Tiere

Mannheimer Eichhörnchen-Retter muss nun doch kein Bußgeld zahlen

Der Hausmeister der Mannheimer GBG-Halle hat drei Eichhörnchen-Babys das Leben gerettet. Er päppelte sie mit seiner Familie daheim auf. Und was kam vom Amt? Ein Hinweis auf voraussichtlich mehr als 500 Euro Geldbuße

Von 
Steffen Mack
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Dann wurden die kleinen Nager immer munterer und tollten viel herum. © COSTAS ORFANOUDAKIS

Mannheim. Auf den ersten Rat hätte er vielleicht besser gehört, sagt Costas Orfanoudakis. Weil an der GBG-Halle ein Sonnenschutz defekt war, bestellte der Hausmeister zur Reparatur eine Firma. Die entdeckte in sieben, acht Metern Höhe ein Nest.

Bei näherer Untersuchung stürzte ein Tier in die Tiefe. „Das hatte kaum Fell“ erzählt Orfanoudakis. „Ich wusste erst gar nicht, was das ist.“ Einer der Arbeiter habe gewarnt: „Schmeiß es weg, du kriegst nur Ärger.“ Aber das brachte er nicht übers Herz. Zumal er nie für möglich gehalten hätte, drei Monate später ein Schreiben des Ordnungsamts zu bekommen. Von einem Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz ist darin die Rede - und einer „voraussichtlichen Geldbuße höher als 500 Euro“. Erst in quasi letzter Minute, so viel sei vorweggenommen, bleibt ihm das doch noch erspart.

Anfangs bekamen sie alle drei Stunden mit kleinen Spritzen Milch eingeflößt. © COSTAS ORFANOUDAKIS

Tierzubehör für 200 Euro

An jenem Tag stürzten kurz danach zwei weitere Tiere herunter. Der Hausmeister verständigte die GBG. Die sagte, das seien bestimmt Eichhörnchen. Er solle die Arbeiter sofort stoppen. Orfanoudakis packte die Babys in einen Karton und rief die Feuerwehr. Sie verwies ihn, weil keine akute Lebensgefahr bestand, an die Tierrettung Rhein-Neckar.

Die wollte erst einen offiziellen Auftrag vom Mannheimer Ordnungsamt. Bei dem kam Orfanoudakis in den nächsten Stunden trotz mehrerer Anrufe nicht weiter. Im Nachhinein spricht das Amt auf Anfrage von „einer Kette von Missverständnissen“.

Der Hausmeister hatte jedenfalls Angst, dass die Eichhörnchen-Babys sterben, bevor Hilfe kommt. „Zwei hatten noch nicht mal die Augen offen.“ Er googelte, was er tun könne, und ging einkaufen: Milch, spezielle Spritzen zum Verabreichen, Rotlichtlampe, Decken und, und und. Das alles kostete ihn rund 200 Euro. Dann nahm er die Tiere mit auf die Schönau, wo er mit seiner Frau und sechsjährigen Zwillingstöchtern lebt. „Anfangs mussten wir sie alle drei Stunden füttern, auch nachts.“

Bei der Arbeit auf der Schulter

Wie prima ihnen das Aufpäppeln in den nächsten vier Wochen gelungen ist, davon zeugen unfassbar süße Fotos und Videos. Sie zeigen etwa, wie die kleinen Racker kuscheln, über die Couch toben, auf der Gardine herumspringen. In der vergeblichen Hoffnung, ihre Mutter suche nach ihnen, nahm der Hausmeister sie auch mit zur Arbeit. Dort kletterten sie auf seinem Rücken herum und saßen auf seiner Schulter, wie man es von Papageien bei Piraten kennt.

Doch als sie immer größer wurden und mit Kabel-Nagen begannen, wusste er: Zeit zum Auswildern. „Meine Töchter waren zwar sehr traurig. Aber sie haben verstanden, dass man die nicht in der Wohnung halten kann.“ Also wollte er die Eichhörnchen eines Tages über den Balkon in die Freiheit entlassen.

Fotos und Videos zeigen, wie anhänglich – hier im Wortsinn – die drei Eichhörnchen bei Costas Orfanoudakis und seiner Familie waren. © Costas Orfanoudakis

Erst hätten sie sich sehr gefreut und seien überall herumgetollt, am Gebäude wie auf der Straße, berichtet er. „Doch dann sind die ersten Regentropfen gefallen. Und schon standen sie wieder da und wollten rein.“ Damit sie sich an die Natur wie an die Geräusche draußen gewöhnten - und zum Schutz vor Nachbars Katze - habe er die Tiere nach dem Trocknen in einen Käfig gesteckt und über Nacht auf dem Balkon gelassen. „Am nächsten Tag wollte ich sie dann auswildern.“ Aber davor habe schon die Polizei geklingelt.

Kinder hatten von der Straße aus den Käfig gesehen und die Beamten verständigt. Die beschlagnahmten die Tiere und erstatteten Anzeige. Das Ordnungsamt forderte ihn zur Schilderung des Sachverhalts auf. Das tat er, telefonisch wie schriftlich.

Etwa einen Monat später kam der nächste Brief: Wegen des voraussichtlichen Bußgelds von mehr als 500 Euro könne er nun seine wirtschaftlichen Verhältnisse schildern. Sonst werde die Höhe so festgelegt. Orfanoudakis war fassungslos. „Ich komme aus Griechenland. Wenn dort jemand ein Tier rettet, ist man ihm dankbar. Hier soll ich dafür eine Strafe zahlen?“ Daraufhin hat er sich an den „MM“ gewandt.

Auf Anfrage teilte Stadtsprecherin Désirée Leisner mit, noch sei ja kein Bußgeldbescheid ergangen. „Der Finder der Eichhörnchen wurde bislang erst zum Sachverhalt angehört.“

Kurz vor Erscheinen dieses Artikels erhält Orfanoudakis dann ein Schreiben mit nur einem Satz: Das Verfahren werde eingestellt. „Jetzt bin ich riesig erleichtert“, sagt er. Und er ist sich sicher, dass das Ordnungsamt ein Bußgeld verhängt hätte. Es hatte sich ja trotz seiner Schilderungen bereits nach seinen finanziellen Verhältnissen erkundigt.

Der Hausmeister nahm sie auch mit zur Arbeit in die GBG-Halle. © COSTAS ORFANOUDAKIS

Im Pfälzer Wald ausgewildert

Sehr glücklich sind er und seine Familie auch, was Recherchen über die Eichhörnchen ergaben. Die Polizei brachte die Tiere nach Auskunft von Präsidiumssprecher Philipp Kiefner in eine Auffangstation nach Viernheim. Betreiber Marco Berger kann sich am Telefon gut an die Drei erinnern. „Die waren unfassbar zutraulich. Ständig wollten die schmusen und gestreichelt werden, auch von unseren Kindern.“ Es habe noch einige Wochen und mehrere Versuche gedauert, ehe sie die Nager mit einem großen Käfig im Pfälzer Wald hätten auswildern können.

Davon schickt Berger Fotos und Videos, die Orfanoudakis begeistern: „Man sieht, dass es ihnen gut geht!“ Er will sich die Stelle beschreiben lassen und dort mit Frau und Töchtern mal spazieren gehen.

Zur Vorgeschichte bekam Berger von der Polizei erzählt, die Tiere seien in einem - auch viel zu kleinen - Käfig gehalten worden. Als er nun hört, wie Orfanoudakis wirklich vorging, zeigt er sich sehr beeindruckt. Der Mann habe seine volle Sympathie. „Richten Sie ihm bitte aus: Er hat alles richtig gemacht!“ Nur hätte er an den Käfig ein gut sichtbares Schild hängen sollen: „Achtung! Eichhörnchen werden ausgewildert“, so Berger. Aber ein Bußgeld halte er keineswegs für richtig.

Automatisch „die Mama“

Wenn das Auswildern so schwierig war, waren die Tiere nicht zu zutraulich geworden? „Nein“, sagt Berger. „Das geht gar nicht anders. Wenn Sie ein Eichhörnchen-Baby aufziehen, sind Sie automatisch die Mama.“ Dazu gehöre viel Körperkontakt.

Und was tut Orfanoudakis nun, wenn er wieder mal ein Wildtier an der GBG-Halle findet („Füchse, Hasen, das passiert ständig“)? Dann will er direkt Berger oder andere ehrenamtliche Experten anrufen, „auf keinen Fall mehr die Behörden“.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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