Mannheim. Was ist Europa? Diese Frage sei nicht erst seit Beginn des Kriegs und den damit verbundenen Diskussionen zwischen den am westlichsten Ende der eurasischen Landmasse liegenden Staaten gestattet, sondern hat weitaus mehr Dimensionen als nur die Frage nach Krieg und Frieden, die ohne Zweifel einen großen Teil der europäischen Identität ausmacht. Wer ist Europa? Wo steht Europa politisch? Was verbindet und was trennt die Staaten Europas? Ja, was macht uns eigentlich aus?
Auch Clemens Kampmann beschäftigen diese Fragen. „Europa hat viele Facetten“, sagt er. „Die Bedeutung des Begriffs ,Europa’ ist gerade für Menschen, die nicht ganz so politisch interessiert sind, oft nicht klar.“ Von Donnerstag an organisiert der Student der Politikwissenschaft zusammen mit Selin Sener – sie studiert VWL – und fast 80 weiteren Kommilitoninnen und Kommilitonen das Mannheim Forum im Schloss. Unter dem Motto „Europa – Kontinent. Heimat. Staatenbündnis“ erwarten die Studentinnen und Studenten der Universität bis Samstag 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Katarina Barley (SPD), Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, eröffnet die Tagung als Schirmherrin.
Debatten auf Deutsch und Englisch
Eine Veranstaltung für Studentinnen und Studenten im vergangenen Jahr in Mailand sei Initiator für den Programmschwerpunkt gewesen, sagt Kampmann, der als Vorstandsmitglied für Rednerakquise und inhaltliche Konzeption des Forums zuständig ist. Mit Studentinnen und Studenten aus ganz Europa in Mailand zusammenzuarbeiten, die viele unterschiedliche Perspektiven eingebracht hätten, sei faszinierend gewesen. „Die Diskussionen haben gezeigt, dass wir bei der aktuellen politischen Weltlage europäisch denken und handeln müssen, um wettbewerbsfähig zu sein.“
Das allein ist zwar keine neue Erkenntnis. Gleichwohl lässt das Programm, das Podiumsdiskussionen und Workshops bietet, Perspektiven auf die europäische Politik und unser Zusammenleben erhoffen, die in breiter Öffentlichkeit oftmals mehr am Rande als im Mittelpunkt des Diskurses stehen. Europa sei uns zwar geografisch nah, sagt Kampmann. Wirkliche Kenntnisse darüber fehlten aber trotzdem. „Wir wollen Europa vertiefen und zeigen, wie es funktioniert.“ Am Ende der dreitägigen Tagung, wünscht sich Kampmann, solle jeder eine Definition dafür haben, was es heißt, „europäisch zu denken und Europäer zu sein“.
So diskutieren etwa die Leiterin der Abfallwirtschaft Mannheim, Alexandra Kriegel, und der Parlamentarische Staatssekretär im Umweltministerium, Christian Kühn (Grüne), darüber, wie Europa aus dem „Milliardengeschäft Müll“ Rohstoffquellen erschließen und wirtschaftliche Perspektiven mit moralischen Verpflichtungen vereinen könne. Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Pedro Silva Pereira aus Portugal, spricht unter anderem mit Alexander van der Ploeg von der SAP darüber, wie Europa effektive Entwicklungshilfe leisten kann. Und der Mannheimer Bundestagsabgeordnete Konrad Stockmeier (FDP) debattiert auf einem breit besetzten Podium über Energiepolitik zwischen Krieg und Klimaschutz. Drei der sechs Diskussionen finden auf Deutsch statt, die anderen auf Englisch. „Wir wollen möglichst viele Studierende ansprechen, um gesamteuropäisch zu denken“, sagt Kampmann. So soll in Debatten nicht die deutsche Perspektive dominieren, sondern auch die der europäischen Nachbarn berücksichtigt werden. Albin Kurti, Premierminister des Kosovo, beendet am Samstag das Programm. Der Kosovo hat im Dezember die Aufnahme in die Europäische Union beantragt.
Wieder stärker im Fokus
Eine mehrtägige, prominent besetzte Tagung zum Thema Europa zu organisieren, ist eine Sache. Eine kraft- und zeitraubende noch dazu: Die Organisatoren haben neben ihrem Studium monatelang am Programm gearbeitet, das Teilnehmern und Teilnehmerinnen auch Chancen bietet, in Speed-Dating-Formaten und Career Talks mit Unternehmen in Kontakt zu kommen. Wie aber blicken die Veranstalter selbst auf Europa? Gerade das gemeinsame Denken, das Europa wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch konkurrenzfähig halten soll, war nach der Pandemie auch in den vergangenen Monaten in der Ukraine- und Russlandpolitik oft kaum zu erkennen.
„Vielen jungen Menschen ist in letzter Zeit bewusst geworden, dass Europa nicht selbstverständlich ist“, sagt Sener. Kampmann ergänzt, die meisten seiner Kommilitoninnen und Kommilitonen würden auch deshalb motiviert auf Europa blicken. Geschlossene Grenzen und Reisebeschränkungen während Corona sowie die Erkenntnis, dass Frieden in Europa nicht naturgegeben sei, hätten dazu geführt, dass das Thema stärker in den Fokus gerückt sei, meint der Student der Politikwissenschaften. „Junge Menschen nehmen Europa im Moment sehr bewusst wahr“, ist er überzeugt. „Wir sind junge Europäer. Wir wollen Europa erleben und gestalten.“
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