Mannheim. Ein Kaugummi klebt auf dem Pflaster am Mannheimer Paradeplatz. Daneben steht – kaum größer – die „Kaugummipolizei“. Der Verursacher der Verschmutzung reißt die Hände hoch und eine Mitarbeiterin des Ordnungsdienstes zückt den Bußgeldblock. Eine kleine Szene mitten aus der Quadratestadt – klein im wahrsten Wortsinne: Benedikt Hild hat sie mit Miniaturfiguren am Paradeplatz aufgestellt und fotografiert.
Das Bild ist Teil des Buches „Little Mannheim“, das der 24-Jährige veröffentlichen will. Er hat in den vergangenen drei Jahren an vielen Orten der Stadt mit fingernagelgroßen Modellfiguren kleine Geschichten geschaffen. Für den Bildband sammelt er nun Geld auf der Crowdfunding-Plattform Startnext. Dort stellen Kreative ihre Projekte vor, und Leute, denen die Idee gefällt, unterstützen sie über Spenden bei der Finanzierung. Nach gerade mal fünf Tagen hatte Hild sein erstes Ziel erreicht: 3500 Euro, inzwischen sind mehr als 6300 Euro zusammengekommen.
Umzug aus Edenkoben
Als der Wirtschaftsinformatiker 2017 für Job und Studium aus Edenkoben nach Mannheim gezogen ist, suchte er etwas, um die Stadt für sich zu entdecken. Dem Pfälzer fiel ein, dass er vor Jahren mal ein paar Modellfiguren im Miniaturwunderland in Hamburg gekauft hatte – die seitdem ungenutzt herumlagen. So kam ihm die Idee, Mannheim zu seiner Modellfläche zu machen. Schon am ersten Tag in der neuen Stadt entstand das erste Foto: Ein Seniorenpaar in der Straßenbahn sitzt darauf in einer Halteschlaufe.
Inzwischen besitzt Hild rund 500 Figuren. Die Arbeit ist kniffelig. Manchmal reicht eine halbe Stunde, bis die Szene im Kasten ist, manchmal dauert es aber auch vier Stunden. Es ist ein Hobby für die wärmere Jahreszeit, denn bei eisigen Temperaturen fehlt das nötige Fingerspitzengefühl.
Auf seinen Foto-Touren geht auch mal was schief: Bei der Szene mit Adler-Fans vor der SAP-Arena etwa hatte er den Wind nicht bedacht. Leider sorgte die Pyrotechnik im ersten Anlauf nicht wie geplant für ein besonders effektvolles Foto – stattdessen brachte sie die Figuren zum Schmelzen.
Gefräßige Ente
Oft sind nicht nur die Bilder bemerkenswert, sondern auch die Geschichten dahinter. Im Brunnen am Wasserturm wollte eine Ente offensichtlich unbedingt aufs Foto – dann schnappte sie kurzerhand eine Taucher-Figur, um sie aufzufressen. „Rasch bemerkte die Ente, dass mein winziger Darsteller alles andere als gut schmeckte und spuckte ihn wieder aus“, schreibt Hild. Anekdoten wie diese finden sich auch im Buch.
Anfangs zeigte der Künstler seine Werke nur im Fotonetzwerk Insta-gram. Eine Ausstellung in der Stadtbücherei 2018 war ein erster Schritt heraus aus der digitalen Welt. Ein wichtiger: „Im Internet ist die Aufmerksamkeitsspanne kurz, da gibt dir der Betrachter gerade mal zwei Sekunden, selbst wenn ihm ein Motiv gefällt.“ In der Ausstellung blieben die Menschen vor den Bildern stehen, nahmen sich Zeit, etwas darin zu erkennen. Bei einer weiteren Schau bei der Lichtmeile im November merkte er, dass die Betrachter sich auch für die Entstehungsgeschichten interessieren.
Vergangene Woche konnte Benedikt Hild einen Prototypen seines Buches abholen. Bis dahin war einiges zu tun: Er holte etwa Genehmigungen ein, zum Beispiel beim SV Waldhof oder in der Kunsthalle, um an besonderen Orten fotografieren zu dürfen. Er layoutete das Buch selbst, setzte sich mit den bürokratischen Hürden einer Buchveröffentlichung auseinander. Wegen Corona startete Hild später als geplant mit der Crowdfunding-Kampagne. Sie ermöglicht ihm jetzt die Freiheit, das Buch selbst – und ohne Vorgaben – zu verlegen. Mit dem frischen Exemplar in den Händen hat er sich vorige Woche gleich auf Promo-Tour gemacht, es in Buchhandlungen vorgestellt.
Um auf neue Ideen zu kommen, geht Benedikt Hild mit offenen Augen durch die Stadt: ohne Handy, ohne Musik, nur mit einem Notizbuch. Mannheim hat er sich über die Miniaturfiguren tatsächlich erschlossen: „Ich gelange an Orte wie das Großkraftwerk, an die ich sonst womöglich nie gekommen wäre. Ich will nicht nur die schönsten Stellen zeigen, sondern wie Mannheim wirklich ist: verrückt, vielfältig, spannend.“ Dafür verfolgt er auch die regionalen Nachrichten. Darin war er auf die Bußgelder für Müllsünder in der Innenstadt gestoßen. Zur „Kaugummipolizei“ schreibt Hild: „Zum Glück blieb mir die Strafe erspart, da ich den als Requisite gezeigten Kaugummi nach der Aufnahme ordnungsgemäß entsorgt habe.“
Kontakt zum Künstler und Infos zur Kampagne
- Über die Crowdfunding-Webseite Startnext sammelt der Mannheimer Benedikt Hild finanzielle Mittel für sein Buchprojekt „Little Mannheim“.
- Unterstützer können dort frei spenden oder aber je nach festgelegter Summe ein Dankeschön-Paket auswählen: Für 15 Euro bekommen sie ein Buch, für 125 Euro zum Beispiel eine Ausgabe und ein Wandbild.
- Das Buch im DIN-A5-Format mit Hardcover-Bindung wird gut 120 Seiten dick.
- Ab Mitte November soll „Little Mannheim“ dann in Mannheimer Buchhandlungen für 17,90 Euro erhältlich sein.
- Alle weiteren Infos gibt es online: www.startnext.com/littlemannheim und www.little-mannheim.de.
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