Mannheim. Zwischen der Stadt Mannheim und dem Finanzministerium in Stuttgart kracht es gewaltig. Der Grund: Die Kommune plant bei der Grundsteuer einen höheren Hebesatz, als das Ministerium für Mannheim in seinem am 9. September im Internet veröffentlichten Transparenzregister empfohlen hat. Inzwischen hat es dazu einen Schriftwechsel gegeben, wie beide Seiten bestätigen. Der Städte- und Gemeindetag hat sich auch in diesen Streit eingeschaltet.
Die Fronten sind verhärtet, weil das Finanzministerium und die Mannheimer Stadtverwaltung offensichtlich auf der Basis unterschiedlicher Daten rechnen. Dabei drängt die Zeit. Zum Jahreswechsel tritt die Grundsteuerreform, die das Bundesverfassungsgericht 2018 erzwungen hat, in Kraft. Am 1. Oktober halten Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht und Kämmerer Volker Proffen (beide CDU) ihre Haushaltsreden.
Eigentümerverband Haus und Grund ist skeptisch
Dann wird die Stadtverwaltung dem Gemeinderat auch den neuen Hebesatz für die Grundsteuer vorschlagen. „Natürlich könnte die Stadt Mannheim zusätzliche Einnahmen gut gebrauchen, aber wir werden uns nicht an der Grundsteuerreform bereichern. Deshalb schlagen wir dem Gemeinderat einen aufkommensneutralen Hebesatz vor“, verspricht Bürgermeister Proffen. Will heißen, dass die Stadt ihre Grundsteuereinnahmen nicht erhöhen will. Eine Einschränkung macht der Kämmerer allerdings: „Auf die Abstimmung im Gemeinderat haben wir natürlich keinen Einfluss, er kann da ja auch eine politische Entscheidung treffen.“
Das hofft Andreas Paul, Geschäftsführer von Haus und Grund Mannheim, natürlich nicht. Der Eigentümerverband hat in der Vergangenheit immer wieder eine aufkommensneutrale Gestaltung des Hebesatzes gefordert. Er befürchtet, dass sich die Kommune stattdessen von der Grundsteuer zusätzliche Einnahmen verspricht, weil es ja überall Löcher zu stopfen gibt. „Deshalb begrüße ich es, dass die Stadt schon im Herbst den neuen Hebesatz beschließen will und nicht erst im nächsten Jahr“, sagt Paul.
Der Hebesatz wird sinken – aber um wie viel, ist noch unklar
Das Grundsteueraufkommen würde nach Darstellung des Stuttgarter Finanzministeriums neutral bleiben, wenn Mannheim den aktuellen Hebesatz für Wohn- und Gewerbegrundstücke von 487 Prozent um rund ein Drittel auf 304 bis 336 Prozent senken würde. Sollte die Stadt sich also an den im Transparenzregister genannten Hebesätzen orientieren, würde Mannheim nach Ansicht des Ministeriums – wie vom Kämmerer angekündigt –, keine zusätzlichen Einnahmen erzielen.
Es geht immerhin um zehn Millionen Euro
Also Frage an Volker Proffen: Richtet sich Mannheim nach dem Transparenzregister? „Nein, dieser vorgeschlagene Hebesatz ist für uns nicht nachvollziehbar“, sagt er und begründet dies so: „Wir haben nachgerechnet. Die Stadt Mannheim hat im Jahr 2023 rund 75 Millionen Euro an Grundsteuer eingenommen. Der genaue Betrag wird erst Ende des Jahres im Jahresabschluss bekanntgegeben. Wenn wir uns beim Hebesatz am Transparenzregister orientieren, würden uns im Jahr 2025 rund zehn Millionen Euro fehlen“, sagt Proffen.
Und damit nicht der Eindruck entsteht, dass Mannheim beim Hebesatz trickst, um mehr Steuern einnehmen zu können, verweist er auf ähnliche Fälle: „Wir haben aus Kreisen des Städtetags Baden-Württemberg gehört, dass es mehrere Kommunen gibt, die die genannten Hebesätze für falsch halten.“
Welcher Hebesatz schwebt denn der Stadt Mannheim vor? Proffen äußert sich dazu nicht, die Stadt beruft sich auf die Vertraulichkeit des Schriftwechsels mit Stuttgart und verweist auf das Finanzministerium. Das gibt sich auskunftsfreudiger. Mannheim will demnach den Hebesatz auf einen Wert zwischen 380 und 390 Prozent festlegen. Dann würde die Kommune aber nach Auskunft des Finanzministeriums statt 75 Millionen wie im Jahr 2023 immerhin 85 Millionen Euro einnehmen. Von Aufkommensneutralität könnte deshalb nach den Zahlen des Finanzministeriums keine Rede mehr sein.
„Der Streit zwischen Stadt und Finanzministerium bestärkt mich in meinem Verdacht, dass es den Verantwortlichen in Mannheim vorrangig um eine Verbesserung der städtischen Einnahmesituation geht“, sagt Verbandsgeschäftsführer Paul und legt nach: „Deshalb glaube ich nicht daran, dass der Hebesatz am Ende aufkommensneutral sein wird. Ich habe eher den Eindruck, dass die Stadt den Eigentümern und Mietern Sand in die Augen streuen will.“ Offensichtlich hält Paul den vom Finanzministerium genannten Hebesatz für angemessener als jenen, den die Stadt gegenüber dem Finanzministerium ins Spiel gebracht hat.
Dass die Stadt Mannheim mit gezinkten Karten spielt, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Denn irgendwann wird ja auch mal der Jahresabschluss für 2025 vorliegen. Sollte sich dann herausstellen, dass die Verwaltung die Eigentümer, Mieter und die Stadträte an der Nase herumgeführt hat und sich bei der Grundsteuer über Maßen bedient hat, würde das auf sie zurückfallen.
Städte- und Gemeindetag kritisieren Transparenzregister
Ein solch unkluges Verhalten wäre nicht nachvollziehbar. Vielleicht löst sich der Streit zwischen Stuttgart und Mannheim ja auch noch in Wohlgefallen auf. Laut Ministerium hat dieses bei den von den Finanzämtern erhobenen Daten immer einen Vorsprung vor der Stadt. Diese erhält die Zahlen über den kommunalen Dienstleister ein wenig später. Die Berechnungen des Finanzministeriums sind deshalb nach dessen Darstellung immer etwas aktueller.
Allerdings haben der baden-württembergische Städte- und Gemeindetag das Transparenzregister von Anfang an abgelehnt – mit der Begründung, dass die Kommunen selbstständig anhand der ihnen vorliegenden Daten die neuen Hebesätze ausrechnen könnten. Das mag sein, obwohl das Hickhack zwischen Stuttgart und Mannheim daran zumindest in puncto Schnelligkeit gewisse Zweifel aufkommen lässt.
In der gemeinsamen Presseerklärung der zwei Verbände zum Transparenzregister betonen diese allerdings, dass sie nicht zur aufkommensneutralen Umsetzung der Grundsteuerreform verpflichtet seien. Eine Erhöhung der Grundsteuer zum Ausgleich der kommunalen Haushalte sei nicht ausgeschlossen, „insbesondere in Zeiten ungebremst ansteigenden Ausgaben aufgrund von staatlich zugesagten Aufgaben“. Solche Sätze lassen natürlich bei Verbandsleuten wie Andreas Paul die Alarmglocken schrillen. Auch deshalb wäre es gut, wenn die Stadt Mannheim schnell den Eindruck zurückweisen könnte, dass sie sich bei der Grundsteuer nicht zu ihren Gunsten verrechnet hat. Denn sonst würde sie viel Vertrauen verlieren.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Stadt Mannheim steht bei der Grundsteuer im Wort