Mannheim. Toralf Hauspurg ist hörbar geschockt: „Dass mir so etwas mal passiert, hätte ich nicht für möglich gehalten“, sagt der 58-Jährige. „Mich belastet das natürlich enorm. Das wirft mein ganzes Leben durcheinander“, erklärt der Mannheimer, der in der Neckarstadt-West lebt. Noch, muss man wohl sagen. Denn Hauspurg droht nach eigenen Angaben der Verlust seiner Wohnung – weil sein Vermieter offenbar andere Pläne für das Haus in der Dammstraße 19 unweit des Alten Messplatzes hat. Gentrifizierung ist das Stichwort, das dabei immer wieder fällt: also die Verdrängung einkommensschwächerer Haushalte durch wohlhabendere.
Doch von vorn. Hauspurg zog, so erzählt er es, vor fünf Jahren beruflich bedingt nach Mannheim. Eine kurz zuvor renovierte Wohnung im Dachgeschoss des Mehrfamilienhauses am Neckarufer, 53 Quadratmeter, 435 Euro Kaltmiete: Das habe gut zu seiner Lebenssituation als Single und Selbstständiger gepasst. Dann sei das Haus jedoch verkauft worden, an eine Gesellschaft, die von der bekannten Hausverwaltung Hildebrandt & Hees vertreten wird. Seither ist Hauspurg auf seine Vermieter nicht mehr gut zu sprechen.
„Die Intention dieser Gesellschaft ist es, Kapital zu erwirtschaften“, sagt der IT-Berater. „Und die Methoden sind fragwürdig.“ Es habe plötzlich Probleme mit der Betriebskostenabrechnung gegeben. Einige Mieter seien ausgezogen, ihre Wohnungen modernisiert und zum doppelten Preis neu vermietet worden, behauptet Hauspurg: „Hier findet eine Vertreibung der Altmieter mit dubiosen Methoden statt.“
Auch der 58-Jährige rechnet damit, früher oder später die Kündigung zu erhalten. Denn die Hausbesitzer planen seinen Angaben nach, das Dachgeschoss umzubauen: Aus zwei kleinen Wohnungen und den Speichern aller 25 Mieter solle eine Luxuswohnung werden: mit 200 Quadratmetern Wohnfläche, 75 Quadratmetern Dachterrasse und einem Pool.
„Vorhaben ist unverschämt“
Der Mieterverein ist alarmiert. „Preiswerter Wohnraum soll für Luxus-Wohnen vernichtet werden“, kritisiert Vorsitzender Gabriel Höfle. „Hier wird Verdrängung und der Gentrifizierungsprozess in der Neckarstadt-West sichtbar. Doch in dieser Qualität ist das eine neue Nummer.“ Ob die Mieter Chancen hätten, sich rechtlich gegen das Vorhaben zu wehren, kann Höfle nicht sagen, denn noch sei der Bauantrag der Besitzer nicht genehmigt, infolgedessen auch keine Kündigungen ausgesprochen. Der Vorsitzende kündigt jedoch an: „Als Mieterverein werden wir die betroffenen Mieterinnen und Mieter im Rahmen unserer Möglichkeiten unterstützen.“
Auch das Offene Stadtteiltreffen Neckarstadt ist „entsetzt“ über die Pläne: „Wir werten dieses Vorhaben nicht nur als unverschämt, sondern sehen die Haltung, die wir hinter Hildebrandt & Hees vermuten, erneut als bestätigt“, heißt es in einer Mitteilung. „Ein Unternehmen, das sich bereit sieht, Menschen zu vertreiben, damit jemand einziehen kann, der mehr an Miete zahlen kann, als andere an Monatslohn erhalten.“
Hildebrandt & Hees weist diese Vorwürfe zurück – und verweist auf eine andere Seite dieser Geschichte. Ja, man habe einen entsprechenden Bauantrag gestellt, bestätigt Marcel Hauptenbuchner, der geschäftsführende Gesellschafter. Man wolle das Projekt jedoch nur „eventuell“ und „frühestens in zwei bis drei Jahren“ angehen. „Und wenn es so kommen würde, würde die neue Wohnung von einer Familie aus dem Eigentümerkreis selbst genutzt werden.“
Wohnraum werde jedenfalls nicht vernichtet, erklärt Hauptenbuchner: „Wir haben aktuell dort 80 Quadratmeter Wohnfläche, wir wollen mehr als 250 Quadratmeter daraus machen.“ So könnten künftig fünf statt zwei Personen dort leben.
Die Qualität der Wohnungen sei natürlich unterschiedlich: „Zur Vielfalt gehören aber auch hochpreisige Wohnungen“, sagt der Hildebrandt- &-Hees-Chef. „Sie brauchen alles für ein stabiles Quartier.“ Die Diskussion über das Vorhaben hält er deshalb für „politisch hochgespielt“.
Immerhin seien mit dem Projekt auch eine vernünftige Dämmung und eine Begrünung der Fassade der Immobilie verbunden. Dass die betreffenden Wohnungen erst modernisiert worden seien, weist er zurück: „Da ist mal ein neuer Teppichboden reingelegt und neu gestrichen worden.“ Den Besitzern gehe es jedoch um eine Kernsanierung des etwa 50 Jahre alten Gebäudes samt neuen Fenstern, Leitungen und Böden.
„Stadtteil positiv beeinflussen“
Dass bei den bereits renovierten Wohnungen höhere Mieten verlangt werden, sei völlig normal. Schließlich habe man jeweils fünfstellige Beträge investiert. „Die bessere Rendite haben sie aber vorher gehabt.“
Den Vorwurf dubioser Methoden weist Hauptenbuchner ebenfalls zurück: „Fehler bei der Betriebskostenabrechnung passieren halt mal, das ist relativ normal im Übergangsprozess.“ Die Abrechnungen würden von Dienstleistern erstellt. „Es ist Unsinn, uns das zuzurechnen.“ Und er betont: „Wir wollen langfristig den Stadtteil positiv beeinflussen.“
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