Mannheim. Die warmen Sonnenstrahlen dieses Frühlings auf dem Balkon ihrer nagelneuen Wohnung genießen, davon hatten sie geträumt. Anfang 2020 hat die Familie aus Mannheim sich den Wunsch des Eigenheims erfüllt und den Kaufvertrag für eine Eigentumswohnung im Postquadrat in der Schwetzingerstadt unterschrieben, im Januar dieses Jahres sollten sie dort einziehen.
Drei Monate später leben sie immer noch in ihrer Mietwohnung. Und auch den kommenden Sommer und wohl den Herbst werden sie noch dort verbringen müssen. Ihr Eigentum existiert nur auf dem Papier. Denn das Bauprojekt Postquadrat nahe des Hauptbahnhofs, das neben Wohnungen auch Handelsflächen, Büros und zwei Hotels umfasst, hat sich um mehrere Monate verzögert – mit erheblichen Folgen für alle künftigen Mieter und Eigentümer.
Miete und Bereitstellungszinsen
Im Fall der Mannheimer Familie bedeutet das: weitere Zahlungen von Miete und inzwischen auch Bereitstellungszinsen, die nach einem festgelegten Zeitrahmen für die Raten eines Kredits fällig werden, die noch nicht abgerufen wurden. Auf mehrere Tausend Euro summieren sich die Ausgaben für die Käufer. „Das sind nicht eingeplante Kosten. Zum Glück hatten wir unsere Wohnung noch nicht gekündigt“, sagt der Mann.
Der Projektentwickler Eyemaxx Real Estate aus Aschaffenburg, der auf diesem Teil des ehemaligen Post-Geländes eigenen Angaben zufolge etwa 170 Millionen Euro investiert, bestätigt, dass das „größte Vorhaben der Firmengeschichte“ ins Stocken geraten ist. Als Hauptgrund wird „die Corona Pandemie mit ihren entsprechenden Folgewirkungen wie Arbeitskräftemangel oder Lieferverzögerungen“ genannt.
Was die Käufer mindestens genauso ärgert wie die Zusatzkosten ist die fehlende Gewissheit, wann sie die Wohnung beziehen können. Die Kontaktaufnahme mit dem Bauträger sei schwierig. „Niemand hat einen neuen festen Fertigstellungstermin für dieses Projekt erhalten“, kritisieren sie. „Wie soll man dann wissen, wann wir unsere Wohnung kündigen oder einen Umzug planen sollen?“ Lediglich das vierte Quartal dieses Jahres sei ihnen genannt worden. „Mit jedem einzelnen Wohnungseigentumskäufer finden derzeit Gespräche statt. Der Zeitraum der Übergabe steht bereits fest. Aufgrund des Datenschutzes dürfen wir allerdings keine weiteren Angaben machen“, schreibt Eyemaxx dazu. Auf die Nachfrage dieser Redaktion, ob weitere Verzögerungen zu erwarten sind oder die Käufer der 150 Eigentumswohnungen für den Verzug entschädigt werden, sagt das Unternehmen nichts.
Ungewiss ist die Eröffnung zweier Hotels der Accor-Gruppe – Ibis und Ibis Budget – mit 325 Zimmern. „Der Vertrag mit Accor Invest wurde im gemeinsamen Einvernehmen aufgelöst“, teilt die Eyemaxx-Sprecherin mit. „Für diesen Teil wird eine neue Projektentwicklung aufgesetzt.“ Die Hotelkette dagegen schreibt auf Anfrage, weiterhin „zuversichtlich“ zu sein, „die beiden Häuser im Jahr 2022 als Teil des Accor-Netzwerks eröffnen zu können“.
Handelsflächen in dem Komplex sind ebenfalls noch zu haben, sie werden sowohl zum Kauf als auch zur Miete angeboten. „Über den Vermietungsstand dürfen wir aufgrund der derzeit laufenden Mietverhandlungen keine Auskünfte geben“, heißt es vom Projektentwickler.
Nach Angaben der Käufer ist es am Bau lange „schleppend“ vorangegangen. Blättert man im Exposé, scheint dagegen alles wie geplant zu verlaufen: Darin wird als Termin der Fertigstellung das vierte Quartal 2021 angegeben. Der Käufer ist misstrauisch und vermutet: „Das hat Eyemaxx abgeändert und neu aufgelegt.“ Ganz abwegig ist sein Verdacht nicht: In einer Pressemitteilung von Juli 2017 ist die Eröffnung der Hotels „für das Frühjahr 2019 vorgesehen“. Derzeit zeigt der Komplex zwei Gesichter: Während die Fassade zur Reichskanzler-Müller-Straße nahezu fertig ist, blickt man in der von-Stephan-Straße auf einen Rohbau.
Mehr Aufwand wegen Corona
Das benachbarte, von Diringer & Scheidel gebaute Kepler-Quartier wurde, wie geplant, Ende 2019 fertig. Das war allerdings vor Corona. Seitdem haben sich die Abläufe auf Baustellen verändert. Die Wohnungsbaugesellschaft GBG berichtet auf Anfrage von einem „höheren Organisations- und Personalaufwand für alle beteiligten Firmen“. „In der Folge kommt es zu kleineren Terminverschiebungen, was zudem die Baukosten erhöht“, erklärt Sprecher Heiko Brohm. Trotzdem sei etwa das Neue Technische Rathaus pünktlich fertiggestellt worden.
Die Familie aus dem Postquadrat indes empfindet inzwischen Reue: „Wenn wir gewusst hätten, dass wir solche Schwierigkeiten bekommen, hätten wir die Wohnung nicht gekauft“, sagen sie frustriert. Wie Vorfreude auf die eigenen vier Wände hört sich ihre Aussage nicht an.
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