Kriminalität

Mangelnder Schutz vor sexuellen Übergriffen in Mannheimer Sportvereinen

Eigentlich sollte der Sportverein ein sicherer Ort sein. Doch das ist nicht immer so. Mitglieder, Kinder wie Erwachsene, werden Opfer von Grenzverletzungen und Gewalt. Die Verantwortlichen reagieren nur zögerlich

Von 
Stefanie Ball
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Nach und nach schrumpfte die Mitgliederzahl des Turnerbundes. © dpa

Mannheim. Dass ein Bundesligaspieler des TSV Mannheim Hockey eine Frau vergewaltigt haben soll, hat für große Aufregung gesorgt. Noch ermittelt die Staatsanwaltschaft. Eine Frage aber, die mit dem Fall, unabhängig von seinem Ausgang, zusammenhängt, ist, wie Sportvereine mit sexualisierter Gewalt umgehen und ob entsprechende Schutzkonzepte existieren. Wir haben bei mehreren Mannheimer Sportvereinen nachgefragt – das Ergebnis: Die allermeisten haben keines. Eine der Begründungen: Man habe bislang nicht darüber nachgedacht, weil beim eigenen Verein noch nichts vorgefallen sei.

Für Thorsten Väth, Leiter der Badischen Sportjugend Nord, ist das das falsche Argument. „Sexualisierte Gewalt kann jeden treffen, und kein Verein kann sicher sein, dass in den eigenen Reihen nichts passiert.“ Schutzkonzepte sollen das Risiko, dass sexuelle Gewalt in einer Organisation passiert, mindern. Indem alle Mitarbeiterinnen und Trainer in der Prävention von sexualisierter Gewalt geschult werden, die Eignung von Übungsleitern gewissenhaft überprüft wird, der Verein Werte formuliert, Beschwerdewege festlegt und eine Ansprechperson benennt, an die sich Mitglieder wenden können.

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Ehren- oder Verhaltenskodex ersetzt keine umfassende Prävention

Zwar gelten in vielen Vereinen ein Ehren- oder Verhaltenskodex, den jeder unterschreiben muss und in dem Grundwerte wie Fairplay und Toleranz festgehalten werden. Darüber hinaus besitzen Trainerinnen und Trainer Übungsleiterscheine oder Lizenzen. Eine umfassende Prävention ersetzt das jedoch nicht.

„Ein Schutzkonzept geht weiter. Es gilt für den ganzen Verein und macht intern wie extern deutlich: Sexualisierte Gewalt hat bei uns keinen Platz“, betont Väth. Tatsächlich ist es überdies so, dass Übungsleiterscheine oder Lizenzen keine Pflicht sind, und vielen Ehrenamtlichen, die als Trainerin oder Trainer arbeiten, schlicht die Zeit für solche Fortbildungen fehlt.

Ein Schutzkonzept geht weiter und gilt für den ganzen Verein
Thorsten Väth, Sportfunktionär

Immerhin, es gibt in Mannheim zwei Ausnahmen, zumindest bald: der TSV Mannheim 1846 und die TSG Seckenheim. Bereits seit dem Sommer hat die TSG, bei dem rund 2500 Menschen Mitglied sind, eine Ombudsfrau, Christine Schreiner, die ehrenamtlich und nicht weisungsgebunden gegenüber Vorstand und Geschäftsführung für Mitglieder und Nicht-Mitglieder zur Verfügung steht. Sie ist in erster Linie der „Kummerkasten“ und wird künftig bei Mitgliedern anrufen, wenn die länger nicht zum Sport erscheinen. „Nicht, um sie zu kontrollieren, sondern um nachzuhören, woran es liegt, vielleicht fehlen Lust, Zeit oder gerade das Geld“, sagt TSG-Geschäftsführer Florian Mannheim. Darüber hinaus durchläuft Schreiner beim Sportbund Baden eine Schulung zum Thema sexualisierte Gewalt mit dem Ziel, ein Präventionskonzept im Verein zu implementieren.

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Auch der TSV 1846, der 4400 Mitglieder hat, ist gerade dabei, ein Konzept zur „Prävention sexualisierter Gewalt“ zu erarbeiten. „Primäres Ziel ist es, die Sensibilisierung für das Thema zu erhöhen“, erklärt TSV-Geschäftsführer Christian Berkes. Daneben sollen Barrieren für potenziell betroffene Personen abgebaut werden, indem bisherige Einzelmaßnahmen – Initiativen einzelner Abteilungen etwa – in ein neues, vereinsübergreifendes Konzept einfließen. Umgesetzt werden soll das Konzept im kommenden Jahr. Als Vertrauens- und Ansprechperson sei der Verein aktuell auf der Suche nach einer außenstehenden, dem TSV 1846 nicht nahe stehenden Person oder Institution.

Ziel ist, die Sensibilisierung zu erhöhen
Christian Berkes, TSV Mannheim 1846

Dass klare Anlaufstellen für Betroffene wichtig sind, war im Übrigen ein Ergebnis der im September vorgestellten Breitensport-Studie „Sicher im Sport“. Eine andere, dass Gewalterfahrungen in Sportvereinen keine Einzelfälle sind. Noch im Dezember soll eine auf Baden-Württemberg bezogene Sonderauswertung der Studie veröffentlicht werden.

Freie Autorin

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