händler teilweise große Stückzahlen an Fahrzeugen von Herstellern erworben“ hätten - im Vertrauen auf Zusagen der Regierung. „Es scheint so zu sein, dass man die wirtschaftlichen Folgen für Händler hier auch nicht ausreichend bedacht hat.“

Zudem schade das Vorgehen der Umwelt, weil man „sicherlich“ einen Rückgang an Zulassungen für E-Autos verzeichnen werde, und dem Vertrauen in Politik generell. „Eine solche Botschaft kurz vor Weihnachten, in einer insbesondere für Familien schon schwierigen Situation, ist nicht hinnehmbar.“

Christian T. indes beobachtet die Situation. Hatte er sich am Wochenende gedanklich vom Kauf eines E-Autos eigentlich schon verabschiedet gehabt, könnte das Einspringen der Hersteller ihn nun doch zum Kauf bewegen, sagt er am Mittwoch. „Es ist aber ein bisschen Slapstick, was hier gerade passiert.“ (mit dpa)

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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